Süddeutsche Zeitung

Eigenheim:Träumen und strampeln

Meist fehlt das Geld, oft auch der Platz, die Lebensumstände ändern sich: Das Einfamilienhaus ist für viele nicht mehr zeitgemäß. Ein Plädoyer in der SZ für Einzelhäuser und gegen Wohnideen, wie die Grünen sie vertreten, erntete bei Lesern einige Kritik.

Zu "Die Grünen allein zu Haus", vom 15. Februar:

Chancen für viele ausloten

Seit Jahren wird in vielen Kommunen, Gemeinden, auf Bundesebene, in verschiedenen Gremien von Architekten, in der Uni, von Landschaftsplanern und in der Verwaltung über den Flächenverbrauch in Deutschland diskutiert. Es werden Bebauungspläne erstellt, um Flächenverbrauch zu reduzieren, um Wassermangel, Verlust der Biodiversität, Versiegelung, Erwärmung und Energieeinsparung in den Griff zu bekommen.

Ich frage mich, warum Herr Matzig in diesem Artikel gegen Herrn Hofreiter persönlich als auch gegen die Grünen, vermutlich von seiner eigenen Betroffenheit geleitet, die er aber gleichzeitig den Grünen unterstellt, gegen vernünftige Pläne ätzen muss? Es geht für uns alle tatsächlich unter anderem um gerechte Zukunftschancen, nicht um individuelle Glaubenskämpfe und Verurteilungen.

Es geht um das Aushandeln von Planungen für die Zukunft, das in vielen Gemeinden schon angefangen hat - keineswegs nur durch die Grünen initiiert. Wir müssen alle umdenken, das zeigen viele andere sachlichere Artikel zum Thema, auch in der SZ.

Hilla Metzner, Berlin

Die Zukunft heißt Pendeln

Sehr gelungener Artikel, der nicht nur eines der Dilemmata bei den "Grünen" (und das schreibe ich als "alter" Rot-Grüner) beleuchtet. Auch der Schlussfolgerung stimme ich absolut zu, das heißt zum Beispiel, "das Land" weiter aufzuwerten.

Vielleicht interessiert die SZ ein kurzer Abriss zum Stadtteil München-Denning, den er erwähnt. Denning war früher ein Lehm-Abbaugebiet vor den Toren der Stadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dort Parzellen mit knapp 1000 Quadratmetern zur Besiedelung ausgewiesen. Quadratmeterpreis: fünf D-Mark. Nach und nach sterben die alten Häusler. Die Grundstücke (meist mit Ein- oder Zweifamilienhäusern bebaut) gehen nun für drei Millionen Euro über den Tresen. Die Häuser werden abgerissen, es entstehen hochpreisige Eigentumswohnungen oder Villen. Zumindest für Teile Dennings besteht kein Bebauungsplan, das heißt: Vieles ist möglich. Aber die wichtigeren Themen sind eben für viele doch Pop-up-Radlwege, damit Leute, die sich Wohnen im Stadtgebiet nicht mehr leisten können, wenigstens zur Arbeit strampeln können.

Dr. med. Thomas Lukowski, München

Übertriebene Zuspitzung

Natürlich bringt ein Eigenheim viele Annehmlichkeiten mit sich, aber es hat eben auch gesamtgesellschaftliche Nachteile, und es ist eine der Aufgaben der Politik, hier zu regulieren zwischen individuellen und gesellschaftlichen Ansprüchen. Die Zuspitzung auf "Entweder Einf amilienhaus oder Hochhaus" ist völlig aus der Luft gegriffen, die Unterstellung eines "Grünen-Hasses auf das Eigenheim" fehl am Platz und dient nicht der Debatte über die tatsächlich hochrelevante Frage, wie geeignete Wohnformen in verschiedenen Wohnlagen aussehen könnten.

Elisabeth Wegner, Freiburg

Aufstocken und ausbauen

In unserer Siedlung aus über 30 Jahre alten Einfamilienhäusern (EFH) ist ein Generationswechsel zu beobachten. Sanierungsreife Häuser wechseln zu überhöhten Preisen den Besitzer. Einstmals blühende Vorgärten werden zubetoniert, mit Baumarkt-Carports bestückt, Bäume, Hecken und Sträucher stören und machen viel Dreck ? Alles muss weg. Für eine ökologische Sanierung bleibt oft kein Geld übrig. In den Neubausiedlungen ist es ähnlich öde und trostlos, die Grundstücke sind schmal und klein, da ist es mit dem Traum vom trauten Heim schnell vorbei.

