Süddeutsche Zeitung

Diesel:Und wer thematisiert den CO₂-Wahnsinn?

Lesezeit: 3 min

Was soll man sich denn nun für ein Auto kaufen, wenn man bisher Diesel gefahren ist? Das fragt sich ein Leser, der Benziner nicht für die bessere Lösung hält. Andere Leser sehen es ähnlich.

"Merkel: Diesel unverzichtbar für Klimaschutz" und "Jeanne d'Arc der Autobauer" vom 6. September sowie "Umweltbundesamt: Merkel liegt falsch" vom 7. September:

100 Kilometer, vier Liter

Die Gründe für Kanzlerin Angela Merkels Statement pro Dieseltechnologie dürften nicht nur in ihrer Sorge ums Klima begründet liegen. Auch Dieselfahrer sind Wähler. Und dennoch: Merkel hat recht. Mich wundert seit Monaten, dass die CO₂-Problematik in der "Diesel-Dreckschleuder-Diskussion" völlig außen vor ist. Solange Elektrofahrzeuge eine Reichweite von 200 Kilometern haben und keinerlei Infrastruktur für Elektromobilität existiert, haben die allermeisten Autofahrer faktisch nur die Wahl zwischen Diesel und Benziner.

Ich selbst fahre einen Golf Diesel, Baujahr 1999. Diesen fahre ich im Sommer mit einem Verbrauch von unter viereinhalb Litern. Was wäre denn die Alternative? Umstieg auf einen vergleichbaren Benziner mit doppeltem Verbrauch? Gar Umstieg auf einen Benzin-SUV von der Größe eines Einzimmer-Appartements mit einem Verbrauch zwischen zehn und 15 Litern? Wann wird dieser Wahnsinn eigentlich einmal gesellschaftlich diskutiert?

Für mich ist die globale Erwärmung das zentrale Problem unserer Zeit. Dass seit Monaten nur über Stickoxide und nicht über CO₂ diskutiert wird, passt leider auch zur völligen Abwesenheit des Themas im aktuellen Wahlkampf, von den Grünen einmal abgesehen. Der Zusammenhang zwischen vielen im Wahlkampf diskutierten Themen und globaler Erwärmung wird nicht gesehen oder ignoriert. Die im Wahlkampf so gerne geführte Diskussion über ein paar Euro Steuern rauf oder runter ist doch ein Witz, verglichen mit den Kosten, die den nachfolgenden Generationen durch den Klimawandel aufgebürdet werden. Ist dies die soziale Gerechtigkeit, über die zum Beispiel die SPD so gerne sinniert, während sie gleichzeitig den Braunkohle-Wahnsinn aus landespolitischem Kalkül am Leben erhält? Ich finde, es wird endlich Zeit für ein Bewusstsein, das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Diskussionen stets in den Zusammenhang mit der globalen Erwärmung stellt.

Martin Ney, Niederweiler

Ökonomisch und ökologisch

Am Fehlverhalten der deutschen Autoindustrie besteht kein Zweifel. Betrug muss bestraft werden. Der Dieselmotor kann aber, technisch nachgerüstet, die gesetzlichen Auflagen erfüllen. Er ist ökonomisch und hat eine positive CO₂-Bilanz. Diese haben Benzinmotoren bis heute nicht. Wasserstoff- und Gasantriebe (Power to Gas) können die bisherigen Benzin- und Dieselmotoren durchaus ersetzen. Die ökonomische Bilanz der Elektromobilität ist bis heute ungeklärt. Alleine die Kosten für Batterieherstellung, Transport riesiger Batteriegewichte, Haltbarkeit der Batterien, Brandgefahren, Stromlieferung (aus Kohle?) sowie Endlichkeit und Abhängigkeit von Mineralien (seltene Erden) zur Batterieherstellung können bis heute nicht abschließend und verbindlich beantwortet werden. Es ist deshalb politisch klug, den Verbrennungsmotor nicht zu verteufeln oder gar zu verbieten, akut eine Million Arbeitsplätze zu gefährden und dann eventuell keine tragfähige Alternative zu haben. Um diese Zusammenhänge zu verstehen, muss man nicht unbedingt Physik studiert haben wie die Kanzlerin.

Prof. Johannes G. Wechsler, München

Schnellfahren abschaffen

Erstaunlich bei der bisherigen Diskussion über Mittel und Wege zur Minderung der Schadstoffbelastung ist, dass die Einführung eines Tempolimits auf den Autobahnen offensichtlich außen vor ist. Das löst zwar nicht die Problematik für die Innenstädte, wäre aber doch ein erheblicher Beitrag zur allgemeinen Schadstoffminderung. Zudem würde ein Tempolimit von zum Beispiel 130 Kilometer pro Stunde auf den Autobahnen die Gefährdung durch überschnelle Zeitgenossen und den Schadstoffausstoß deutlich reduzieren. Außerdem wäre das Reisen wesentlich entspannter, was man immer dann merkt, wenn man von unseren Nachbarländern wieder zu uns zurückkehrt mit unserem Motto "Freie Fahrt für freie Bürger". Mittlerweile erscheint dieses Motto wohl etwas aus der Zeit gefallen, ganz abgesehen davon, wem das Schnellfahren denn überhaupt nutzt. Dem Bürger wohl kaum.

Dr. Peter Buriánek, München

Aufrichtiger sein

Die Justiz muss entscheiden, wie der Betrug bei Dieselfahrzeugen von VW geahndet wird. Auch wenn es dauert. Welchen Schaden hat ein Autokäufer?

Die Politik muss entscheiden, wie sie mit dem Verstoß von VW gegen ihre Gesetze umgeht. Sie muss prüfen, ob und wie viel Kfz-Steuer sie zu wenig erhalten hat. Wer bezahlt diese nach?

Die öffentliche Diskussion sollte bei Zielkonflikten aufrichtiger sein. Wie kann zum Beispiel weniger CO₂ mit mehr NOx verglichen werden? Die Fragen müssen breiter gestellt werden. Was ist zum Beispiel bei Hausheizungen im Vergleich zum Verkehr möglich? Was belastet uns Bürger weniger?

Und ein Blick auf die Zukunft der sparsamen Dieselmotoren: Heute schon gibt es zehn Modelle im Handel, die die strengen Werte der EU (168mg/km NOx) ab September 2019 einhalten. Technisch geht es also.

Jost Etzold, Varel

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Quelle:
SZ vom 13.09.2017
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