Verkehr:Verschönerungen im Betriebsablauf

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(Foto: Denis Metz)

Seit einem Jahr gibt es das Deutschlandticket. Doch die hohen Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Warum steigen nicht mehr Menschen auf Bus und Bahn um? Leserinnen und Leser der SZ haben Vorschläge, wie es besser laufen könnte.

"Nur teilweise beliebt" und Kommentar "Nutzlos, aber nett" vom 30. April:

Doch, es ist ein Erfolg

Seit einem Jahr gibt es das Deutschlandticket. Ich bin sehr erfreut, dass diese günstige Möglichkeit geschaffen wurde. Ich kann mit fast allen Zügen, Bussen, Straßenbahnen und so weiter fahren, ohne mich um Tarife und um die Fahrkartenbesorgung zu kümmern. Ich muss auch nicht einen konkreten Zug auswählen. Ich kann mich in den Zug setzen und losfahren. Für mich ist das D-Ticket ein Erfolg und eine Verbesserung der Lebensqualität.

Nun erscheint zum Jahrestag des D-Tickets der Artikel "Nur teilweise beliebt" von Vivien Timmler. In diesem Artikel wird versucht, alles zu benennen, was gegen das Deutschlandticket sprechen könnte.

Begonnen wird mit der Fake-Aussage, dass 72,6 Millionen das D-Ticket nicht nutzen. (Die Zahl ergibt sich wohl aus der Gesamtbevölkerung Deutschlands). Damit wird auf alle Deutschen Bezug genommen, vom Säugling bis zum Pflegefall. Sollen Kleinkinder und Pflegefälle das D-Ticket erwerben? Weiterhin wird auf die Probleme bei der DB hingewiesen. Stimmt zwar, aber mit dieser Einstellung kann man jeden Erfolg kaputtreden. Und so fort.

Gerhard Schmidt, Unterhaching

Beschränkungen fürs Auto

Vivien Timmler hat recht, wenn sie das Deutschlandticket in Bezug auf die Verkehrswende "nutzlos, aber nett" nennt. In ihrer Analyse der Gründe dafür bleibt sie jedoch sehr einseitig: Das schwache Angebot im ÖPNV sei schuld, insbesondere im ländlichen Raum. Als Beleg führt sie unter anderem an, dass von dort nur 21 Prozent der D-Ticket-Kunden kommen, alle anderen aus den Städten. Diese Zahl ist aber kein Beweis für irgendetwas, sondern einfach nur ein Abbild der Einwohnerzahl, weil eben rund 80 Prozent der Bevölkerung in den Ballungsräumen leben.

Überhaupt sollte man bei der ÖPNV-Nutzung nicht ständig den ländlichen Raum ins Feld führen. Fangen wir doch zunächst mit den Städtern an, sollen erst mal die Menschen vom Auto umsteigen, die bereits ein ziemlich gutes ÖPNV-Angebot haben. Warum tun sie das trotzdem nur minimal?

Der Anteil der verschiedenen Verkehrsträger am Gesamtverkehr (Modal Split) bleibt seit Jahrzehnten nahezu gleich. So nahm zum Beispiel die ÖV-Nutzung in der Region Stuttgart von 1995 bis 2017 dank des immer weiter ausgebauten ÖPNV um 46 Prozent zu. Das waren Millionen mehr Fahrten mit Bus und Bahn. Der ÖV verharrte aber nahezu unverändert bei 12 Prozent im Modal Split, das Auto blieb bei 58 Prozent, hatte also absolut noch weit mehr zugenommen. Wollen wir das? Es geht doch bei der Verkehrswende nicht um mehr Bahnfahrende, sondern um weniger Autos. Dafür braucht es neben weiteren Verbesserungen im ÖPNV vor allem Beschränkungen für das Auto, auch wenn's wehtut. Ansonsten steigt nur der Gesamtverkehr.

