Dieselgipfel:Stinkt zum Himmel

Lesezeit: 2 min

Mit den Entscheidungen des Dieselgipfels sind die SZ-Leser nicht glücklich. Einer findet, dass die Industrie zu sehr in Schutz genommen, ein anderer, dass zu wenig an die gesundheitlichen Folgen für die Stadtbewohner gedacht werde.

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte)

"Was bringt der Dieselgipfel?", "Zurückgeben, nachrüsten oder neu kaufen?" und "Ein Herz für Hersteller" vom 27. September sowie "Der Zukunft hinterher" und "Eine Farce" vom 26. September:

Drastisches Entgegenkommen

Bei der Bewertung der Verhandlungsergebnisse muss berücksichtigt werden, dass das eigentliche juristisch korrekte Vorgehen der sofortige Entzug der illegal erschlichenen Betriebsgenehmigungen aller betroffenen Fahrzeuge wäre, was zu horrenden Schadenersatzforderungen an die Industrie und zu einigen rollenden Köpfen in der Politik führen würde. Alles andere ist ein drastisches Entgegenkommen der Realpolitik gegenüber den Schuldigen.

Michael Schnell, Krefeld

Interessen der Kunden verkannt

Wirtschaftskrisen, als notwendiges Übel eines allzu freien Marktes und als Resultat eines ungezügelten Missbrauchs von Gesetzes- und Verordnungsfluten inklusive Gesetzeslücken, über die sich Konzerne gerne die Deutungshoheit verschaffen, können doch in niemandes Interesse sein. Wer glaubt schon gern, dass Karl Marx am Ende recht haben könnte. Geld kann man nicht essen und auch beim Atmen hilft es wenig. Die schönsten Gewinnausschüttungen für Aktionäre und die höchsten Boni für die Manager helfen leider nur in Ausnahmefällen weiter, um der Luftverschmutzung und dem Klimawandel zu begegnen. Der viel beschworene Erhalt von Arbeitsplätzen sollte auch ein soziales Anliegen von Dieselherstellern sein, die umweltschädlich gewinnoptimierte Software verwendeten - aber bitte nicht auf Kosten der betroffenen Dieselfahrer oder der Umwelt.

Wenn es dem Management eines Unternehmens nicht gelingt, aus seiner Sicht konkurrierende Interessen wie Umweltschutz und Gewinnoptionen zu integrieren, dann hat es die Rolle und die Interessen der Kundschaft gründlich und langfristig verkannt. Für die Politik gilt genau das Gleiche. Es kann doch niemandem, auch nicht in Bayern, entgehen, dass die Wählerschaft schlussendlich systemrelevant sein wird.

Karin Gilke-Kleffner, Edewecht

Realismus, aber echten

Die Frage der Historiker nach der Blindheit der deutschen Politik in Sachen Wirtschaft lässt sich zu Recht auf Gewerkschaften und Unternehmen übertragen. Aktuelles Beispiel: "Realismus" ist offenbar die neue Sprachregelung für das Leugnen des Klimawandels; da sind sich Gewerkschaften, SPD, Wirtschaft - und auch Merkel offenbar einig. Das gilt nicht nur beim Thema Kohle.

Wenn die Autohersteller ihr Geschäft darauf bauen, dass Berlin in Brüssel strengere Grenzwerte torpediert, ist es kein Wunder, dass sie mit ihrer SUV-Strategie in die Sackgasse brausen. Elektromobilität findet anderswo statt. Es ist schon sehr merkwürdig, dass die Wirtschaft den industriepolitischen Wegweiser spielt. Statt Zeit mit den klassischen Lobbygruppen zu verschwenden, sollte die Politik mit denjenigen stärker das Gespräch suchen, die ernsthafte Perspektiven entwickeln. Die Konsequenzen wären zwar anstrengend und würden dazu zwingen, Forschungs- und Wirtschaftspolitik völlig anders auszurichten. Aber für fast alle Wirtschaftszweige wäre ein Politikwechsel hin zu einem Realismus, der den Namen verdient, letztlich hilfreich.

Hermann Pütter, Neustadt

Das Leid der Stadtbewohner

Trotz Zustimmung zur Kernaussage des Kommentars "Eine Farce" befremdet mich, dass laut Kommentar (nur) Dieselfahrer die "Situation ausbaden müssen und ihnen eine Luftnummer drohe". Trifft die mutwillige mehrjährige Verzögerung einer Flottenlösung durch die Bundesregierung nicht bislang insbesondere die Innenstadtbewohner, denen der gesetzlich garantierte Immissions- und somit Gesundheitsschutz verwehrt wird? Der Fokus nur auf den Autobesitzer erscheint mir mehr als unangemessen.

Ralf Ritter, Köln

© SZ vom 06.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: