Deutsche Bahn:Ministeriale Entgleisungen

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Die Verkehrsminister aus den Reihen der CSU haben die Bahn in die Misere gelenkt. Verantwortlich sehen SZ-Leserinnen und -Leser auch noch andere.

"Die Zerstörer" vom 22./23. April:

Maroder Zustand

Den desolaten Zustand der Deutschen Bahn nur den letzten drei Verkehrsministern anzulasten, ist in mehrerer Hinsicht zu kurz gesprungen. Zeitlich wurden die entscheidenden Fehler und Versäumnisse bereits in den 1970er- und -80er-Jahren begangen, mindestens und dramatisch aber nach der Wiedervereinigung. Somit muss der Personenkreis der "Versager und Zerstörer" auch auf die Verkehrsminister vor Ramsauer ausgeweitet werden - übrigens alles Männer.

In Deutschland bestimmen die jeweiligen Bundeskanzler und Bundeskanzlerinnen die Richtlinien der Politik, und diese tragen damit genauso viel Verantwortung für die Misere der Bahn wie ihre Fachminister. Namentlich sind hier insbesondere Helmut Kohl und Angela Merkel zu nennen. Unverständlich, wie diese Politiker auch noch mit Ehrungen bedacht werden.

Und um den verantwortlichen Personenkreis zu vervollständigen, sei hier noch auf die Wählenden verwiesen, die ein Totalversagen der Regierungen Kohl und Merkel in nahezu allen Politikfeldern mehrheitlich mit der konsequenten und fortgesetzten Wiederwahl "abstraften".

Inhaltlich schadet der marode Zustand der Bahn nicht nur dem Personen-, sondern auch dem Güterverkehr und verhindert eine Verkehrswende in Deutschland, ja behindert diese auch im angrenzenden Ausland. Die genannten Regierungen haben sich daher nicht nur an ihren, sondern auch an zukünftigen Generationen massiv versündigt.

Als Berufs- und Wochenendpendler leide ich sehr unter dem Zustand der Bahn und erlebe regelmäßig dramatischere Reisen. So wie Herr Gertz seine Zugfahrt von Bremen nach München schildert, scheint er ja eine vergleichsweise entspannte Reise gehabt zu haben. Ich freue mich immer auf den Grenzübertritt nach Österreich: S-Bahn-Fahren 2. Klasse ist dort wesentlich entspannter, bequemer, sicherer, zuverlässiger und pünktlicher als im ICE der Deutschen Bahn 1. Klasse Bahn-Bonus-Status Platin. Das einzige Argument für Reisen mit der Deutschen Bahn ist für mich der Umweltaspekt.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Zügen der Deutschen Bahn erlebe ich trotzdem als überwiegend zuvorkommend und freundlich, auch wenn oft gestresste Fahrgäste ungerechtfertigt ihren verständlichen Frust bei ihnen abladen. Von hier aus ein herzlicher Dank dafür.

Und zum Schluss noch eine bemerkenswerte Zahl: Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit in den Hochgeschwindigkeitszügen in Spanien unter Berücksichtigung von Verspätungen und Zugausfällen beträgt deutlich über 200 km/h, in den ICEs der Deutschen Bahn unter 90 km/h.

Dr. Kai-Uwe Kloss, Aulendorf

Hauptschuld am Desaster

Daran, dass die drei genannten Herren von der CSU sehr stark beim Niedergang der Bahn mitgewirkt haben, besteht kein Zweifel - doch nicht die CSU trug allein und wesentlich für das "historische Versagen" der DB die Verantwortung, sondern eher schon ein gewisser Hartmut Mehdorn, seines Zeichens Bahnchef von 1999 bis 2009. Er war nicht nur unter CDU-Verkehrsminister Wissmann unheilvoll tätig, sondern auch und vor allem unter den SPD-Verkehrsministern Müntefering, Klimmt, Bodewig, Stolpe und Tiefensee. Er war bei all diesen Ministern und vor allem beim Kanzler Schröder sehr wohlgelitten.

Leider ist der SZ-Autor auf dem linken Auge etwas blind. Mehdorn strebte eine rein gewinnorientierte Bahn an und gab daher den "Verschlanker" der Infrastruktur - was dementsprechend bedeutete, dass unter seiner Ägide massenhaft Weichen, Ausweich- und Überholgleise abgebaut und sogar teilweise auch zweigleisige Strecken zu eingleisigen zurückgebaut wurden. Bei aller berechtigten Kritik am CSU-Trio: Hauptschuld am Desaster der Bahn trägt die SPD, auch wenn es der SZ-Autor vielleicht wegen parteipolitischer Präferenzen nicht wahrhaben will.

Dr. Fritz Anetsberger, Landshut

Instrument der Mobilitätspolitik

Endlich ortet jemand die Verantwortung für den Zustand der Bahn bei den Politikern und entlastet damit die Unternehmensführung der Bahn, wenngleich es auch dort schwarze Schafe gegeben hat. An dem Aus für den Transrapid Hamburg-Berlin war auch der Vorstand der Bahn aktiv beteiligt. Eine vergebene Chance für eine zukunftsfähige Mobilitätspolitik!

Jetzt kommt es darauf an, die Bahn in allen Bereichen zu ertüchtigen, damit sie fähig wird, den Straßenverkehr zu entlasten und damit endlich die seit Jahrzehnten von Experten geforderte nachhaltige Verschiebung des Modalsplits von der flächenzehrenden Straße auf die leistungsfähigere Schiene zu ermöglichen. Die Politiker müssen die Bahn endlich als Instrument der Mobilitätspolitik begreifen.