Stefan Flaig, Marbach

Deutschlandticket im Flixbus

Wenn wir mit der richtigen Strategie die Mächtigen auf unserer Seite haben, können wir mit weniger Aufwand schneller mehr erreichen! So wäre ein Abo denkbar, das zum Beispiel den Flixbus inkludiert, der in München im katholischen Bayern seinen Verwaltungssitz und zusätzlich einen amerikanischen Investor an seiner Seite hat. Der Nachteil ist, dass es teurer werden könnte - das muss man bei den Verhandlungen mitteilen. Vielleicht wäre da ja etwas machbar, wenn man seine Beziehungen spielen lässt. Vielleicht hat ja jemand von denen eine Idee zur kurz- bis langfristigen Finanzierung? Es wäre ein edler Zug und im Interesse aller.

Cornelius Michael Oette, Neuenstadt

Infrastruktur ausbauen

Das Deutschlandticket ist ein erster Schritt in die richtige Richtung: weniger individueller Autoverkehr, mehr Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Ja, wenn nicht ...

1. viele an diesem Richtungswechsel gar kein Interesse hätten, nicht nur wirtschaftspolitisch einflussreiche Kreise, sondern auch Motorsport-Begeisterte und andere;

2. die Zuverlässigkeit der Verbindungen im ÖPNV sehr zu wünschen übrig ließe, Stichworte: Anbindungen auf dem Land, Streiks, marodes Schienennetz, Verspätungen und so weiter;

3. die Mitnahme von zum Beispiel Kindern und Fahrrädern nicht bundesweit einheitlich und praxisnah geregelt wäre, gegebenenfalls gegen angemessenes Einmalentgelt;

4. der monatliche Ticketpreis für viele Gelegenheitsnutzer zu hoch und damit unattraktiv wäre.

Im Sinne der lange überfälligen klimagerechten Verkehrswende muss der öffentliche Nah- und Fernverkehr für die große Mehrheit der Bevölkerung unschlagbar attraktiv werden. Die Hauptkosten entstehen durch den Ausbau und den Erhalt der notwendigen Verkehrsinfrastruktur; diese wird für alle vorgehalten, auch für diejenigen, die sie aktuell nicht nutzen, aber nutzen könnten. Deshalb sollte diese Infrastruktur auch von allen bezahlt werden, zum Beispiel über nutzungsunabhängige Steuern, damit die Ticketpreise bei aktueller Nutzung für alle so niedrig wie möglich gehalten werden können. Lange überfällig ist ein zunächst europaweites modulares Gesamtverkehrskonzept im Güter- und Personenverkehr mit Einbindung aller Verkehrswege mit dem Ziel der Minimierung des Ressourcenverbrauchs und der klimaschädlichen Emissionen.

Dr. Norbert Hien, München

Zu sehr ans Auto gewöhnt

Die Antwort, warum das Deutschlandticket nur teilweise beliebt ist, ist sehr einfach: In den letzten Jahrzehnten wurden die Deutschen dazu erzogen, mindestens ein Auto zu haben und dieses natürlich auch zu nutzen. Das führt dazu, dass jegliche Überlegung Richtung ÖPNV unter dem Autovorbehalt gemacht wird: Ist der ÖPNV mindestens genauso bequem wie das eigene Auto?

Ich habe einen ganz anderen Ansatz: Ich bewege mich generell ohne Auto fort. Für mich ist der ÖPNV und das Deutschlandticket ein Segen; wenn ich mit ÖPNV oder Bahn irgendwo nicht hinkomme, dann überlege ich es mir mehrmals, ob ich unbedingt dorthin muss. Mein Ansatz rührt aus meiner Jugend, in welcher der persönliche Radius die Strecke war, die man mit dem Rad oder dem Zug zurücklegen konnte.

Wer es gewohnt ist, dass man ein Auto zur Verfügung hat, der empfindet Bahn und ÖPNV natürlich als Einschränkung, die in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht hinnehmbar ist (so zumindest die Meinung vieler). Ich frage mich allerdings, ob die nahezu grenzenlose automobile Mobilität gut für die Menschheit war, denn unter anderem die Emissionen aus dem Verkehr haben uns in die heutige Lage gebracht. Deshalb ist ein fundamentaler Paradigmenwechsel vonnöten (Welche Art von Mobilität wollen wir haben beziehungsweise können wir uns erlauben?), sonst bleibt es bei einer Flickschusterei, weil es am Ende immer am fehlenden Geld scheitert, die Träume wahr werden zu lassen.

Erich Würth, München

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