Büroimmobilien:Kurz vor Büroschluss

Kirche mittendrin

Neue Büros? Lieber nicht. Viele Unternehmen haben 2020 ihre Umzugspläne begraben.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Nachfrage nach Arbeitsräumen ist im vergangenen Jahr eingebrochen, die Leerstände steigen. Trotzdem zahlen viele Firmen noch hohe Mieten.

Von Andreas Remien

Das Homeoffice ist für viele zum neuen Arbeitsalltag geworden, gleichzeitig brechen in Teilen der Wirtschaft die Umsätze ein, Selbständige bangen um ihre Existenz. Nicht gerade gute Zeiten, um Bürogebäude zu vermieten. Das zeigt sich auch in den aktuellen Berichten der Makler: Die gewerblichen Immobilienmärkte, die bis zur Corona-Krise von Jahr zu Jahr zu neuen Rekordwerten eilten, wurden von der Pandemie jäh ausgebremst. Büroflächen, vor Kurzem noch heiß begehrt, sind plötzlich nicht mehr sonderlich gefragt. Die Branche fragt sich, wie lange das so bleibt.

"Der deutsche Bürovermietungsmarkt leidet aktuell unter pandemiebedingter Unsicherheit der Unternehmen", sagt Stephan Bräuning, Leiter für Bürovermietungen bei der Immobilienberatung Colliers International Deutschland. In einer Krise, deren Verlauf derzeit nicht vorhersehbar ist, haben Firmen andere Prioritäten als einen Umzug. "Waren zu Beginn des Jahres 2020 vor allem das verarbeitende Gewerbe und exportorientierte Branchen von der sich eintrübenden internationalen Konjunktur betroffen, sind nun durch die Covid-19-Pandemie viele Sektoren und Branchen negativ getroffen", sagt Bräuning.

Ob Trend zum Homeoffice oder die unklaren Aussichten: Viele Unternehmen, die ursprünglich mehr oder neue Büroräume anmieten wollten, haben ihre Expansionspläne erst einmal zurückgestellt oder sogar ganz begraben. Nach Angaben von Colliers International wurden in den sieben größten Büromärkten Deutschlands im vergangenen Jahr etwa 35 Prozent weniger Büros neu vermietet oder von Eigennutzern bezogen, insgesamt etwa 2,5 Millionen Quadratmeter. Der Einbruch ist zwar heftig, aber nicht so dramatisch, wie ihn manche Experten im März prognostiziert hatten. "Die von einigen erwartete Leerstandswelle ist ausgeblieben", sagt Bräuning. Laut Colliers liegt die Leerstandsrate in den deutschen Metropolen bei etwa 3,5 Prozent. Ende 2019 standen knapp 2,9 Prozent der Büros leer.

In Stuttgart ist der Flächenumsatz um mehr als die Hälfte gesunken

"Ohne Zweifel sind wir an einem Zykluswendepunkt angekommen. Wie stark dieser ausfallen wird, ist allerdings noch nicht ausgemacht", sagt Konstantin Kortmann, Vermietungschef bei der Immobilienberatung JLL Germany. Unterschiede gibt es auch zwischen den Städten. In München waren laut JLL die Rückgänge mit minus 25 Prozent zum Beispiel etwas moderater als in Stuttgart, wo der Flächenumsatz um mehr als die Hälfte eingebrochen ist. In Berlin, wo mit 745 000 Quadratmetern die meisten Flächen vermietet wurden, liegt das Ergebnis etwa ein Viertel unter dem Vorjahreswert.

Auf die Mieten hat sich die Krise dagegen noch nicht deutlich ausgewirkt. In den meisten Metropolen mussten Unternehmen, die einen neuen Vertrag unterzeichnet haben, im Durchschnitt sogar mehr bezahlen als 2019. "Für qualitativ hochwertige Flächen in sehr guten Lagen sind Nutzer nach wie vor bereit, hohe Preise zu bezahlen. Das zeigt, dass Unternehmen dem Büro weiterhin eine wichtige Rolle einräumen", sagt Colliers-Experte Bräuning.

Während die meisten Maklerbüros damit rechnen, dass die Nachfrage nach Büros Mitte des Jahres wieder deutlich anziehen wird, sind andere Marktbeobachter deutlich skeptischer. Weil in den Städten viele neue Bürohäuser gebaut werden, gehen manche Experten von deutlich steigenden Leerstandsraten aus. Das Verbändebündnis "Soziales Wohnen" fordert daher, in Zukunft wieder mehr leer stehende Gewerbeimmobilien in Wohnungen umzuwandeln.

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