"Kluge Köpfe gesucht" - unter diesem Motto werben die Finanzämter in Niedersachsen für ihr duales Studium. Es startet im August und dauert drei Jahre. Zum Beginn der Ausbildung werden monatlich 1269 Euro gezahlt, außerdem locken die Finanzämter nach erfolgreichem Abschluss zum Diplom-Finanzwirt beziehungsweise zur Diplom-Finanzwirtin mit einem sicheren Arbeitsplatz. "In der Regel werden Ortswünsche berücksichtigt. Die Berufsperspektiven sind sehr gut", unterstreicht die Juristin Stephanie Sieker. Sie ist stellvertretende Leiterin des Finanzamtes Lüneburg.
In den drei Jahren wechseln sich drei- bis sechsmonatige Studienphasen an der Steuerakademie Rinteln mit der praktischen Ausbildung in dem Finanzamt ab, bei dem man sich beworben hat. Das Studium umfasst Fächer wie allgemeines Steuerrecht, Bilanzsteuerrecht, Privatrecht und öffentliches Recht. "Man lernt, wie Gesetze funktionieren, und wie man sie anwendet", sagt Sieker und fügt hinzu: "Aber man beschäftigt sich nicht wie im Jurastudium viele Jahre lang nur mit der Theorie, sondern kann das Gelernte gleich während der Ausbildung im Finanzamt in der Praxis einsetzen."
Der Beruf lässt sich gut mit der Familienplanung vereinbaren
Dazu gehören das Bearbeiten von Steuererklärungen und Einsprüchen, die Überprüfung von Zahlungseingängen sowie der Einsatz bei Außenprüfungen unter Anleitung von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen. "Das ist eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit", findet Christine Kreis. Die 20-Jährige hat sich für das duale Studium beim Finanzamt Lüneburg auch aus finanziellen Gründen entschieden - für ein Unistudium hätte sie nebenher arbeiten müssen. Zudem denkt sie an ihre persönliche Zukunft: "Durch Gleitzeit und Teilzeitarbeit kann man den Beruf beim Finanzamt gut mit der Gründung einer Familie vereinbaren."
"Mich hat auch ein naturwissenschaftliches Studium interessiert, doch beim dualen Studium Finanzwirt finde ich den hohen Praxisanteil besser. Die Aussicht auf einen sicheren Bürojob gefällt mir gut", sagt die 21-jährige Sophie Wulf. Auch mit der theoretischen Ausbildung in Rinteln sind Wulf und Christine Kreis zufrieden: In festen Gruppen mit maximal 25 Personen fühlen sie sich wohl, auch wenn das Ganze mehr an Schulunterricht als an ein Studium erinnert. Die Teilnahme ist Pflicht. Die schriftliche Hauptarbeit besteht aus einer rund 20 Seiten langen Ausarbeitung, bei der Themen wie "Kann man Bußgelder von der Steuer absetzen?" vorgegeben werden.
"Man sollte sich durch dicke Gesetze nicht abschrecken lassen und bereit sein, zu lernen und sich fortzubilden", empfiehlt Kreis, während Wulf einen anderen Aspekt anspricht: "Man hat viel mit anderen Menschen zu tun, zum Beispiel mit Steuerberatern. Kommunikation spielt eine große Rolle." Wulf will nach dem dualen Studium erst mal in den Innendienst, später kann sie sich eine Tätigkeit bei Betriebsprüfungen oder der Steuerfahndung vorstellen.
Gerade im Außendienst sind Bewerberinnen und Bewerber gefragt. Nach Schätzungen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft gehen dem Staat jährlich Einnahmen in Höhe von 50 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung verloren. Wegen fehlender Steuerfahnder ist beispielsweise in Bremen im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr die Zahl der Fahndungsprüfungen um mehr als zehn Prozent gesunken. Neben Freude am Umgang mit Menschen und an der Arbeit im Team werden von Bewerbern Engagement und Ehrgeiz, Gespür für wirtschaftliche Zusammenhänge, Entscheidungsfreude und Verhandlungsgeschick sowie Konfliktfähigkeit erwartet.
