Echo:Professionelle Widerwärtigkeit

Der Musikpreis Echo ist vorerst Geschichte. Dass er überhaupt an solch menschen­verachtende Rapper wie Kollegah und Farid Bang vergeben wurde, zeigt nach Meinung von Leserinnen und Lesern, wie Gesellschaft und Business ticken.

LES

SZ-Zeichnung: Karin Mihm

"Das ist Kunst, du Opfer" vom 21./ 22. April und "Daniel Barenboim gibt seine Echos zurück" vom 24. April:

Beschämung für echte Künstler

Diese unwürdige Echo-Preisvergabe macht eigentlich sprachlos. Aber gerade wir Deutschen dürfen nicht schweigen zu diesem unter einem tiefbraunen D(r)eckmantel angeblicher Kunstfreiheit kaum verhüllten Antisemitismus, zu einer derartigen "professionellen" Widerwärtigkeit und Charakterlosigkeit. Die perfide Auszeichnung beschämt alle, die über einen gesunden Menschenverstand und Anstand, über Achtung und Respekt gegenüber anderen und gegenüber sich selbst verfügen. Und sie beschämt nicht zuletzt diejenigen, deren Kunst auf Können basiert und mitnichten darin besteht, dezidiert begründete gesellschaftliche Grenzen und Tabus auf das möglichst Primitivste und Niederträchtigste herunterzubrechen. Dass sich damit die diesjährige Echo-Verleihung entwertet und sich der ansonsten allzu gern seriös und humanitär gebende Bertelsmann-Konzern einen Zacken aus der Krone gebrochen hat, hingegen ist so gewöhnlich wie nebensächlich, business as usual eben.

Matthias Bartsch, Lichtenau-Herbram

Offene Gewaltverherrlichung

Während Rapper-Texte wie "Dein Chick ist 'ne Broke-Ass-Bitch, denn ich fick sie, bis ihr Steißbein bricht", die in meinen Augen offene Gewaltverherrlichung in Form einer Vergewaltigung darstellen, bisher offenbar keinen Anlass gaben, sich mit diesen Texten und "Künstlern" auseinanderzusetzen, ist ein genaueres Hinschauen erst erlaubt, wenn "ein klarer, habitueller Antisemitismus ... als skrupelloses Spiel mit antisemitischen Klischees" sich zeigt.

Für mich ist der Aufschrei unehrlich, zu spät, zu trendig - mit der Menschenverachtung in diesen Texten hätte man sich längst schon vor der Antisemitismus-Diskussion auseinandersetzen müssen.

Dr. Evelyn Viehoff-Kamper, Remagen

Kunst seiner Zeit

Um Hip-Hop zu verstehen, sollte man einen Blick in das Mutterland des Hip-Hop werfen. In den USA hat er sich in vierzig Jahren von der Party-Musik über den Ausdruck eines schwarzen Selbstbewusstseins hin zu einer Multi-Milliarden-Industrie entwickelt. Hip-Hop war nie politisch korrekt, immer unbequem und Ausdruck einer Kultur der Straße. Während wir über schlechten Rap diskutieren, ist der große US-Rapper Kendrick Lamar zu Recht mit dem Pulitzer-Preis auf ein neues, literarisches Level gehoben worden. Hier werden wir auf einen Künstler dieser Wortgewalt und Intelligenz warten müssen. Aber er wird kommen. Denn Hip-Hop hat immer die richtige Antwort gefunden - als Kunst seiner Zeit.

Sven Scharnhorst, Essen

Regen sich die Richtigen auf?

Auch wenn ich die Kritik an den Texten und der darin zum Ausdruck kommenden Haltung teile: Regen sich da die Richtigen auf? Tote Hosen: "Ülüsü war eine Türkin. Wie konnte mir das bloß geschehen? Ülüsü war eine Türkin. Ich werde das niemals verstehen." Marius Müller-Westernhagen: "Ich liebe dich, auch wenn ich dich geschlagen habe. Ich liebe dich. Weil du mir immer noch verzeihst." Als Jugendliche war ich davon angewidert, ging aber alles als "nicht so ernst gemeint" durch!

Evelyn Räder, Zeuthen

Dank und Anerkennung

Gebührender Respekt vor dem unvorstellbaren Leid der Holocaust-Opfer und ein normal funktionierendes Gehirn müssten ausreichen, um solche Fehlgriffe zu vermeiden. Schlimm genug, dass man mit derartigen "Kunstwerken" in Deutschland offenbar hohe Verkaufszahlen erzielen kann. Laut unserem Grundgesetz ist die Würde des Menschen unantastbar. Soll die Würde der in Auschwitz Geschundenen erneut mit Füßen getreten werden?

Dank und Anerkennung für jene Künstler, die angesichts dieses Vorkommnisses ihre Echo-Preise zurückgegeben haben. Medien kann man entnehmen, dass zurzeit in Berlin Kippa tragende Männer und Jugendliche attackiert werden. Zufall?

Robert Lenhard, München

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen.

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