Dresdner Stollen:Bitte Rosinen schrubben

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Wie hängt die neuere Geschichte des berühmtesten Dresdner Weihnachtsgebäcks, des Stollens, eigentlich mit Afghanistan zusammen? Ein Leser klärt auf.

Den ausgezeichneten Artikel "Süße Gesetze" vom 26./27. November von Cornelius Pollmer möchte ich noch etwas ergänzen. Nicht nur in Dresden ist die Stolle das Jahresendthema, sondern in ganz Sachsen. Wenn ich sehe, wie bei meinen sächsischen Bekannten und Freunden in der Weihnachtszeit die selbstgebackenen Stollen ausgetauscht und begutachtet werden, dann erfährt man etwas von sächsischer Identität und der Bedeutung von Essen und Trinken im Leben der Menschen.

Die Stolle von heute in ihrer orientalischen Üppigkeit mit Zitronat, Orangeat, Kardamom, Rosinen und Zucker ist eine Erfindung der Hofbäckerei der Residenz Schloss Hartenfels in Torgau im 17. Jahrhundert. Es war damals das absolute Luxusgebäck Europas, gedacht als Weihnachtsgeschenk des sächsischen Hofes an die adeligen Verwandten. Dokumentiert ist der weiteste, wochenlange Weg mit der Kutsche nach St. Petersburg, deshalb mussten viel Butter und Schweineschmalz enthalten sein, damit er nicht ausgetrocknet ankam.

Der "Dresdner" ist ein "Torgauer", was die Innung aus Marketinggründen heftig leugnet, aber in der Leipziger Nationalbibliothek in einer Monografie dokumentiert ist. Zu DDR-Zeiten wurde diese Stollengeschichte, für die Leser in der Deutschen Bücherei schwer auffindbar, ins Schlagwort "Sport" verbannt. Dank eines Hinweises einer christlichen Bibliothekarin fand ich 1993 diese Stollenhistorie.

Als nach dem Einmarsch der Sowjetunion die Rosinen für die Dresdener Stadtbäckereien aus Afghanistan kamen und beim Anschneiden zum Fest zu Hause die Stolle innen schwarz war, weil die Rosinen zu stark geschwefelt waren, kochte Dresden vor Empörung. Später mussten die Bäckerfamilien schon Wochen vorher mit der Wurzelbürste die Rosinen braun schrubben. Gerd Sollner, Berlin

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© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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