Süddeutsche Zeitung

Dieselskandal:Echt grenzwertig

Zu kaum einem anderen Thema schreiben Leser momentan so kontinuierlich wie zum Dieselskandal. Fahrverbote, Grenzwertverschiebung, Vertuschung: All das nerve sie arg, bekennen sie freimütig - allerdings aus verschiedenen Gründen.

"Gipfel der Show" vom 10./11. November, "Strenges Fahrverbot in Köln" vom 9. November und "Später Wutanfall" vom 8. November:

Kein bisschen sauberer

Ich mag es gar nicht mehr lesen: Die Autokonzerne drücken sich davor, für die Folgen ihrer Betrügereien die Verantwortung zu übernehmen, und diskutieren wie ein kleines Kind, das man beim Naschen erwischt hat. Die politisch Verantwortlichen reden von ihrem Bestreben, Fahrverbote zu verhindern, schieben Grenzwerte nach Bedarf dahin, wo sie nichts mehr bewirken, und lassen sich von den Konzernen an der Nase herumführen. Und die Mehrheit der Medien plappert das alles ständig nach.

Wann endlich wird gesagt und geschrieben: Grenzwert ist Grenzwert, und um unsere Kinder vor dem Dreck in der Luft zu schützen, müssen wir drastische Maßnahmen wie das Fahrverbot für Dreckschleudern durchsetzen, anstatt es zu verhindern. Die jahrelange Diskussion hat die Luft in unseren Städten kein bisschen sauberer gemacht. Basta!

Michael Bechtold, Darmstadt

Von wegen geringfügig

Wenn die Anhebung der Grenzwerte von 40 auf 50 Mikrogramm geringfügig ist, dann möchte ich auch diese geringfügige Lohnanhebung erhalten - und wahrscheinlich nicht nur ich. Von einer Physikerin hätte ich eigentlich ein besseres Zahlenverständnis erwartet!

Olaf Schultz, Hamburg

Im Büro darf's dreckiger sein

Bei der Diskussion um Fahrverbote für Diesel-Kfz wegen angeblich akuter Gesundheitsgefährdung durch Stickoxide sollte unbedingt die Sinnhaftigkeit des aktuellen deutschen Grenzwertes überprüft werden. Für Orte im Freien hat Deutschland einen nie wissenschaftlich überprüften Grenzwert der WHO von 40 Mikrogramm NO₂ (Stickstoffdioxid) pro Quadratmeter Luft im Jahresmittel als Höchstwert festgelegt. In Stuttgart - klimatisch ungünstige Talkessellage - befindet sich die Messstation mitten auf der verkehrsreichsten Kreuzung, wo sich aber normalerweise niemand aufhält. Für Büroarbeitsplätze schreiben die deutschen Gesundheitsbehörden dagegen einen Grenzwert für Dauerbelastung von 60 Mikrogramm vor - erlauben also eine um 50 Prozent höhere Konzentration als im Straßenverkehr! Für Beschäftigte mit einer 40-Stunden-Woche in Industrie und Handwerk dürfen es sogar unglaubliche 950 Mikrogramm sein - also mehr als das 23-Fache wie auf der Stuttgarter Straßenkreuzung!

In den USA - seit dem VW-Skandal ja auch als umweltsensibel bekannt - gelten im Freien 103 Mikrogramm als völlig unbedenklich - immerhin das 2,5-Fache des deutschen Wertes. Warum schweigen ADAC und die Autohersteller zu dieser offensichtlichen Fehleinstufung des deutschen Stickoxid-Grenzwertes?

Dr. Detlef Mittmann, Aschheim

Autos gefährden Mitmenschen

Ich mag's nicht mehr hören! Auch wenn jetzt der 500. Diesel-fahrende Journalist schreibt, die Diesel-Fahrer müssten es jetzt ausbaden, den Preis zahlen für die Machenschaften skrupelloser Automanager und korrupter Politiker. Das stimmt einfach nicht. Millionen von Menschen, die einatmen müssen, was beim Diesel hinten rauskommt, die bezahlen in Wahrheit, und zwar mit ihrer Gesundheit! Nach neuesten Zahlen der EU sterben allein in Deutschland jährlich 13 000 Menschen vorzeitig durch Stickoxide. Am meisten bekommen die ab, die relativ bodennah atmen, also Kleinkinder. Aber auch zügig fahrende Radfahrer, die viel durchatmen, wissen, dass ihr Tun in der Stadt gesund höchstens für ihre Mitmenschen ist.

Die Stickoxide sind es leider nicht allein. Feinstäube sind mindestens genauso gesundheitsschädlich. Wenn man weiß, dass ein großer Teil der Feinstäube durch Reifenabrieb produziert wird, ist auch das E-Auto nicht mehr die Alternative.

Autos gefährden Mitmenschen nicht nur als Stehzeuge auf Fahrrad- oder Fußwegen, sondern auch regelrecht geparkt am Straßenrand rauben sie den Platz für sichere Rad- und Fußwege. Nicht zuletzt ist schon die Produktion der Autos ein unverantwortlicher Ressourcenverbrauch.

Richtig wäre also, wenn die Automanager und Politiker nicht nur betrogene Diesel-Fahrer fürchten müssten, sondern vor allem Millionen Klagen wegen Körperverletzung.

Klaus-Dieter Kittner, Marburg

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Quelle:
SZ vom 17.11.2018
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