Ehe für alle:Schändlich! - Endlich!

Selbst wenn etwa 80 Prozent der Deutschen der Ehe für alle aufgeschlossen gegenüberstehen, muss man natürlich auch die hören, die etwas dagegen haben. Bei den Leserbrief-Einsendungen halten sich pro und contra in etwa die Waage.

Ehe für Alle

SZ-Zeichnung: Denis Metz

"Wer will? Wer will nicht?" vom 28. Juni und weitere Artikel zur "Ehe für alle":

Da weiß man, was man hat

Gleichstellung halte ich als eine generelle Maxime der Gesetzgebung für richtig, Diskriminierung für grundsätzlich verwerflich. Aber beim Themenumfeld Mann, Frau und Kinder verfängt das Argument nur mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen. Denn selbst nach aller menschenmöglichen "Gleichstellung": Mann und Frau sind nun mal nicht gleich, sondern offensichtlich unterschiedlich. Und Kinder gibt es nicht ohne biologische Eltern, bestehend aus einer Frau und einem Mann.

Die Ehe für "alle" löst die Frage aus: Was ist eine Ehe dann eigentlich? Will man sich unbedingt rechtswirksam mit irgendjemandem verbandeln ... eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts täte es doch auch. Mit dem Hinweis auf Gleichstellung in der Frage der Familienbildung ungeachtet biologischer Tatsachen könnten Männer vom Gesetzgeber verlangen, ihnen zu erlauben, schwanger zu werden und Kinder zu gebären. Außerdem sollte jeder das Recht haben, ein Tier, eine Pflanze, einen Gegenstand oder auch den Heiligen Geist rechtswirksam zu heiraten. Schließlich sollte ein Rechtsanspruch für jeden darauf bestehen, sich Kinder auf dem internationalen Adoptionsmarkt oder aus dem Reagenzglas zu besorgen - auf Kosten des Steuerzahlers selbstverständlich, denn: gleiches Recht und Chancengleichheit für alle war ja die Vorgabe.

Während jetzt "alle" völlig gefühlsduselig vor lauter Gleichstellung alle denkbaren Familienverhältnisse "Ehe" nennen wollen, fragt man sich, wo eigentlich das Kindeswohl bei der Sache geblieben ist. Normalerweise kommt die Regierung beim Hineinregieren in zwischenmenschliche Beziehungen immer reflexartig mit dem Primat des "Kindeswohls" daher. Diesmal wurden seltsamerweise keine Kinder gefragt, ob sie als Eltern lieber Mutter und Vater, zwei Mütter oder zwei Väter hätten. Ich mag alt und vielleicht auch altmodisch sein, aber für den Fall meiner Wiedergeburt hätte ich im nächsten Leben gerne die klassische Erzeugerkombi: eine Mutter, einen Vater. Da weiß man, was man hat.

Stephan Gebhardt-Seele, München

Apfel und Birne

Warum ist ein Mensch weniger wert als ein "Lebensmittel"? Der Begriff "Käse" ist nun geschützt, aber der Begriff "Ehe" nicht. Apfel ist Apfel und keine Birne. Warum müssen aber zwei Lebensgefährten unbedingt das Wort Ehe benutzen, genügt ihnen nicht "eingetragene Partnerschaft"?

Renate Dürr, Ottobrunn

Wem schadet es denn?

Für mich gilt immer noch unser Grundgesetz, Artikel 3. Grob übersetzt: "Jeder kann tun und lassen, was er will, solange er damit keinem anderen schadet." Die Diskussion, ob Homosexuelle eine "gleichberechtigte" Heirat eingehen können nach den §1353ff BGB, ist für mich per se ein Unding. Wir haben schon Kirchen, die - in meinem Fall - verhinderten, dass ich meinen Mann heiraten konnte, weil er geschieden war. Wir müssen als Staat dies nicht noch übertreffen. Wem schadet das denn bitte? Den Paragrafen 175 StGB haben wir glücklicherweise inzwischen abgeschafft. Ein Unding für ein Land, in dem jedes Leben gleich zählt.

Und was nutzt uns die Moral von Ehe und Familie, wenn jeden Tag Kinder aus ihren - aus heterosexuellen Beziehungen entstandenen - Familien genommen werden müssen, weil es ihnen dort offenbar entsetzlich schlecht geht. Wichtig für Kinder ist, dass sie angenommen und geliebt werden. Wichtig für Kinder ist, dass sie auch außerhalb des Elternhauses gleichaltrigen Kontakt haben. Homosexualität ist weder erblich noch anerziehbar. Das sollte wissenschaftlich doch inzwischen klar sein.

Eva Haag, Ulm

Alles neu

Ich bin gegen Ehe für alle, wenn es bedeutet Ehegattensplitting und Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse! Ich bin für Ehe für alle, wenn das Ehegattensplitting und die Mitversicherung für alle neu geregelt wird.

