Wenn Marc-Henric Asbeck von seinem neuesten Bauprojekt spricht, vergleicht er es gerne mit einem Auto. "Stellen Sie sich vor, ein Modell hat einen Airbag und das andere nicht. Wo steigen Sie ein?" Natürlich ist es eine rhetorische Frage, denn Asbeck möchte, dass möglichst viele Menschen sein Objekt betreten - kein Fahrzeug, sondern ein Bürogebäude, das aktuellen und künftigen Pandemien standhalten soll. "The world's first virus-prevented high end offices", heißt es auf den Transparenten, die am Baugerüst angebracht sind. Das erste auf Influenza technisch vorgerüstete Bürohaus.
Das neunstöckige Bürogebäude, genannt "Greengate", wird derzeit im ehemaligen Bonner Regierungsviertel hochgezogen. Der Rhein ist nicht weit; direkt gegenüber ragt der "DHL Tower" empor, der Hauptsitz der Deutschen Post. Doch eine attraktive Lage allein werde in Zukunft niemanden mehr aus dem Home-Office locken, befürchtet Asbeck, der im Bonner Bundesviertel mehrere Immobilien besitzt. "Selbst Beamte wollen heute nicht mehr in ein klassisches Büro", sagt der 52-Jährige. Start-ups hätten diesen Trend schon lange erkannt und ihre Arbeitsstätten zu bequemen Lebenswelten umgebaut. Doch was bringe das schon, wenn die bequeme Sofa-Landschaft zur Virenfalle verkommt?
Asbeck ist ein Geschäftsmann, der Chancen wittert, wenn sie sich ihm bieten. Im Bosnienkrieg vermietete er gepanzerte Fahrzeuge an Journalisten; später gehörten die Vereinten Nationen zu seinen Auftraggebern. Seit einigen Jahren nun mischt er im Bonner Immobiliengeschäft kräftig mit. 2008 wollte er das sanierungsbedürftige historische Rathaus kaufen und an die Stadt verpachten, was in der Lokalpolitik auf wenig Gegenliebe stieß. Seine neueste Idee: ein Arbeitsplatz, der genauso sicher ist wie der heimische Schreibtisch, Pandemie hin oder her.
Ein- und Ausgänge lassen sich kontaktlos öffnen. Aber was ist, wenn der Strom ausfällt?
Im Greengate sollen infizierte Personen schon am Eingang erkannt werden: Thermalkameras überprüfen, ob jemand Fieber hat, und lassen nur die Gesunden passieren. Türklinken sind mit einer antibakteriellen Schicht überzogen. Ein- und Ausgänge lassen sich kontaktlos öffnen und schließen - selbst die Toiletten. Die Waschbecken und Seifenspender funktionieren ebenfalls automatisch, wie in einer Autobahn-Raststätte. Das eigentliche Herzstück des Gebäudes stellt aber eine spezielle Lüftungsanlage dar. Der Klimaanlage wird ein System vorgeschaltet, das die Luft ionisieren und dadurch virenfrei machen soll.
Der Hersteller der Anlage, ein Raumluft-Unternehmen aus dem Rheinland, verspricht einen über 98-prozentigen Abbau von Bakterien, Viren, Keimen und Gerüchen durch das Verfahren. Er beschreibt, wo es sich in der Praxis bereits bewährt habe , zum Beispiel beim Einsatz in OP-Sälen. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, stand in den Krankenhäusern jedoch die Beseitigung von Gerüchen im Vordergrund. Inwieweit sich das System auch für Großraumbüros eignet, in denen hochansteckende Personen verkehren, muss sich erst noch zeigen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft teilt mit, das genaue Verfahren nicht zu kennen. Eine Beurteilung, wie gut es wirkt, sei daher nicht möglich.
Sollte die Filteranlage tatsächlich an ihre Grenzen stoßen, greift im Greengate ein weiterer Schutzmechanismus: Es gibt ein Krankenzimmer mit separater Luftversorgung. Dort sollen Infizierte im Ernstfall isoliert werden können. Traut Investor Asbeck also seinem eigenen System nicht? "Das ist ein Backup", entgegnet der Geschäftsmann. In einem Auto gebe es schließlich auch mehrere Airbags. Nicht alles sei bei dem komplizierten Vorhaben immer reibungslos verlaufen, räumt Asbeck ein, darunter scheinbar banale Dinge wie die kontaktlosen Toilettentüren. "Was machen wir, wenn der Strom ausfällt? Wie gehen die dann auf?" Am Ende hätten sich solche Detailprobleme aber alle lösen lassen.
Die umfassende Ausstattung schlägt sich in den Baukosten nieder. Laut Asbeck belaufen sie sich auf 100 Millionen Euro, was jedoch auch an der guten Lage und einem schwierigen Untergrund liege. Die virensichere Technik mache am Ende wahrscheinlich zwischen acht und zehn Prozent des Baupreises aus, schätzt Asbeck. Der künftige Quadratmeterpreis von 30 Euro netto schrecke potenzielle Mieter aber nicht ab. "Wenn wegen einer Influenza-Welle unzählige Mitarbeiter ausfallen, kommt das den Arbeitgebern deutlich teurer", sagt Asbeck. Die Konzerne seien sich dieser Tatsache sehr wohl bewusst.
Das Konzept war ursprünglich wegen der Grippe entwickelt worden, dann kam Corona
Das Greengate soll im Oktober 2022 eröffnen. Laut Asbeck sind bereits 40 Prozent der Fläche an einen Ankermieter vergeben. Spielte für diesen nur die gute Lage eine Rolle oder auch die Sicherheitstechnik? Es wäre interessant gewesen, dies aus erster Hand zu erfahren. Doch das Bonner Markt- und Sozialforschungsinstitut, das Asbeck als Mieter nennt, möchte nicht einmal bestätigen (aber auch nicht verneinen), dass es überhaupt ins Greengate einzieht. Warum, bleibt trotz mehrerer Nachfragen offen. Ebenso die Frage, wie gut die Schutzmaßnahmen im Büroalltag am Ende angenommen werden: Geht jemand, der hustet, direkt ins Krankenzimmer? Bleiben Angestellte, die eine erhöhte Temperatur haben, wirklich vor dem Haupteingang stehen? Oder schlüpfen sie mit ihren Kollegen trotzdem durch die Tür? Und was ist mit denen, die durchgeschwitzt angekommen, weil sie mit dem Rad zur Arbeit fahren? Noch fehlen dazu die Erfahrungswerte.
Sicher ist, dass das "Greengate" nicht das einzige virensichere Hochhaus bleiben soll. "Alle Folgegebäude, die wir bauen, werden mit dieser Technik ausgestattet sein", sagt Marc Asbeck. Zudem will er bestehende Objekte mit einem "Virus-Carepaket" nachrüsten. Die Idee zu diesem aufwendigen Infektionsschutz kam Asbeck übrigens nicht erst während der Pandemie. Das Konzept war ursprünglich auf die Grippe gemünzt, was laut Asbeck aber auch in Zukunft wieder wichtig werden wird. "Corona ist irgendwann vorbei", sagt er, "aber die Grippe wird es auch in 50 Jahren noch geben."