Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise in China:Mit fadem Beigeschmack

Alle Wege führen nach Wuhan. Eine SZ-Recherche, die zeigt, wie lange und mit welchen Mitteln lokale wie überregionale Behörden in China die aufziehende Corona-Epidemie vertuschten, hat zu vielen Leserreaktionen geführt.

Zu "Chronik der verlorenen Zeit" vom 4./5. April und zu "Nichts gelernt" vom 1. April:

Peking will Story umschreiben

Wie 2003 hat auch die Pandemie 2020 ihren Ursprung in traditionellen chinesischen Heil- und Essgewohnheiten, welche neben Fledermäusen und Zibetkatzen diesmal aus der illegalen Jagd auf Gürteltiere herrühren. Der Handel findet trotz der allgegenwärtigen staatlichen Kontrolle statt. Der Bericht über die Chronik zeigt eindrücklich auch eine weitere Ursache der Ausbreitung auf, die im autoritären aufs Parteiimage fixierten Behördenapparat begründet ist und sich daher immer wiederholen kann. Die unrühmliche Rolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit ihrem Direktor Ghebreyesus, der mit ausdrücklicher Unterstützung Chinas ins Amt gewählt wurde, wird ebenfalls beleuchtet. Gerade in Zeiten, wo die Corona-Story von führenden Politikern wie Zhao Lijan gerne umgeschrieben werden würde, ist dieser Beitrag von Lea Deuber besonders wertvoll.

Lucian Jauch, Konstanz

Wildtiermärkte endlich schließen

Ergänzend zu der erfreulich klaren Aussage in dem Kommentar "Nichts gelernt" möchte ich ergänzen: Fakt ist, das Virus kam aus einem Wildtiermarkt in Wuhan, China. Anderweitige Erklärungsversuche entsprechen entweder vorsätzlicher Verschleierung oder "wissenschaftlicher" Inkompetenz oder Beeinflussung. Bereits primär wurden durch die offensichtliche rasche Vernichtung des Markts Ursachen verschleiert und eine Erforschung von Entstehungsbedingungen und eventuelle Erkenntnisse zu Therapie und Vorbeugung verhindert. Auch Sars 2002 resultierte aus einem Wildtiermarkt in China, da sollte man eigentlich daraus gelernt haben.

Damalige wie aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse weisen auf einen Übergang von Coronaviren von Fledermäusen auf Säugetiere hin, speziell über speziesübergreifende Kontakte auf Wildtiermärkten, aktuell wohl am ehesten auf vom Aussterben bedrohte Pangoline/Schuppentiere und letztlich auf den Menschen.

Die dringende Empfehlung seit Jahren war, Wildtiermärkte zu schließen (auch sonst in Asien und Afrika), was in China nicht oder allenfalls halbherzig erfolgte. Pangoline zählen als Delikatesse und ihre Schuppen als Bestandteil der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin). National Geographic berichtete im Heft 06/2019 (77-101), dass pharmazeutische Firmen in China offiziell zirka 29 Tonnen (!) Schuppen entsprechend 73 000 Tieren pro Jahr verwerten dürfen, Schuppen, die aus Keratin wie Fingernägel, Haare und auch Nashorn bestehen und überhaupt keine irgendwie nachgewiesene Wirkung haben.

2015 wurden mehr als 4000 gefrorene Pangolin-Körper zusammen mit Schuppen und fast 100 lebenden Pangolinen in einem Schiffscontainer entdeckt, der gefrorenen Fisch enthalten sollte. Interessant dabei ist, dass Pangoline unter Stress vermehrt Pneumonien entwickeln. Illustrierend ist auch ein Vorschlag einer chinesischen Gesundheitskommission, man solle Covid-19 im fortgeschrittenen Stadium mit Injektion von Bärengalle behandeln ... Derartige "Therapien" haben im 21. Jahrhundert nichts verloren.

Wildtiermärkte und solche "vorsintflutlichen" Rahmenbedingungen waren Ausgangspunkt für Sars-Coronaviren, was trotz früherer Erfahrungen nicht verhindert wurde. Sie stellen die Hauptgefahr für die Entstehung anderer, gegebenenfalls noch viel verheerenderer Varianten dar.

