Corona-Krise:Generationenfrage?

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Manche schimpfen auf feiernde Jugendliche, andere bedanken sich für deren Solidarität. Wir sollten Elan und Erfahrung bündeln, um gemeinsam durchzukommen, findet einer.

Zu " Jugend verzichtet" vom 24./25. Oktober und zu " Schluss mit dem Gejammer" vom 20. Oktober:

Verzicht fürs Gemeinwohl

In dem Leitartikel von Charlotte Haunhorst zur Jugend wird im Wesentlichen von einer Prämisse ausgegangen: Nämlich, dass diejenigen (zu denen ich gehöre), die um ein Verzichten aller, nicht nur der Jungen, bitten (was wörtlich als "verständnislose Haltung" bezeichnet wird), dies leicht fordern können, da wir das ja "alles schon erlebt" hätten. Darf ich hier bitte fragen, in welcher Welt die Autorin lebt? Ich kann mich nicht an eine "Ersti-Party" an der Uni während meines Studiums erinnern. Genauso wenig an Partys oder Feiern "drei Mal die Woche". Zu meiner Zeit gab es das eher drei Mal im Jahr, etwa zu einem Geburtstag oder im Sommer am Flaucher. Gereist sind wir, ohne Eltern, mit dem Fahrrad samt Zelt im Gepäck an den Staffelsee. Australien wäre ja unbezahlbar gewesen.

Ist es wirklich zu viel verlangt, Menschen aufzufordern, sich nicht am Gärtnerplatz zu versammeln, den öffentlichen Alkoholkonsum einzuschränken? Die Einschränkungen in schweren Zeiten sind ja nicht gegen Jugendliche gerichtet, sondern für das Allgemeinwohl gedacht. Hielten sich alle daran, könnte die Frage "einer Spaltung der Gesellschaft" leicht beiseitegeschoben werden.

Matti Goldschmidt, München

Ein Dank an die Jugend

Wie im Frühjahr sind es vorwiegend junge Menschen in Schule, Studium, Beruf und Familie, die von den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie besonders hart betroffen sind. Der Artikel "Jugend verzichtet" hat aber noch einen anderen Aspekt beleuchtet: Wie sehr junge Menschen dadurch betroffen sind, dass sie das, was "Jungsein" besonders ausmacht, kaum leben können (etwa "stärkeres Bedürfnis nach intensiver Begegnung und rauschhaften Erlebnissen"). Wie wahr, wir Älteren können dem Verzicht leicht zustimmen, wenn wir alles schon erlebt haben!

Dabei sind Kinder und junge Menschen wenig von einem schweren Covid-19-Verlauf bedroht. Das ist ein Faktum. Ausnahmen gibt es, aber sie bestätigen auch hier nur die Regel. Somit sind tatsächlich ältere und vorerkrankte Menschen diejenigen, die von den Maßnahmen vorrangig profitieren. Wir, die Unterzeichner, sind alle über 65 Jahre alt. Wir möchten uns hier einmal öffentlich bei jüngeren Menschen bedanken, die die Vorschriften vorbildlich einhalten und Einschränkungen in Kauf nehmen, um vor allem die ältere Generation zu schützen!

Dr. Johannes Otto, Maria Weiß, Theisseil; Brigitte Lachmann, Dr. Ehrenfried Lachmann, Maria-Luise Schindler, Otto Schindler, Weiden/Oberpfalz

Verständnis eines Baby-Boomers

Sowohl als Lehrer am Gymnasium und Jugendtrainer als auch als Vater von drei jungen Erwachsenen kann ich nachvollziehen, dass junge Menschen den Eindruck gewinnen können, dass ihre Altersklasse fälschlich die Schuld an dieser Krise (der "zweiten Welle") zugeschoben bekommt.

Wenn ich mich in die Zeit der 70er-/80er-Jahre zurückversetze: eigene Leute treffen, sinnlos abhängen und dabei Musik hören, die die Alten schrecklich fanden - das war unser Einstieg ins Leben, bevor wir irgendwann als Erwachsene funktionierten. Unsere Eltern hielten uns damals öfters für faul und verwöhnt, kamen sie doch geradewegs aus einer Stunde Null getaumelt und dachten, dass uns späten Baby-Boomern die Trauben ins Mundwerk wüchsen.

Nun soll es Jugendlichen verboten sein, neben Schule/Uni/Arbeit neue Leute kennenzulernen, sich auszuprobieren, die Rolle in der Gesellschaft zu finden? Wir sollten der kommenden Generation nicht die heutige Lage anlasten, sondern die Finanzmittel und unsere Erfahrung mit dem Talent und der Kraft der Millennials zusammenspannen, um diese Welt zu einem guten Platz für alle zu machen.

Armin Sperber, Kirchheim

Solidarität in einem reichen Land

Der Artikel "Schluss mit dem Gejammer" spricht mir aus dem Herzen. Geflüchtete versuchen in Lagern unter miserablen Bedingungen zu überleben, während wir Maskenpflicht, Sperrstunde und Feiern mit begrenzter Teilnehmerzahl beklagen. Das darf doch nicht wahr sein! Die Pandemie könnte uns auch bewusst machen, dass wir in einem reichen Land leben und uns mit unseren Mitmenschen solidarisch zeigen sollten.

Lotta Reinert, Münster

Politiker als Gouvernanten

Der Kommentar von Frau Gammelin ist sehr befremdlich. Allein schon der Tonfall, Kritik als Gejammer zu bezeichnen und allen, die Zweifel am drastischen Schreckensszenario und an Einzelmaßnahmen haben, vorzuwerfen, sie würden sich nicht "zusammenreißen", ist voll daneben. Der Ton von gestrengen Gouvernanten, die uns Bürger behandeln wie Kleinkinder (Kanzlerin erklärt Händewaschen, Kritiker werden pauschal als Covidioten bezeichnet, Ministerpräsident droht mit einsamer Weihnacht, Berchtesgadener Landrat "zieht die Daumenschrauben an" etc. ) ist im Umgang mit dem Souverän (dem Volk) unangebracht, finde ich. Wenn man Vergleiche mit den Nöten der Kriegs- und Nachkriegszeit oder den Umwälzungen nach dem Zusammenbruch der DDR zieht, kann man jede aktuelle politische Debatte als "Gejammer auf hohem Niveau" abtun - das ist demagogisch und unseriös.

Nikolaus Haeusgen, München

© SZ vom 17.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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