Die Angebote setzen je nach Bundesland unterschiedliche Schwerpunkte
Je nach Bundesland gibt es beim dualen Studium Besonderheiten. In Baden-Württemberg fängt die praktische Ausbildung an einem von 62 Finanzämtern Mitte September an, die monatliche Vergütung liegt bei 1350 Euro. Die Studienphasen finden an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg statt. Die Studierenden des Studiengangs "Gehobener Dienst der Steuerverwaltung" schließen nach drei Jahren mit dem Titel "Bachelor of Laws" ab.
In Bayern wie auch in den übrigen Bundesländern stehen im Wechsel 21 Monate Fachstudium und 15 Monate berufspraktische Ausbildung in einem Finanzamt auf dem Programm, die Inhalte sind bundeseinheitlich geregelt. Für das duale Studium "Diplom-Finanzwirt/Diplom-Finanzwirtin in der Steuerverwaltung" an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern wird die kostenlose Unterbringung an den Standorten Herrsching oder Kaufbeuren versprochen. In Bayern können Bewerber maximal 45 Jahre alt sein, in den meisten anderen Bundesländern gilt das Alter von 40 Jahren als Obergrenze. In Hessen wird für die Laufbahnprüfung zum Ausbildungsende in fünf Klausuren das Wissen in den Fächern Abgabenrecht, Steuern vom Einkommen und Ertrag, Umsatzsteuer, Bilanzsteuerrecht sowie Besteuerung der Gesellschaften - also zum Beispiel von GmbHs oder Personengesellschaften - abgefragt. Die Studienphasen für die angehenden Diplom-Finanzwirtinnen und -wirte finden an der Hessischen Hochschule für Finanzen und Rechtspflege in Rotenburg an der Fulda statt.
Allgemein gilt: Bewerber dürfen keine Vorstrafen haben und müssen Bürger eines EU-Mitgliedsstaates sein. Bei erfolgreichem Abschluss winkt eine feste Stelle. Ledige Berufseinsteiger ohne Kinder kommen monatlich auf etwa 2300 Euro netto.
"Zwei Jahre braucht man als Berufsanfängerin, um in allen Themen sicher zu sein", fasst Jessica Hehlke ihre persönliche Erfahrung zusammen. Die Steuerinspektorin hat nach bestandener Laufbahnprüfung beim Finanzamt Lüneburg drei Jahre die Steuererklärungen von Unternehmen bearbeitet. In dieser Zeit war sie Beamtin auf Probe. Jetzt steht die 24-Jährige vor der Verbeamtung auf Lebenszeit. "Ich weiß von meiner Mutter, wie schwierig es für sie war, eine Stelle in der freien Wirtschaft zu finden. Umso mehr schätze ich die Sicherheit, die mir meine Arbeit gibt." Mit dieser Haltung steht sie nicht allein da: Beim Finanzamt Lüneburg kommen 15 bis 20 Bewerber und Bewerberinnen auf einen freien Platz für das duale Studium.
Welches Programm den eigenen Vorstellungen am nächsten kommt, kann man bei einem Vergleich der verschiedenen Informationsportale feststellen: "Mit Sicherheit Karriere" nennt sich zum Beispiel das niedersächsische Angebot, "Steuer kann ich auch" heißt dagegen das des baden-württembergischen Ministeriums für Finanzen. Für das duale Studium zum Finanzwirt in Bayern gibt es ebenfalls eine Info-Plattform, die sich beispielsweise mit dem hessischen Programm "Ohne uns läuft nichts ..." vergleichen lässt. Außerdem kann es sich lohnen, die Angebote der Hansestädte Hamburg und Bremen in seine Entscheidung miteinzubeziehen.