Duzen:Anrede auf Augenhöhe

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In Schweden siezt man nur den König, in Kanada siezt man überhaupt niemanden. Und in Deutschland? Jeden Lehrer, spätestens nach der Grundschule. Das gebietet der Anstand. Ist das noch zeitgemäß?

"Du mich auch" vom 6. August:

Alles würde ich unterschreiben in diesem Beitrag zum Duzen, nur im letzten Absatz war etwas, was mich störte: "...in vielen großen Unternehmen ist das Duzen selbstverständlich." Das passt nicht als Vergleich. Denn Unternehmen müssen Profit machen um jeden Preis, sonst werden sie ein Opfer der Konkurrenz. Schulen aber sind ein Ort des Lernens. Autorität, Respekt, Unterordnung kann nur das Ergebnis von Erfahrungsvorsprung, Vorsprung an Sachwissen, an Lebensweisheit, allgemein als Vorsprung an Kompetenz sein. Da ist das "Du" ohne Zweifel eine Möglichkeit, um dies zum Ausdruck zu bringen. Auf Polizeistationen und in Lehrerzimmern hat das Siezen nichts verloren, wird aber immer noch häufig praktiziert, denn das sture Festhalten am "Sie" ist typisch preußischdeutsch-obrigkeitshörig. Ein Mensch aber, der mich befördern kann, Lohnerhöhung geben kann und der mich entlassen kann, mit so einem Menschen bin ich niemals per Du!

Paul Jud, Stühlingen

Eigene Erfahrung

Kurz vor meinem Abitur im Jahre 1971 wurde am Gymnasium Grafing angekündigt, dass die Anrede für Lehrkräfte in Zukunft nicht mehr Herr Professor beziehungsweise Frau Professor lauten sollte, sondern Herr Müller beziehungsweise Frau Schulze. Mein bayerischer Physiklehrer kommentierte dies so: "Dann könntest du mich pfeilgrad auch Kurti nennen." (Er duzte uns nämlich sehr wohl bis zum Abitur!) Sein Kommentar half nichts, die Neuerung setzte sich durch. Aber beim Du in beiden Richtungen sind wir bis heute nicht angekommen.

Maria Fähndrich, Stuttgart

Gegenseitiger Respekt

Dass das Duzen von Lehrerinnen und Lehrern durch Schülerinnen und Schüler ein "angstfreies" Schulklima generiert, wage ich zu bezweifeln. Genauso wenig führt das Siezen zwangsläufig zum Gegenteil. "Vertrautheit" zwischen Lehrenden und Lernenden ist meines Erachtens auch gar nicht wünschenswert, wohl aber gegenseitiger Respekt. Denn es ist nicht zu leugnen, dass Lehrerinnen und Lehrer manchmal unangenehme Wahrheiten verkünden müssen: eine schlechte Note in der Klassenarbeit, die Versagung der Versetzung, eine Schullaufbahnempfehlung, die den Betroffenen "nicht schmeckt". Lehrerin oder Lehrer als Freundin oder Freund der Schülerinnen und Schüler, das ist eine Mogelpackung.

Reinhard Gruthoff, Sarwellingen

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