Tests mit Lkws in Überlänge, mit E-Antrieb über Oberleitungen, mit elektronischer Steuerung für abstandsloses Kolonnenfahren sind nicht zielführend für eine zukunftsfähige Mobilitätspolitik. Das sind die bei der Bahn seit Langem in der Praxis bewährten Techniken. Der aktuelle Bundesverkehrsminister hat die Chance, es spürbar besser zu machen als seine Vorgänger.

Hans Lafrenz, Hamburg

Durchgedrücktes Gaspedal

Ich fahre viele Jahre mit der Bahn - früher auch beruflich, und sie ist trotz allem das beste Verkehrsmittel, trotz aller Pannen. Anerkennung für die fast immer freundlichen Bediensteten. Aber die Bahn könnte so viel besser sein, ja, wenn die "Zerstörer" nicht ganze Arbeit geleistet hätten in der Demontage. Wie kann man diese Fakten und Zahlen einfach nicht sehen wollen und nicht hören wollen, was Fahrgäste täglich erleben? Aber es geht weiter mit durchgedrücktem Gaspedal. Herr Wissing kann auch CSU!

Dr. Irene Tesseraux, Kiel

Fehler mühsam reparieren

Holger Gertz möchte ich als ehemaliger Eisenbahner zurufen: "Endlich sagt es mal einer laut." Auch bei Journalisten scheint es endlich angekommen zu sein, wer an der Misere der Deutschen Bahn die Grundschuld trägt. Der Grundstein wurde von der Politik im Jahre 1994 gelegt, als man meinte, ein Element der Daseinsvorsorge privatisieren zu müssen. Elemente der Daseinsvorsorge wie Strom, Gas, Wasser und Bahn privatisiert man nicht.

Die Fortsetzung des Niedergangs der Bahn fand ihren Niederschlag in der Tatsache, dass man die Fachleute der Bahn durch Manager aus der Industrie in den Führungspositionen ersetzte. Leute, die meinten, eine Eisenbahn wie eine Schuhfabrik managen zu können. Hilfreich zur Seite stand die Gilde der Controller, die in den 90er-Jahren monatlich stolz verkündeten, wie viele Eisenbahner das Unternehmen wieder verlassen haben. Sie verstanden allesamt von der Bahn überhaupt nichts und zerlegten die Bahn nach neoliberalen Gesichtspunkten in viele Einzelteile. Sie verstanden nicht, dass eine Eisenbahn ein hochkomplexes, betriebstechnologisches Gebilde ist. Jegliche Trennung - wie etwa in Netz, Station und Service, Energie - muss dann zwangsläufig Stoßstellen erzeugen, die Geld- und Zeitverluste zur Folge haben. Überhastete und sinnlose Strukturveränderungen sollten dann die erkennbaren negativen Folgen beheben und machten es aber immer schlimmer.

In dem Artikel wird sehr treffend beschrieben, wie die Fehlentscheidungen der Vergangenheit nun mühsam wieder repariert werden sollen. Hätte man auf die Expertise der Eisenbahnfachleute gehört, wäre uns das alles erspart geblieben. Die Hauptschuldigen, die dem Niedergang nicht entgegengewirkt haben und überhaupt kein Interesse an der Deutschen Bahn gezeigt haben, waren die arroganten Verkehrsminister der CSU. Für sie waren die Straßen in Bayern wichtiger. Zudem hat der letzte Minister sich auch noch an Steuergeldern vergriffen (gemeint ist das gescheiterte Autobahnmaut-Projekt; d. Red.). Eine Besserung ist mit dem neuen Verkehrsminister nicht zu erwarten. Auch bei ihm steht die Straße im Vordergrund - und die Zerschlagung des Bahnkonzerns. Auch er hat das System Eisenbahn nicht begriffen: Rad und Schiene sind eine Einheit. Trennt man sie, dann sind künftige Innovationen in der Grundlagenbearbeitung von betrieblichen und technischen Lastenheften bedeutend erschwert. Aber auch das verstehen nur Fachleute.

Winfried Scholz, Berlin

Bahnverdrossenheit?

Leider hat unsere Gesellschaft zehn Jahre verloren, ein leistungsfähiges und komfortables Verkehrsmittel attraktiv zu halten und weiterzuentwickeln. Es war schon 2013 absehbar und wurde beschrieben, dass die Bahn nicht in ausreichendem Maße investieren würde.

Der Unterschied zwischen der attraktiven Gestaltung eines Bahnhofs und der vernachlässigt schäbigen Variante ist mir am vergangenen Wochenende auf meiner Fahrt von Amsterdam Centraal nach Köln vor Augen geführt worden: Sehen Sie sich jeden Bahnhof auf der holländischen Seite der Route an und achten Sie dann ganz besonders auf den Bahnhof Viersen. Mir ist die Kinnlade heruntergefallen und ich habe mich richtiggehend geschämt im ICE International von Amsterdam nach Frankfurt mit seinen vielen holländischen und anderen internationalen Fahrgästen.

Mit dem jämmerlichen Bild des Bahnhofes Viersen muss ich fairerweise aber auch eingestehen, dass auch keine andere Partei bisher Interesse oder gar Mühe für den Aufenthaltsort Bahnhof oder für das tolle Verkehrsmittel Eisenbahn aufgebracht hat und investiert hat. Die Stadt Viersen eingeschlossen. Ist es zu weit hergeholt, Politikverdrossenheit (auch) mit dem Zustand der Bahn und der Bahnhöfe in Verbindung zu bringen?

Michael Odenthal, Kiel

Zweitverwertung

Ein wunderbares Feuilleton zum Thema Bahn, das die Probleme auf den Punkt bringt. Als überzeugter Bahnfahrer kann ich dem voll und ganz zustimmen. Es wäre gut, wenn der Text im Bahnmagazin Mobil erscheinen könnte.

Roman Brugger, Planegg

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