Corona-Impfung:Wie wählerisch darf man in der Pandemie sein?

Weil Impfstoffe mehrerer Hersteller verfügbar sind, möchten manche Bürger den Impfstoff aussuchen. Das stößt auf Kritik, aber auch auf Verständnis.

Coronavirus - vor dem Impfgipfel

Verimpft wird, was ankommt: Vorbereitung neuer Dosen, hier im Impfzentrum der Messe Berlin.

(Foto: dpa)

Zu "Mehr Astra für Oma" vom 17./18. April:

Egoistische Impf-Gourmets

Vielen Dank für den Beitrag zu "Impf-Gourmets", wählerischen älteren Menschen, die glauben, bei den Impfangeboten handle es sich um ein Frühstücksbuffet - dies hier nehme ich, das da schmeckt mir nicht. Ich selbst - knapp 60 - war sehr froh, als meine behinderte 82-jährige Mutter den "Schuss" bekam, zumal sie oft nicht koordiniert ist und nicht begreift, dass man Abstand halten muss. Ich bin schlichtweg fassungslos angesichts der schamlosen "Impfdrängler" und der von Vera Schroeder erwähnten "Covid-Feinschmecker".

Hinzu kommt, dass plötzlich eine wahre Armee an Gutmenschen am Horizont aufgetaucht ist, die irgendeinen Angehörigen zweiten Grades pflegen oder die, in der einen oder anderen Form, im Schuldienst oder - natürlich ehrenamtlich - in einer Gemeinschaftseinrichtung tätig sind, während zum Beispiel die schwer herzkranke Freundin meiner Tochter - inzwischen ein Jahr lang in ihrem Apartment verschanzt und randvoll mit Antidepressiva - noch immer auf das erlösende Vakzin wartet. Und ich gebe zu, trotz sehr allmählich zunehmendem Impf-Schneckentempo, habe ich, ethisch fraglich bis verwerflich, zeitweise kurz damit gehadert, dass man die über 80-Jährigen zuerst impft. Am Ende sind nur noch wir Alten übrig, die ihre Jahre einsam fristen und niemandem mehr erzählen können von der dunklen Corona-Zeit, weil neben blasierten Narzissten und Egoisten kaum noch Junge da sind.

Ich schließe mich also mit allem Nachdruck dem Aufruf an, dem für uns Deutsche so typischen verbissenen Individualismus-Gehabe und der Selbstbesessenheit etwas mehr Gemeinschaftssinn voranzustellen, auch und gerade in diesen schwierigen Zeiten.

Ute Finzel, Burghausen

Ganz hinten in die Schlange

Frau Schroeder hat es auf den Punkt gebracht: Anstatt froh und vor allem dankbar zu sein, dass sich die Jüngeren uns Älteren (ich selbst bin 67) zuliebe seit über einem Jahr einschränken, schnappen wir ihnen den Impfstoff weg! Ich persönlich hätte auch eine Impfreihe verstanden, wie beispielsweise in Indonesien, die bei den 18- bis 59-Jährigen beginnt. Immerhin halten diese Menschen unser Land am Laufen! Wer als über 60-Jähriger ein Impfangebot mit Astra Zeneca ausschlägt, der sollte meines Erachtens gaaaaanz ans Ende gesetzt werden: Wenn alle Impfwilligen unter 60 Jahren dann geimpft sind und noch Impfstoff übrig ist!

Edith Brünker, München

Wehren gegen Entmündigung

Ich fühle mich von dem Artikel persönlich diffamiert. Ich bin 63 Jahre alt, allerdings keine Oma. Ich treibe sehr regelmäßig Sport und habe keine gesundheitlichen Probleme. Dennoch, oder auch deswegen, habe ich gleich mehrere, in meinen Augen triftige Gründe, mich nicht mit Astra Zeneca impfen zu lassen. Auch betrachte ich mich trotz meines fortgeschrittenen Alters absolut nicht als zu dem Personenkreis gehörig, der von den Corona-Maßnahmen besonders profitiert. Ich bin freiberufliche Musikerin, kann seit einem Jahr nicht arbeiten und verliere gerade meine letzten Berufsjahre, in denen ich noch für mich wichtige Projekte realisieren wollte.

