"Denken":Gegen die Eitelkeiten

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Carolin Emcke hat sich in ihrem Essay "Denken" gegen die Eitelkeiten der Redenden und Denkenden gestellt. Ein SZ-Leser greift dies auf und berichtet, wie ihn hier Karl Poppers Buch "Das Elend des Historizismus" geprägt hat.

"Denken" vom 23./24. Januar:

Mit Erstaunen und großer Zustimmung habe ich den Artikel "Denken" von Carolin Emcke gelesen. Er stellt sich gegen die Eitelkeiten der Redenden und Denkenden mit aller Klarheit. Nur - darin bin ich mir mit der Autorin nicht einig - ist dieses Phänomen so alt wie die Menschheit selbst. Aber es ist gut, dass es von Zeit zu Zeit immer einmal wieder aufgegriffen wird, damit vielleicht der ein oder andere doch auch über dieses Problem nachdenkt.

Vor über 50 Jahre wurde ich mit diesem Problem erstmals konfrontiert. Kein Geringerer als Karl Popper schrieb im Jahre 1964 in seinem Vorwort zu seinem Buch "Das Elend des Historizismus" über das Prinzip der dauernden Fehlerkorrektur, zu dem alle Menschen verpflichtet seien. Bis dahin war ich der Meinung, dass man immer nur die anderen kritisieren und korrigieren müsste, damit man einen Erkenntnisfortschritt erreichen könne. Aber diese Eitelkeiten hatten wir über die Schule oder Kirchen mitbekommen oder ganz allgemein im gesellschaftlichen Umgang übernommen. Wir glaubten an die "Wahrheiten" jeglicher Couleur und gaben diese sogenannten Einsichten auch als unumstößliche Wahrheiten weiter, ohne sie zu hinterfragen oder ihren Wahrheitsgehalt zu problematisieren.

Popper gab unserer eigenen Einstellung eine andere Richtung. Er sagte uns: Diese Methode der rechtzeitigen Fehlerkorrektur zu verfolgen, ist nicht nur eine Weisheitsregel, sondern geradezu eine moralische Pflicht: Es ist die Pflicht zur dauernden Selbstkritik, zum dauernden Lernen, zu dauernden kleinen Verbesserungen unserer Einstellungen, unserer Urteile, unserer Theorien. Hier wird das Können zum Sollen: Wir können aus unseren Fehlern lernen; darum ist es unsere Pflicht, aus unseren Fehlern zu lernen. Poppers Grundeinstellung ist auch weiterhin zeitgemäß und er hätte sich auch über Emckes Artikel sehr gefreut. Horst Küstner, Erftstadt

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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