Debatte:Braucht es eine Dienstpflicht?

Debatte: So war das früher: Im März 2004 trainierten Wehrpflichtige auf einem Übungsgelände der Bundeswehr.

So war das früher: Im März 2004 trainierten Wehrpflichtige auf einem Übungsgelände der Bundeswehr.

(Foto: Frank May/dpa)

Der Streit über diese Frage führt zu heftigen Diskussionen.

Von Marco Völklein

Wenn es nach den Delegierten des CDU-Parteitags geht, dann ist die Sache klar: Junge Leute sollten künftig zu einem "Gesellschaftsjahr" verpflichtet werden, entschied der Parteitag Anfang September in Hannover. Als Gesellschaftsjahr verstehe man einen Dienst, "der es allen jungen Menschen ermöglicht, sich zeitweilig und konkret für unser Land und für unsere Gesellschaft zu engagieren", hieß es in dem Antrag, den unter anderem die stellvertretenden Bundesvorsitzenden Carsten Linnemann und Silvia Breher sowie Junge-Union-Chef Tilman Kuban initiiert hatten. Dieser hatte zunächst offengelassen, ob es sich um eine Pflicht oder einen Freiwilligendienst handeln solle - am Ende allerdings entschied sich eine Mehrheit der Delegierten für die Forderung nach einem verpflichtenden Jahr.

In der Begründung für den Antrag hatte Linnemann zusammen mit seinen Mitstreitern unter anderem formuliert: "Viele Menschen bewegen sich nur noch in digitalen und sozialen Echokammern. Für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft ist eine solche Entwicklung Gift." Außerdem fördere ein Gesellschaftsjahr die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen und mache den Staat widerstandsfähiger. Wo genau die jungen Leute den Dienst absolvieren können, solle möglichst flexibel ausgelegt werden, "sei es bei sozialen Einrichtungen, in Krankenhäusern, bei der Bundeswehr, im Zivilschutz beim THW oder bei der Feuerwehr, über anerkannte Hilfsorganisationen im Ausland oder im Sport und in der Kultur oder bei Natur- und Umweltschutzverbänden".

Die CDU will ein "attraktives Dienstgeld"

Entlohnt werden solle der Dienst durch ein "attraktives Dienstgeld". Der Antrag sieht vor, dass das Dienstjahr "in der Regel unmittelbar nach dem Schulabschluss" absolviert werden soll, eine entsprechende Rechtspflicht solle mit Vollendung des 18. Lebensjahrs eintreten, wobei auch ein früheres Absolvieren möglich sein solle. Das alles erinnert an die Wehrpflicht bei der Bundeswehr, die junge Männer bis zu deren Aussetzung im März 2011 durch die Regierung von CDU/CSU und FDP ableisten mussten. Alternativ dazu konnte man auch einen Ersatzdienst zum Beispiel in sozialen Einrichtungen, im Naturschutz oder im Rettungswesen ableisten.

Bereits im Juni hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine entsprechende Debatte angestoßen. Er hatte damals argumentiert, dass ein sozialer Pflichtdienst die Gemeinschaft stärken könnte. In der Bevölkerung trifft die Forderung jedenfalls auf große Unterstützung: Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für die Bild-Zeitung sind fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland für einen solchen Pflichtdienst. Demnach sprachen sich 65 Prozent der Befragten eher für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr aus, 21 Prozent waren eher dagegen und 14 Prozent machten keine Angaben oder antworteten mit "Weiß nicht".

Eine Mehrheit der Befragten ist zudem der Ansicht, dass sich ein solcher Dienst positiv auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirken würde. Die Idee findet der Umfrage zufolge bei den Wählern aller Parteien Zustimmung - allerdings kommt sie bei Älteren besser an als bei Jüngeren: Bei den jüngsten Befragten (18 bis 29 Jahre) sprachen sich 49 Prozent für einen Pflichtdienst aus, bei den ältesten Befragten (ab 70 Jahre) lag die Zustimmung bei 81 Prozent. Dennoch findet CDU-Chef Friedrich Merz diese Zahlen bemerkenswert: "Ich bin überrascht, wie hoch die Zustimmung gerade in der jungen Generation zu einem solchen verpflichtenden Jahr ist", hatte er kurz vor dem CDU-Parteitag erklärt.

Debatte: Ein junger Mann betreut im Rahmen seines Bundesfreiwilligendienstes einen älteren Herrn in einem Seniorenheim.

Ein junger Mann betreut im Rahmen seines Bundesfreiwilligendienstes einen älteren Herrn in einem Seniorenheim.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Klare Ablehnung kommt indes von der FDP: Justizminister Marco Buschmann und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger lehnen ein Pflichtjahr für junge Menschen strikt ab. Der Justizminister nannte den mit einem Pflichtjahr verbundenen Freiheitseingriff nicht gerechtfertigt. "Junge Menschen müssen frei über ihre Zukunft entscheiden können", schrieb er kürzlich auf Twitter. Ein Pflichtjahr passe schlicht nicht in die Zeit. "Überall leiden wir unter Fachkräftemangel." Seine Bildungskollegin im Kabinett betonte, junge Menschen erwarteten, dass die Politik Bildungsgerechtigkeit fördere, Aufstiegschancen schaffe und freiwilliges Engagement belohne. "Das sollte unsere gemeinsame Kraftanstrengung sein - nicht die ewig gleichen Debatten über mehr Zwang", erklärte Stark-Watzinger. Der Parlamentarische Geschäftsführers der FDP-Fraktion im Bundestag, Stephan Thomae, warnte ebenfalls, mit einem verpflichtenden sozialen Jahr würden junge Menschen von Ausbildung und Berufseinstieg ferngehalten. "Stattdessen sollten bessere Anreize für den Bundesfreiwilligendienst auf den Weg gebracht werden."

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