Im Übrigen zeigt sich für mich in dem Artikel eine Haltung, die meiner Beobachtung nach in der Krise immer mehr um sich greift und die ich allmählich sehr bedenklich finde: Es wird Bürgern nicht mehr zugetraut, schlimmer, nicht mehr zugestanden, eine persönliche Risikoeinschätzung zu treffen. Gegen diese Entmündigung möchte ich mich entschieden verwahren, ich halte sie für demokratiegefährdend.

Dorothea Becker, Düsseldorf

Das ist Altersdiskriminierung

Wie kommt Frau Schroeder dazu, " ...manchen Menschen über 60, die bisher am stärksten vom Virus betroffen waren..." zu unterstellen, dass sie möglicherweise wenig Kapazitäten gehabt hätten, über die Jüngeren nachzudenken? Glaubt sie, dass über 60-Jährige nicht dazu in der Lage sind nachzudenken? Danach schreibt sie von einer wählerischen Generation, die das Impftempo verlangsamt. Als Ü-60-Jährige müssen wir uns Frau Schroeder gegenüber nicht verteidigen. Die EU und die Bundesregierung haben das Impfchaos und das langsame Impfen zu verantworten und nicht die ältere Generation. Die Ausführungen Frau Schroeders sind altersdiskriminierend!

Sulamith Leist, München

Bei jeder Impfung gewinnen alle

Erst jetzt laufen die Ü-60-Impfungen an bei einigen Menschen, die ich kenne. Ich bin sehr dankbar darüber (auch wenn ich selbst noch nicht an der Reihe bin), weil ich miterlebt habe, wie lange unsere alten Mütter mit fast 80 oder über 90 Jahren auf den Tag warten mussten, der ihnen etwas Erleichterung in der Pandemie bringt. Nachdem die Empfehlung für Astra Zeneca aber auf Ü 60 eingeschränkt wurde, hat mich in dem Kontext irritiert, dass alle mir bekannten Ü-60-Geimpften mit Biontech geimpft wurden. Nach meinem Verständnis sollte dieser Impfstoff für die Gruppe der unter 60-Jährigen reserviert werden, da in dieser Altersgruppe meines Wissens nahezu alle Fälle der gefährlichen Sinusvenen-Thrombose aufgetreten sind.

Nicht nur wir in den mittleren Jahren hängen in der Warteschleife, besonders die Generation unserer Kinder um die 20 hat sich schon ein Jahr lang in bewundernswerter Weise durch virtuelle Studiensemester oder Schuljahre gequält. Wenn ich die frisch geimpften Älteren darauf anspreche, warum sie nicht mit Astra Zeneca geimpft wurden, bekomme ich zur Antwort, dass das eben der ihnen angebotene Impfstoff und ihnen Biontech sowieso "irgendwie lieber" war. Ich bin wahrlich kein Impfneider, ich kann noch weiter in meinem jetzt 13 Monate währenden Home-Office ausharren und finde, dass jeder Geimpfte ein Gewinn für uns alle ist.

Ich finde selbstverständlich auch, dass Biontech-Impfstoff an Ältere vergeben werden sollte, wenn es dafür medizinische Gründe gibt. Aber warum der Impfstoff nicht grundsätzlich nach Risikoempfehlung, sondern nach Belieben verimpft wird, kann ich nicht verstehen. Diese Impf-"Strategie" wäre nur in gewisser Weise konsistent, wenn man die Absicht hätte, den Astra-Zeneca-Impfstoff (überhaupt Vektor-Impfstoffe) gar nicht mehr zu einzusetzen. Das ist aber erklärtermaßen nicht der Fall. Dass die Generation unserer Kinder, die bis jetzt viel geopfert hat und noch lange auf ein Impfangebot wird warten müssen, dann vielleicht mit einem Impfstoff vorliebnehmen muss, der für sie ein vielfach höheres Risiko einer schweren Nebenwirkung als bei jetzt geimpften Ü 60 oder Ü 80/90 hat, kann ich nicht akzeptieren.

Bärbel Konermann-Krüger, Bornheim

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