Corona-Politik:Sorgen um die Spaltung der Gesellschaft

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Mehr Debatten ohne Vorverurteilung wünschen sich die einen, regelmäßige Appelle ob der Gefährlichkeit des Virus die anderen. Aus einigen Zuschriften geht hervor: Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie werden existenzbedrohend.

Alarmstufe Rot: Die Veranstalterbranche trifft die Pandemie besonders hart, das Motto ihrer Demonstration trifft aber inzwischen die Zukunftsangst vieler Bürger.
Alarmstufe Rot: Die Veranstalterbranche trifft die Pandemie besonders hart, das Motto ihrer Demonstration trifft aber inzwischen die Zukunftsangst vieler Bürger. (Foto: imago images/serienlicht)

Zu "Die jungen Patienten" vom 11. September, "Das Schweigen" vom 4. September, "Leere Betten, große Angst" vom 1. September sowie zu " Unter Verdacht" vom 18. August und "Ich doch nicht" vom 11. August:

Debattieren ohne Vorurteile

Die Kolumne "Das Schweigen" in Zeiten wie diesen und die darin enthaltene Kritik an den Corona-Maßnahmen zu schreiben, erfordert Mut. Herzlichen Dank dafür und dass es in unserer gefährdenden Demokratie doch noch Medien gibt, die sich darum sorgen. Als 68er bin ich sehr überrascht, wie die Eliten unseres Landes kritiklos auf die von der Exekutive festgesetzten Maßnahmen reagierten. So werden etwa Milliarden Euro der Wirtschaft zur Verfügung gestellt, ohne die Legislative überhaupt zu hören, geschweige eine echte Debatte im Parlament zu führen. Das ist Demokratie der Abkürzungen. Die Parlamentarische Demokratie lebt aber vom Hinterfragen und von Debatten. Bitte schweigen wir nicht weiter und setzen wir wieder den parlamentarischen Diskurs ein und damit auch die Gewaltenteilung. Die Kolumne von Jagoda Marinić ist ein guter Anfang.

Hubert Klemenjak, Mindelheim

Wichtiger Weckruf

Danke für den erneut aufrüttelnden Artikel "Ich doch nicht". Da sich der Alltag von so vielen Menschen in meiner Umgebung bereits nicht mehr um Corona zu drehen scheint, vergisst man schnell, wie präsent und bedrohlich die gesamte Thematik nach wie vor ist. Es bedarf genau dieser erneuten Weckrufe anhand von berührenden Einzelschicksalen, damit man sich die Realität wieder vor Augen ruft. Denn dieses Virus, diese Realität, ist nach wie vor da. Sie ist nur mit dem Laufe der Zeit und einem Gewöhnungseffekt offenbar für viele von uns nach und nach unsichtbarer geworden, als das Virus ohnehin schon ist.

Paul Fischer, Hamburg

Freiwillige Isolierung statt Zwang

Wo bleibt die Solidarität mit den jungen Menschen und den Kindern? Das Virus macht sie wenig bis gar nicht krank. Trotzdem dürfen sie nicht unbeschwert ihre Jugend genießen. Ganze Schulen werden geschlossen bei einem Fall von Corona. Ängste werden geschürt, Masken getragen. Die harten Auflagen für die Gastronomie, Kultur, die Reisebranche lassen die Menschen verzweifeln, die dort tätig sind. Die Menschen verlieren ihre Arbeit, und was sie aufgebaut haben, wird zerstört.

Als die Epidemie anfing, hieß es, dass unser Gesundheitssystem noch nicht bereit sei für die erwarteten Fälle. Inzwischen ist es bereit, aber die Kranken fehlen. Von Anfang an haben wir eine breite wissenschaftliche Diskussion vermisst über Ziel und Wege, die man einschlagen könnte. Aber nein! Wir hören immer wieder die gleichen Experten und Jasager. Wer anders denkt, ist oft ein "Covidiot" oder politisch am Rand.

Bakterielle und virale Infektionen wird es immer geben, und es gab schon viel schlimmere, aber nie hat man die Wirtschaft so beschädigt und die gesunden Menschen so unterdrückt. Wieso dürfen wir nicht selbst entscheiden, was wir machen wollen oder welche Risiken wir eingehen wollen? Wieso müssen wir Abstand halten in Läden und Gaststätten, nicht aber in Bus und Bahn? Warum gibt es nicht Wagen bei der Bahn für Maskenträger und Wagen für Menschen, die das nicht mögen? Warum gibt es nicht Konzerte und Theateraufführungen für Junge ohne Masken und Abstände und solche für Alte, Kranke, die Masken tragen und Abstand halten wollen? Spezielle Öffnungszeiten in den Läden für Senioren, damit sie sich sicher fühlen? Was wir durchmachen, empfinde ich nicht als neue Normalität, sondern als Gesundheitsdiktatur mit schlimmem Wirtschaftsabschwung und unglücklichen Menschen.

