Kommentar „Ein kleiner Unterschied“ vom 30. Juli:
Ziel der Steuergerechtigkeit
Sehr geehrte Frau Roßbach, in Ihrem Artikel bezeichnen sie das Ehegattensplitting als „groteskes“ Steuersparmodell aus der Adenauer-Zeit. Meines Erachtens verleumden Sie damit zu Unrecht ein Instrument, dessen Ziel es ist, Familieneinkommen gleich zu besteuern, mithin Steuergerechtigkeit herzustellen. Im Übrigen übersehen Sie meines Erachtens bei Ihrer Argumentation, dass der besser verdienende Teil in der Regel auch überproportional zum Familienunterhalt beiträgt.
Ellen Böhm, Erfurt
Beide Partner profitieren
Bisher bin ich davon ausgegangen, dass die SZ auch in Themen, die sie als Meinung kundtut, seriös recherchierte Daten zugrunde legt. Beim Artikel über das Ehegattensplitting werden aber leider nur die Phrasen anderer wiederholt. Tatsache ist nun mal der Ausgangspunkt, dass das Splittingverfahren nach seinem Sinn und Zweck Partner, die zusammen in einer Gemeinschaft leben, steuerlich begünstigen soll. Es wird damit also primär diese Lebensform gefördert. Nichts anderes. Dabei spielt es keine Rolle, ob einer der Partner viel, der andere wenig oder beide Partner gleich viel verdienen. Der Effekt ist immer gleich, und zwar eine Minderung der Progression. Im Ergebnis werden also in der Gemeinschaft alle Einkünfte in einen Topf geworfen. Wo hier der Nachteil für einen der Partner liegen soll, auch wenn er deutlich weniger verdient als der andere, bleibt ein Rätsel.
Die Verfasserin spielt hier die Partner in ihrer Argumentation gegeneinander aus (einer profitiert, der andere wird benachteiligt). Fakt ist aber: Beide profitieren. Sie sieht dagegen in der Partnerschaft eher einen finanziellen Wettbewerb als das Primat einer ausgleichenden Gerechtigkeit und Gemeinschaft. Die unterschwellige Unterstellung, jemand würde nur heiraten, um vom Splittingverfahren zu profitieren, ist absurd. Auch die Folgerung, bei Abschaffung des Splittingverfahrens würden die vorrangig benachteiligten Damen mehr arbeiten, weil sie weniger Steuern zahlen müssten, hat mit der Realität wenig zu tun. Da gibt es viele andere Parameter, die mehr Einfluss haben.
Ich stimme aber zu, dass die Partner bei einem Wegfall des Splittingverfahrens mehr arbeiten müssen. Das ist aber Folge der höheren Steuerbelastung ohne Splittingverfahren und damit ohne den Vorteil der Progressionsminderung. Damit verbleibt in der gemeinsamen Kasse weniger netto, also muss mehr gearbeitet werden, um das bisherige Niveau zu halten. Ist das das Ziel der sogenannten Sachverständigen, die das Splittingverfahren abschaffen wollen? Die Verfasserin nennt das Splittingverfahren „grotesk“. Allein diese Wortwahl disqualifiziert sie, weil sie die grundlegenden ungelösten Fragen in dem Zusammenhang verkennt. Es gibt derzeit keine vernünftige Alternative zum Ehegattensplitting, es sei denn, man behandelt alle Steuerpflichtigen gleich, unabhängig davon, ob verheiratet oder ledig. Dann verabschiedet sich der Staat allerdings komplett von der Förderung der Partnerschaften.
Karl Altnöder, Poing
Blick auf die Sozialabgaben
Statt von einer zu hohen Besteuerung der Arbeit sollte doch korrekter von einer hohen Abgabenlast bei Arbeitseinkünften gesprochen werden. Im Gegensatz zu den anderen Einkunftsarten wird bei Einkünften aus unselbstständiger Tätigkeit zusätzlich zur Einkommensteuer der Sozialversicherungsbeitrag fällig. Bei geringen und mittleren Einkommen stellen die Sozialversicherungsbeiträge die große Belastung dar, wobei bei guten und sehr guten Einkommen die Einkommensteuer steigt, die Sozialversicherungsbeiträge aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze nicht weiter ansteigen, die relative Belastung sogar zurückgeht. Wer soll von der geforderten Steuerreform profitieren? Statt immer wieder von einer Einkommensteuerreform zu reden, sollten die Sozialversicherungsbeiträge und deren Entwicklung, insbesondere bei Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, betrachtet werden, wenn es um die Be-/Entlastung der hart arbeitenden Arbeitnehmer:innen mit Abgaben geht.
Johannes Lakes, Oberhausen
Freiwillige Teilzeit?
Die Abschaffung des Ehegattensplittings scheint weiten Teilen der SZ-Wirtschaftsredaktion ein echtes Herzensanliegen zu sein. Fakten und Nachdenken scheinen bei diesen Beiträgen weniger wichtig zu sein. Wenn Frau Roßbach ihre eigene Zeitung lesen würde, wüsste sie, dass nur eine Minderheit der erwerbstätigen Frauen freiwillig in Teilzeit ist. Was passiert dann bei einer Abschaffung des Ehegattensplittings steuerlich mit den Paaren, bei denen einer (muss ja nicht immer die Frau sein) unfreiwillig nur Teilzeit arbeitet? Diese wären ja genauso steuerlich gestraft wie das Paar, das sich den Luxus leistet, dass einer freiwillig weniger arbeitet, können aber an ihrer Situation nichts ändern.
Können Ihre Redakteure (m/w/d) bitte mal darüber nachdenken, dass eine Abschaffung des Ehegattensplittings nicht nur die Paare trifft, bei denen einer freiwillig (meist nur halb freiwillig, da durch Lebensumstände bedingt) auf Erwerbstätigkeit verzichtet, sondern alle anderen auch, bei denen unfreiwillig das Einkommen ungleich verteilt ist? Damit das Nachdenken nicht zu anstrengend wird, gebe ich gerne ein paar Beispiele, die zeigen, dass eine ungleiche Einkommensverteilung zwischen Partnern eher die Regel als das Ergebnis einer freiwilligen Entscheidung ist, und meist nichts mit Teilzeit zu tun hat: Mechatroniker bei BMW mit Friseurin; Diplom-Ingenieurin mit Buchhändler; Juristin bei Siemens mit Uni-Assistent.
Noch mal zur Erinnerung: Ehepaare bilden eine Bedarfsgemeinschaft und sind einander unterhaltspflichtig. Der bedürftige Partner erhält deshalb im Zweifel keine Sozialleistungen. In der Masse der Fälle ist das Ehegattensplitting einfach ein Gebot der Steuergerechtigkeit.
Andreas Renner, München
Hinweis
Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion, sie dürfen gekürzt und in allen Ausgaben und Kanälen der Süddeutschen Zeitung, gedruckt wie digital, veröffentlicht werden, stets unter Angabe von Vor- und Nachname und des Wohnorts. Schreiben Sie Ihre Beiträge unter Bezugnahme auf die jeweiligen SZ-Artikel an forum@sz.de. Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Postalisch erreichen Sie uns unter Süddeutsche Zeitung, Forum & Leserdialog, Hultschiner Str. 8, 81677 München, per Fax unter 089/2183-8530.