Beate Bitter, München

Beim alten Privileg bleiben

Die zur Mutterschaft führende Verbindung zwischen Menschen muss Vorrang vor anderen haben. Das erfordert zwar keinen Trauschein, aber eine stabile Gemeinschaft der Eltern ist noch immer die beste Voraussetzung für eine glückliche Kindheit. Der Trauschein ist Symbol dieser guten Ordnung und er sollte es bleiben. Nur in der herkömmlichen Ehe kann der Nachwuchs für neue Generationen gezeugt werden. Die Aufzucht von Kindern ist eine große Leistung, die mit Geld alleine nicht abgegolten werden kann. Die Zeugung von Nachwuchs beginnt mit Schwangerschaft und Geburt, was nicht ohne Risiken abläuft, wie ich kürzlich in der eigenen Verwandtschaft erfahren musste. Alles das verdient eine gesellschaftliche Anerkennung, mit der auch der rechtliche Status korrespondieren muss. Dass Angela Merkel aus reiner Wahltaktik nun zulässt, diese Entscheidung beinahe beiläufig durchzupauken, ist eine Schande, wie ich sie mir kaum größer vorstellen kann.

Dr. Rainer von Mellenthin, München

Vergehen am Grundgesetz

Was die Gleichstellung angeht: Bravissimo, dass auch die Führung der Bundesregierung im Hier und Heute angekommen ist und endlich aufhört, die eine sexuelle Orientierung zu belohnen, während eine andere mit weniger Rechten bestraft wird. Angst macht mir, dass die Kanzlerin - wohlüberlegt - Fraktionszwang als ein Normales und für sie offenbar legitimes Mittel der Gesetzgebung akzeptiert und hier - generös - und "eher in Richtung einer Gewissensentscheidung" - offenbar ausnahmsweise - außer Kraft setzt. Hier vergeht sich Merkel völlig selbstverständlich am Grundgesetz, welches das freie Mandat garantiert: "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (Art 38,1)"

Dr. Frank Grupp, Utting

Immer wieder vertagt

Der Vorwurf des "Knall-auf-Fall"-Vorgehens (so Unionsfraktionschef Volker Kauder) der SPD in Sachen "Ehe für alle" relativiert sich beim Blick in die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 18/12989). Danach gab es drei inhalts- und fast wortgleiche Gesetzentwürfe zu diesem Thema. Alle wurden in erster Lesung im Bundestag behandelt (Dez. 2013, Juni 2015 und Nov. 2016). Zu den beiden ersten Gesetzentwürfen gab es eine Sachverständigenanhörung im September 2015. Abgestimmt wurde über die Entwürfe nie; sie waren zwar 30 Mal auf der Tagesordnung des Rechtsausschusses, wurden jedoch jedes Mal vertagt. Der letzte Gesetzentwurf aus 2016 wurde ganze zwölf Mal vertagt.

Tobias Amberg, Eichwalde

Erbärmliche Reaktion

Der Kanzlerkandidat der SPD hat Angela Merkel vorgeworfen, durch ihr politisches Nichtstun einen Anschlag auf die Demokratie zu führen. Hat diese Frau irgendetwas zu den Cum-Ex-Verbrechern gesagt, die den Staat um Milliarden geschädigt haben? Hat Merkel bislang etwas zur Rentenverarmung gesagt? Hat sie bislang etwas zur Homo-Ehe gesagt? Jetzt plötzlich, als alle anderen Parteien diese Ehe einfordern, sieht sie ihre Felle davonschwimmen und hängt sich an den Zug an. Das soll verantwortungsvolle Politik sein? Das ist doch an Erbärmlichkeit nicht mehr zu übertreffen!

Marcus Schlüter, Weil

Politische Erpressung

Wenn mögliche Koalitionsparteien der CDU/CSU in ihren Wahlprogrammen drohen, dass ein Zusammengehen nach der Bundestagswahl nur möglich ist, wenn die sogenannte "Ehe für alle" die bisherigen, letzten parlamentarischen Hürden nimmt, so stellt dies einen skandalösen politischen Erpressungsversuch dar. Hier wird ein nachrangiges, schon weitgehend erledigtes gesellschaftspolitisches Thema parteipolitisch missbraucht. Angenommen - und was auch zu erwarten ist -, die CDU/CSU stellt die weitaus stärkste Fraktion, ohne die keine Regierung gebildet werden kann, braucht aber einen, wenn auch kleinen Koalitionspartner zum Regieren: Jede Verweigerung einer Partei zur Mitarbeit mit dem Verweis auf ein mit dem großen Koalitionspartner nicht einlösbares Wahlversprechen würde eine nicht zu verantwortende Regierungskrise heraufbeschwören. Nun wird es aufgrund der von der Bundeskanzlerin herbeigeführten neuen Situation nicht zu dem dargestellten Horrorszenario kommen. Aber dass demokratische Parteien offenbar bereit sind, mit gar nicht so brennenden Themen entweder ein erpresserisches Spiel zu betreiben oder eine Staatskrise zu riskieren, sollte den Wählern zu denken geben. Verantwortung für alle ist schließlich wichtiger als "Ehe für alle". Oder stimmen da die Maßstäbe nicht mehr?

Heribert Muser, Benediktbeuern

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