Drogenpolitik:Strafe schützt nicht vor Sucht

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Forderungen danach, Drogen zu legalisieren und abhängige Menschen durch Konsumräume zu schützen, treffen auf unterschiedliche Sichtweisen.

Zu " Recht giftig" vom 25./26. Juli:

Mir ist in fast vierzig Jahren Berufspraxis kein wirklich rationales Argument für die Prohibition von Drogen zu Ohren gekommen. Es gibt allerdings viele triftige, rationale Argumente gegen den Konsum von Drogen wie Cannabis durch bestimmte Personengruppen.

Selbstverständlich muss eine rationale Strategie bei der Legalisierung konzipiert und verfolgt werden, die bei Cannabis natürlich anders ist als bei anderen Drogen. Am Beispiel Kokain kann man gut erkennen, wie wichtig eine Liquidierung der mörderischen Infrastruktur von Drogenproduktion und Drogenhandel wäre.

Dr. Gerhard Heim, Berlin

Der Artikel von Heribert Prantl bedarf doch einiger Ergänzungen. Richtig ist, dass die Drogenpolitik und das Betäubungsmittelstrafrecht einer Reform bedürfen. Nicht richtig ist allerdings, dass die Begriffe Abhängigkeit und Missbrauch keine Bedeutung mehr hätten, wenn auch in den Leitlinien der modernen Medizin von Substanzgebrauchsstörungen gesprochen wird. Missbrauch bedeutet, dass Drogen episodisch wegen ihrer euphorisierenden oder entspannenden Wirkung genommen werden; Abhängigkeit bedeutet, dass die Dosis gesteigert wird, und dass es bei Entzug zu körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen kommt, die lebensgefährlich sein können.

Es wird immer Drogenkonsumenten geben, die trotz Therapie nicht von den Suchtmitteln loskommen. Ihnen muss geholfen werden, damit sie nicht in Beschaffungskriminalität abrutschen und sich nicht durch verschmutzte Kanülen zusätzlich gesundheitlich gefährden. Für diese Gruppe sind die Abgabe von sauberen Substanzen zu organisieren und Konsumräume einzurichten. Dafür muss es allerdings klare Kriterien geben, wie zum Beispiel eine fehlgeschlagene Entgiftung oder längerfristige stationäre Entwöhnungstherapie.

Ohne klare Richtlinien würde die vorgeschlagene Vorgehensweise eine Kapitulation vor dem Drogenproblem bedeuten.

Dr. Martin Klupp, Amberg

Das Betäubungsmittelgesetz hat seinen Ursprung und Vorläufer im "Opiumgesetz", erlassen im Jahr 1929, zur Zeit der Weimarer Republik. Davor war der Konsum aller möglichen Drogen durchaus üblich und nicht reguliert. Dies führte zu massiven Problemen in der Ärzteschaft, die zu einem großen Teil abhängig war. Somit war die Gefahr, von einem "bekifften" Arzt behandelt zu werden, durchaus real. Auch um diese Risiken zu minimieren, war damals Handlungsbedarf geboten. Die "Volksgesundheit" war von sekundärem Interesse. Manfred Mader, Augsburg

Es ist richtig, den 1398 Drogentoten im Jahr 2019 die 120 000 Nikotin- und 80 000 Alkoholtoten gegenüberzustellen. Wie Sie danach zu der Schlussfolgerung kommen, dass die Kriminalisierung den Tod der Drogenabhängigen verursacht, ist absolut unverständlich. Denn die Toten infolge des Konsums legaler Suchtmittel sind um das Hundertfache höher.

Heroinabhängige (hier gibt es die meisten Toten) bekommen in Deutschland kostenlose Ersatzmittel oder in München und anderen Hauptstädten den Originalstoff ebenso kostenlos, und an den vielen Spritzenvergabestellen in Bayern und Deutschland kann man sauberes Spritzbesteck erhalten.

Wieso nehmen viele Drogenabhängige diese guten Angebote nicht wahr? Wieso trinken die Alkoholkranken oftmals weiter, bis die Leber völlig zerstört ist und sie ins Koma fallen und sterben? Wieso rauchen Menschen trotz Corona und den abschreckenden Bildern auf den Tabakpackungen ihre Zigaretten? Drogenabhängigkeit und Sucht sind Erkrankungen, bei denen der Drang zum Konsum oftmals stärker ist als die Vernunft.

Wir müssen akzeptieren, insbesondere bei den illegalen Drogen, dass die chronische Erkrankung Sucht, wie andere schwere Krankheiten, ihre Opfer fordert. Damit dies möglichst wenige sind, müssen Hilfsangebote ausgebaut werden. Das sind für die Drogenabhängigen in erster Line die flächendeckende Substitution (die es in Bayern nicht gibt) und die Ausweitung der Heroinvergabe. Konsumräume, in denen sich Abhängige ihre "dreckigen gestreckten Substanzen" spritzen, für deren Erwerb sie kriminell handeln müssen, sind eher kritisch zu sehen.

Dr. Willi Unglaub, Lappersdorf

© SZ vom 20.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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