Esther Schumacher, Wettenberg

Kritiker in die Expertengremien

"Leere Betten, große Angst": Ersteres ist sehr erfreulich, letzteres muss endlich aufhören. Politik und Medien präsentieren ständig gefährlich ansteigende Infektionszahlen, ohne diese jedoch in den Kontext einzuordnen, was zu einer absurden Fehlbeurteilung der tatsächlichen Lage führt. Anders als noch im März oder April sind die tatsächlichen Fallzahlen der Erkrankten - und nur um die darf es gehen - verschwindend gering und stellen keine Bedrohung für die allgemeine Bevölkerung dar, von einer möglichen Überforderung des Gesundheitssystems kann daher überhaupt keine Rede sein.

Ein positiver PCR-Test sagt nichts darüber aus, ob sich tatsächlich Viren in den Körperzellen des Getesteten befinden, ob dieser erkranken wird, ansteckend ist oder war, wie groß die möglicherweise vorhandene Viruslast ist oder ob es sich lediglich um Bruchstücke der viralen Erbsubstanz handelt, die sich nur deshalb noch nachweisen lassen, weil das Immunsystem des Menschen die Viren längst erfolgreich bekämpft hat. Dennoch herrscht nach wie vor trotz aller Erkenntnisse renommierter Wissenschaftler ein völlig deplatzierter Alarmismus vor, da man sich entschlossen hat, praktisch ausschließlich auf die Expertise der Herren Drosten und Wieler zu vertrauen. Es ist höchste Zeit, endlich ein Expertengremium zu berufen, das auch dezidierte Kritiker der geltenden völlig unverhältnismäßigen Maßnahmen einbezieht.

Detlef Senst, Wunstorf

Unabsehbare soziale Folgen

Beim Rückblick auf die heterogene Zusammensetzung der Gruppe und die hohe Zahl der Demonstranten in Berlin wird erkennbar, in welchem Umfang erhebliche Teile der bundesdeutschen Bevölkerung gegenwärtig von Krisengefühlen und Zukunftsängsten beherrscht sind - und zwar trotz der Zusicherung von Hilfs- und Unterstützungsgeldern seitens der Regierung. Dies ist ein politisch wie sozial außerordentlich beunruhigendes Faktum. Die eigentliche Gefahr liegt darin, dass nicht die medizinisch-therapeutischen Aspekte der Pandemie das zentrale Problem darstellen, sondern die sozialen Gefahren, die mit der Pandemie einhergehen: Geschäftsschließungen, Entlassungen, Lohnkürzungen, Einstellungssperren und als Begleiterscheinung dieser Entwicklung soziale Unruhen und Protestbewegungen. Diese Gefahren sind auf die Gesamtgesellschaft unterschiedlich verteilt. Betroffen sind vor allem Kleinselbständige, abhängig Beschäftigte, Arbeitslose und Berufsanfänger, während andere Gruppen (Beamte, Rentner, Immobilienbesitzer) finanziell gar nicht oder nur in geringem Maße betroffen sind.

Dies alles birgt die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung. Sie kann nicht durch Einzelmaßnahmen abgewendet werden. Die Maßnahmen sind erforderlich, aber sie werden von den Betroffenen nicht als ein auf die Gesamtgesellschaft bezogenes Handeln wahrgenommen. Es braucht - wie bei der Wiedervereinigung - ein einheitliches gesamtgesellschaftliches Instrument: einen demonstrativen "Solidaritätspakt".

Prof. Dr. Frithjof Trapp, Reinbek

Mit dem Virus leben lernen

Egal welche Maßnahmen ergriffen werden und welche Beschränkungen uns auferlegt werden, dieses Virus wird nicht mehr verschwinden. Auch dann nicht, wenn irgendwann ein Impfstoff zur Verfügung steht. Es wird uns nicht möglich sein, das Virus auszulöschen, egal wie gering die Anzahl der aktuell neu Erkrankten auch ist. Wir werden lernen müssen, die Situation zu managen, dabei aber "das Leben" nicht aus den Augen zu verlieren. Und dies bedeutet, dass dafür Sorge getragen werden muss, dass im Gesundheitswesen genügend Kapazitäten verfügbar sind, um die schweren Infektionen behandeln zu können (Vermeidung der "Triage"). Was fehlt, ist eine regelmäßige Berichterstattung darüber, wie viele (Intensiv-) Betten gerade zur Verfügung stehen und wie viele aktuell frei sind. Wie sieht es mit der Kapazität der Beatmungsgeräte aus? Wie viele Patienten werden täglich neu eingewiesen und wie viele entlassen (es geht um den Saldo)? Diese Zahlen wären zur Gesamteinschätzung der Situation hilfreich und wichtiger als die Gesamtzahl bisher Erkrankter.

Alexander Engel, Brüssel/Belgien

© SZ vom 18.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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