Merke: Ein Reihenhaus steht selten allein?! Es ist die Aufgabe der Politik, über Flächenverbrauch, ökologischen Fußabdruck etc. nachzudenken. Oder ob Nachhaltigkeit ohne eine Obergrenze für den Einzelnen zur Begrenzung des Verbrauchs von Ressourcen möglich ist?

Den Mangel an Wohnraum mit EFH- Bebauungsplänen zu lösen geht in die falsche Richtung. Im Gegenteil muss darüber nachgedacht werden, vorhandene Siedlungen aufzustocken, Dachgeschosse auszubauen.

Manfred Winnen, Köln

Schnörkellose Architektur hilft

Für den Architekturkritiker Matzig wäre es verdienstvoll, wenn er nicht nur die bedenkenswerten Anstöße und Vorgaben der Grünen voller Eifer unter die Lupe nähme, sondern auch die immer zahlreicher und üppiger entstehenden Neubaugebiete. Dann müsste er darüber schreiben, wie ehemals kleine Dörfer kilometerweit in Länge und Breite zersiedelt sind, wie die von ihm propagierten Einfamilienhäuser immer näher an Bachläufe und Waldränder, manchmal sogar in Wälder heran- und hineinrücken und wie die Architektur der allermeisten dieser Siedlungen Dörfer und Landschaften verschandelt. Dann könnte er darüber sinnieren, wie es unsere Vorfahren schafften, platzsparend Häuser, Straßen und Plätze zu planen und zu bauen, bei deren Betreten sich auch nach Jahrhunderten sofort ein gewisses Flair und ein Gefühl der Geborgenheit einstellt.

Der verständliche Traum vieler Familien vom eigenen Haus mit Garten draußen im Grünen wird nur für eine kleine (privilegierte) Minderheit Wirklichkeit werden können. Selbst wenn der laut Matzig reichlich vorhandene Wohnraum richtig statt falsch verteilt wäre, gäbe es für diese Wohnform immer noch zu wenig Platz, es sei denn, es würden ohne Rücksicht auf Umwelt und nachfolgende Generationen ganze Landschaften zu Baugebieten erklärt. Jedoch könnte platzsparende, einfache, schnörkellose und zweckmäßige Architektur neue Siedlungen in vertretbarem Ausmaß harmonisch an bestehende Orte und in die Landschaft einbinden und vielen Menschen abseits der Großstädte ein zufriedenes Leben im eigenen Heim ermöglichen.

Anton Huber, Haag

Bauen für alle Lebensabschnitte

Anton Hofreiter hat ein Plädoyer gehalten, das die Erkenntnisse vieler Gemeinden und vor allem auch die Baukulturberichte der Bundesstiftung Baukultur ernst nimmt. Da geht es nicht nur um Antworten auf zunehmenden Flächenverbrauch, sondern auch auf Leerstandsproblematik, auch weil die Bedürfnisse unterschiedlicher Lebensabschnitte nicht berücksichtigt werden oder Antworten auf die mit Einfamilienhäusern zunehmende "Donut"-Bebauung von Ortsrandlagen, auf Ortsmittenbelebung, auf Baukultur und vieles mehr. Vielleicht schadet es auch nicht, einen Politiker mal für eine differenzierte Argumentation zu loben.

Michael Pelzer, Westerham

Vorbild Olympiadorf

Viel zu wenig werden Ideen städtebaulicher Planungen der 60er- und 70er-Jahre zur Grundlage heutiger Planung. Stichwort Professor Spengelin: Diese geschickte städtebauliche Kombination von beidem, von qualifizierter, gut gestalteter "Stapelware" und davor gelagerten Reihen- und Atriumhäusern; und beides in einer unmittelbarer urban und gleichermaßen grün anmutenden Nachbarschaft! Dazu die Vorteile des kleinen privaten, intimen, grünen Bereichs; zumal nicht jeder Häuslebauer einen großen Garten will.

Ein optimales Beispiel dieser Kombination von Wohnformen ist das Olympiadorf in München. Vom Penthouse über der (noch mal das Unwort) "Stapelware", die dort großzügig terrassiert ist, bis zum Reihenhaus mit unterschiedlich großen Gärten und dem introvertierten, ruhigen, individuellen Atriumhaus. Eine flächensparende mediterrane Wohnform mit vielen Vorteilen des Einfamilienhauses.

Statt prinzipieller Diskussion für und gegen Stadt und Land sollte planerisch viel mehr Mut zur Innovation und zu einer geschickten Kombination der Gegensätze in neuen menschenwürdigen Wohnformen zum Wohlfühlen gezeigt und gebaut werden!

Frank Becker-Nickels, München

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Quelle:
SZ vom 27.02.2021
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