Prof. Dr. med. Thomas Gilg, Institut für Rechtsmedizin der LMU, München

Auf Schadenersatz verklagen

Falls die Angaben in dem Artikel "Chronik der verlorenen Zeit" richtig sind und China durch mehr als zwei Monate Untätigkeit und Vertuschen - inklusive der Regierung - aus einer lokalen Epidemie eine weltweite Pandemie verschuldet hat, sollten alle betroffenen 168 Staaten und alle betroffenen Bürger Schadensersatzklagen gegen China erheben.

Dr. Kurt Mattei, Gräfelfing

Neuer Soli und Versicherungen

Das Coronavirus ist nicht der erste gefährliche Krankheitserreger, den wir den Lebensverhältnissen in China verdanken. China verdanken wir auch viele Konsumartikel zu günstigen Preisen. Wir verdanken China viele preiswerte Stationen in nahezu allen Lieferketten. Die Folge ist nicht nur eine große Abhängigkeit, sondern, wie wir gerade erleben, ein Jetstream von Krankmachern, der auf den Handelsströmen mitschwimmt und offenbar jenseits unserer Vorstellungen war. Das verursacht gerade Kosten, die man eigentlich zu den billigen Preisen der chinesischen Produkte hinzu addieren müsste. Möglicherweise sind diese dann gar nicht mehr so günstig, und die heimische Wirtschaft wäre womöglich gut konkurrenzfähig. Die Lieferpause, die jetzt auf uns zukommt, wenn die Containerschiffe mit den chinesischen Waren ausbleiben, entfiele und die Abhängigkeit von einem System mit der Ambition der Weltherrschaft auch.

Es wäre ein böser Scherz, würde der chinesische Virenexport auch noch dazu führen, die gestürzten Aktien unserer Unternehmen billig abgreifen zu können. Wie viele Berichte zeigen, ändern sich die ursächlichen chinesischen Lebensverhältnisse dort nicht wirklich. Das ist eigentlich eine starke Motivation, Produktions- und Einkaufsverhaltensmuster im Welthandel zu überdenken, Warenströme aus China unter Quarantäne zu stellen und die Milliarden, die wir gerade ins Überleben stecken müssen, künftig besser vorbeugend in unsere Wirtschaft zu investieren.

Eine Reichensteuer à la Esken (SPD) stärkt aber meines Erachtens das empfindliche Pflänzchen "Solidarität" nicht, sondern bricht nur alte Klassenkampf-Gräben wieder auf. Den Solidaritätszuschlag für alle neu als Krisenvorsorge zu beleben, aber nicht in den allgemeinen öffentlichen Haushalten versickern lassen, wäre meines Erachtens ein gut nachvollziehbarer Ansatz zur Stabilisierung unserer Gesellschaft auch in Krisenzeiten. Vor allem aber braucht es ein Instrument, um auf die unverändert bestehende Gefahr des Viren-Imports aus China zu reagieren. In Anlehnung an die Hermes-Kreditsicherung könnte man eine Krisenschutzbrief-Versicherung für die Wirtschaft einführen und bei der Berechnung der Prämie die Geschäftsbeziehungen in risikoreichen Regionen wie China einbeziehen. Das liegt in der Natur von Versicherungen und dürfte mit dem EU- und WTO-Recht vereinbar sein.

Dass die Solidargemeinschaft der Steuerzahler quasi selbstverständlich die Risiken insbesondere des China-Handels übernimmt, ist nicht unausweichlich. Diese schräge Art eines Burden sharings verzerrt die Preise, und zwar auf Kosten der Arbeitsplätze. Weil das nicht trivial ist, sollte man gleich an die Arbeit gehen und aufhören, den Rechtsstaat zum Corona-Opfer zu machen. Mit der Androhung harter Strafen für völlig unbestimmte Handlungen ist nämlich ein Grundsatz des Strafrechts aus dem Blick geraten, der bisher alle Krisen überstanden hat: Jedermann muss vorher wissen, welche Handlungen genau mit Strafe bedroht sind.

Georg Schmid-Drechsler, München

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Quelle:
SZ vom 16.04.2020
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