Nachhaltigkeit:Der Umwelt zuliebe

The spread of the coronavirus disease (COVID-19) continues during an extended lockdown in Frankfurt

Durch die Corona-Krise steigt das Umweltbewusstsein. Auch Banken entdecken ihre Liebe zur nachhaltigen Geldanlage.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Neue EU-Verordnungen sollen die Finanzbranche grüner machen. Doch eine Frage ist noch ungeklärt: Was ist Nachhaltigkeit eigentlich?

Von Katharina Wetzel

Möchten Sie Ihr Geld nachhaltig anlegen? Wie ökologisch arbeitet Ihr Unternehmen? Das sind Fragen, die Verbraucher und Firmenkunden bisher eher selten ihrem Bankberater beantworten mussten. Doch künftig wird bei der Finanzberatung mehr Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. Viele Banken entdecken derzeit ihre Liebe zur ökologischen, sozialen und ethisch korrekten Geldanlage. Neue EU-Verordnungen sollen die Finanzbranche grüner machen.

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, machte kürzlich auf einem Onlineforum des Instituts for Law and Finance (ILF) deutlich, dass auch Zentralbanken den Klimawandel nicht länger ignorieren könnten. Im vergangenen Jahr stiegen die durch Naturkatastrophen entstandenen Schäden auf 210 Milliarden Dollar, referierte Lagarde. Die sozialen und umweltbelastenden Risiken, die externen Kosten also, müssten besser eingepreist werden, forderte sie. Firmen sollten künftig mehr klimarelevante Daten nach einheitlichen Standards offenlegen. Zudem brauche es mehr Investitionen für eine klimafreundlichere Wirtschaft. Hier komme der Finanzbranche eine Schlüsselrolle zu. "Der Klimawandel ist für die Menschheit eine der größten Herausforderungen des Jahrhunderts", sagte Lagarde.

Die EU will bis 2030 die Pariser Klimaschutzziele erreichen, also 40 Prozent weniger Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 ausstoßen und bis 2050 klimaneutral sein. Im Zuge des Aktionsplans "Grüner Deal" nimmt die EU auch die Finanzbranche in die Pflicht. Der politische Druck ist groß. Banken sollen künftig kein Greenwashing mehr betreiben, also nicht vortäuschen können, dass sie nachhaltig sind. Finanzaufsichtsbehörden wie die EZB oder die Bafin haben schon Merkblätter als Orientierungshilfe für die Finanzbranche herausgegeben. Noch sind viele Vorschriften in der Testphase, doch schon jetzt wird erwartet, dass Banken sich intensiv mit Nachhaltigkeitsrisiken auseinandersetzen und dies dokumentieren.

Doch wie misst man Nachhaltigkeit? Was ist ein substanzieller Beitrag zum Klimaschutz? Final geklärt ist das noch nicht. Die sogenannte EU-Taxonomie, ein Klassifikationssystem, enthält bereits Kriterien für zwei Klimaziele, um ökologische Wirtschaftstätigkeiten einzuordnen. Von 2022 an gilt die Verordnung. Kriterien für vier weitere Umweltziele sollen ein Jahr später hinzukommen. Um Details wird aber noch gerungen. "Im sozialen Bereich muss die Taxonomie-Verordnung noch nachgeschärft werden", meint Angela McClellan vom Forum für Nachhaltige Geldanlagen e.V..

Grünes Banking ist auf einmal sehr begehrt

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing machte bereits auf der ILF-Konferenz "Green Banking and Green Central Banking: What are the right concepts?" deutlich, dass die Bank ihren Kunden bei der anstehenden Transformation als Partner zu Seite stehe. ESG-Risiken müssten integraler Bestandteil von Ratings sein. ESG steht dabei für Environment, Social and Governance, also Umwelt, Soziales und verantwortungsbewusste Unternehmensführung. Zudem kündigte Sewing an, dass die Bank bis Ende 2025 rund 200 Milliarden Euro in grüne Finanzierungen investieren werde. Anfang Februar rief Sewing auf der Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bank den Bereich Nachhaltigkeit sogar als eines der Wachstumsfelder der Bank aus. Die Deutsche Bank, oft Zielobjekt von Klimaaktivisten, bekennt sich als grün. Vor kurzem noch wäre so eine Nachricht undenkbar gewesen.

Tatsächlich ist grünes Banking auf einmal sehr begehrt. Denn durch die EU-Politik entsteht in Windeseile ein neuer lukrativer Markt, den Banken gerne abgreifen möchten. Wer sich hier rechtzeitig positioniert, hat Wettbewerbsvorteile, sagt Sebastian Rink, Wissenschaftler der Frankfurt School of Finance & Management. "Ausländische Banken sind in Sachen Nachhaltigkeit schon weiter. Die Deutsche Bank und die Commerzbank versuchen jetzt aufzuholen, die niederländische ING Bank, die französische BNP Paribas oder die britische HSBC haben hier ein bis zwei Jahre Vorsprung", sagt Rink, der zusammen mit anderen Wissenschaftlern der Frankfurt School untersucht hat, wie fit europäische Banken für die Pariser Klimaziele sind.

