„Demografie-Schock“ vom 9. November:
Umdenken alternativlos
Deutschland rast mit Hochgeschwindigkeit vor die Wand. Die nicht gesehenen Folgen des demografischen Wandels sind ein Spiegelbild von Politik und Wirtschaft. Die Weigerung, sich mit der Realität auseinanderzusetzen, bringt den erarbeiteten und noch vorhandenen Wohlstand in große Gefahr. Die Haltung der Regierung, notwendige Themen nicht anzupacken, lässt eine Anspruchshaltung zu, die unsere Gesellschaft prägt. „Haben wollen“ ohne etwas zu leisten ist eine weitverbreitete Grundhaltung. Fakt ist, es geht so nicht weiter.
Der verbreitete Traum von einer Viertagewoche ist so unrealistisch wie gefährlich. Das Ausmaß der Forderung nach Work-Life-Balance ist so wenig angebracht wie notwendig. Was es jetzt braucht, ist eine Regierung, die mutig voranschreitet, die Schuldenbremse lockert, investiert, und dazu Menschen, die bereit sind zu arbeiten, und zwar womöglich auch deutlich mehr als 40 Stunden pro Woche. Nur über hohe Produktivität und sinkende Preise, gegebenenfalls auch verbunden mit Lohnsenkungen, wird ein Überleben des Wirtschaftsstandorts Deutschland möglich sein. Dazu gehört auch eine Reform des Besitzstandes „Krankfeiern“. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Ländern, wie etwa Schweden, die uns zeigen, wie es gehen könnte. Es bleibt nicht viel Hoffnung. Machen wir aber weiter wie bisher, sind wir bald pleite.
Georg Schnieders, Goslar
<em></em>Keine Vorschläge für Frauen
Im Artikel beschreiben Sie mehrere Wege, wie man die demografisch bedingte und größer werdende Lücke an Arbeitskräften im deutschen Arbeitsmarkt schließen kann. Neben Bildung, Digitalisierung, Robotern und KI geht es um drei Gruppen von Menschen, die man mehr für den Arbeitsmarkt gewinnen müsste: Frauen, Migrantinnen und Migranten sowie Ältere. Hier mein Kritikpunkt: Während sie bei Migranten/-innen und Älteren konkrete Vorschläge machen, wie dies gelingen kann, fällt Ihnen bei Frauen überhaupt nichts ein. Die sollen einfach mehr arbeiten, so wie in Schweden. Als reine Verfügungsmasse für den Arbeitsmarkt.
Dabei wäre es einfach gewesen, analog zu Ihren konkreten Vorschlägen bei den Gruppen Migranten/-innen und Älteren auch für die Frauen Verbesserungsvorschläge zu machen: gleiche Bezahlung, bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, mehr Hilfe durch die Ehemänner. Das ist alles sehr bekannt - und umso mehr fällt auf, dass Sie es nicht erwähnen. Frauen sollen gefälligst mehr arbeiten, ohne Benennung der Gründe, die sie davon abhalten. Leider wieder ein Beispiel von tief sitzender Frauenverachtung. Ich nehme an, Ihnen ist das nicht mal aufgefallen. Wenn Männer wie Sie nicht anfangen, Frauen ernster zu nehmen, dann wird sich auf dem Arbeitsmarkt auch so schnell nichts ändern.
Elena Selmeier, München
Nicht überraschend
Wie die starken Geburtenjahrgänge sich darstellen, weiß man seit Jahrzehnten, und was dies für Auswirkungen hat, kann man mittels Simulation „easy“ darstellen, es wurde bereits viel dazu publiziert. Insofern zu schreiben, es handle sich um einen Schock und der Arbeitsmarkt ist nicht vorbereitet, ist eine absolut falsche Aussage. Vielmehr hätte es heißen müssen: Die Verantwortlichen am Arbeitsmarkt haben seit Jahrzehnten „geschlafen“ und werden nun mal so langsam wach. Unter anderem wurde bereits in der Regierung Merkel eine Rentenkommission eingerichtet. Deren Bericht wurde nach Jahren der Arbeit erst kurz vor Ende der Amtszeit eingefordert. Neues stand nicht drin, und Handlungsoptionen in einer schwächelnden Regierung waren nicht mehr zu erwarten.
Im Artikel wird dargelegt, dass von 2023 bis 2027 zwischen 340 000 und 470 000 Personen den Arbeitsmarkt verlassen. Hier verweise ich darauf, dass wir seit Jahrzehnten weit mehr als zwei Millionen Arbeitslose haben. An diesen Zustand hat man sich gewöhnt, und es ist wirklich zu hinterfragen. Am Ende hätten wir nämlich anstatt zwei Millionen Arbeitslosen nur noch eineinhalb. Mir ist klar, dass dies eine Rechengröße darstellt, aber hier anzusetzen fällt Herrn Brinkmann und auch Politikern, Arbeitsämtern, Sozialeinrichtungen nicht ein.
Der Vergleich mit Schweden ist wie ein Vergleich zwischen „Äpfeln und Birnen“. Das schwedische System ist anders aufgebaut, und die Grundbedingungen sind anders. Deutschland integrierte komplett die ehemalige DDR, ohne dass dies kapitalgedeckt war. Das heißt, alles wird bis heute über überhöhte Renteneinnahmen und jährliche Unterstützung über 100 Milliarden aus dem Bundeshaushalt finanziert. Schweden hat auch nicht so viele Schlupflöcher wie Deutschland. Beamtenpensionen, Architektenkammern und so weiter drücken sich meines Erachtens vor der solidarischen Pflicht.
Hanjörg Weiss, Kirchheim bei München
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