Jeder zehnte Euro wird nachhaltig angelegt

Ob grüne Fonds oder ESG-ETF (Exchange Traded Funds) - in den vergangenen Jahren ist der Markt nachhaltig deklarierter Produkte extrem gewachsen. Die weltweite Emission grüner Anleihen erreichte 2020 ein Volumen von 269,5 Milliarden Dollar, wie der Londoner Verband Climate Bonds Initiative (CBI) ermittelte. Durch die Corona-Krise verstärkt sich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit noch, wie eine repräsentative Studie von Puls Marktforschung im Auftrag der Quirin Privatbank ergab. Demnach sind 47 Prozent der Befragten bereit, für Nachhaltigkeit mehr zu bezahlen. Jeder zehnte Euro wird bereits nachhaltig angelegt, bis 2025 soll es jeder vierte sein.

Bewegung kommt in den Markt auch durch die Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten, der als eine seiner ersten Amtshandlungen den erneuten Beitritt der USA zum Pariser Klimaabkommen veranlasste. Die US-Notenbank Fed erklärte ihren Beitritt zum "Network of Greening the Financial System" (NGFS). Dieses Netzwerk von 75 Zentralbanken und Regulierungsbehörden erkennt den Klimawandel formell als systemisches Finanzrisiko an. Seit November 2020 hat die Fed zudem den Klimawandel als finanzielles Stabilitätsrisiko in ihren halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht aufgenommen.

"US-Banken werden in kurzer Zeit versuchen, den Vorsprung der Europäer aufzuholen", schätzt Rink. Europäische Banken dürften sich also nicht lange in ihrer Vorreiterrolle ausruhen können. Rink plädiert dafür, noch offene Fragen bei der Regulierung wissenschaftsbasiert zu lösen. Offen ist beispielsweise, ob Banken für braune, nicht nachhaltige Aktivitäten mehr Eigenkapital vorhalten müssen. Finanzierungen brauner Aktivitäten sollten verteuert werden. Grundlage dafür könnten Kriterien einer braunen Taxonomie sein, meint Rink. Grüne Finanzierungen sollten durch Förderprogramme der KfW oder der Europäischen Investitionsbank stärker bezuschusst werden. "Hier braucht es mehr Anreize, zum Beispiel um in Renovierungen zu investieren."

Für Unternehmen, die nachhaltige Leistungskennzahlen berichten, springen heute schon bessere Finanzierungskonditionen heraus: "Wenn gewisse Indikatoren erfüllt sind, können Unternehmen günstigere Finanzierungen erhalten", erklärt Rink. Entscheidend sind dabei ökologische und soziale Faktoren, aber auch Aspekte der verantwortungsvollen Unternehmensführung und Kriterien wie der Frauenanteil im Vorstand

Banken fehlt es an Daten

Bisher dokumentieren erst wenige Unternehmen solche Kriterien, was Banken Probleme bereitet. "Die Datenlage ist noch sehr unzureichend", sagt McClellan. Zur Beurteilung von ESG-Risiken greifen Banken mitunter auf Schätzungen zurück. Auch sind viele Mitarbeiter noch nicht entsprechend ausgebildet. Ende Februar wird der Sustainable-Finance-Beirat seine Empfehlungen der Bundesregierung vorlegen, die im April ihre Nachhaltigkeits-Strategie veröffentlichen will. Unter anderem rät das Gremium zu mehr Weiterbildung: "Es ist notwendig, dass auch Vorstände und Aufsichtsräte über Nachhaltigkeitskompetenzen verfügen", sagt McClellan, die Mitglied in dem Fachgremium ist.

Der Abend in Frankfurt am Main

Künftig sind Banken bei der Anlageberatung verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abzufragen.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Ob im Risikomanagement, dem Portfolio-Management, im Bereich der Vergütungssysteme oder der IT- der Nachholbedarf für Banken ist groß. In allen Bereichen müssen Nachhaltigkeitsziele definiert und eingeführt werden. Banken stellen dafür bereits neue Mitarbeiter ein oder richten ESG-Strategie-Teams ein. Ab dem 10. März 2021 müssen Banken und Vermögensverwalter die Nachhaltigkeit ihrer Anlagen offenlegen. Aufgrund einer neuen Richtlinie sind sie ab 2022 bei der Anlageberatung auch zu einer Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden verpflichtet. "Verbraucher haben die Macht, Dinge zu beeinflussen", sagt McClellan. Sie können selbst entscheiden, was sie finanzieren oder nicht.

Auf Banken komme eine wichtige Rolle zu im Kampf gegen den Klimawandel. Davon ist Rink überzeugt: "Die mehr als 200 000 Kundenberater der Banken können einen sehr starken Dialog bewirken." Neben einer klugen Regulierung wird es dabei auch auf informierte Verbraucher und Unternehmen ankommen.

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