Brexit:Von Schuld und Respekt

So genervt viele auch sind von den ständigen Abstimmungen im britischen Parlament: Theresa May die Schuld für die vertrackte Situation zu geben, sehen einige SZ-Leser nicht ein, und sie erinnern kundig an geschichtliche Zusammenhänge.

"Großbritannien will Brexit verschieben" vom 15. März, "Lady gaga" vom 14. März und "Zurück auf Januar" vom 11. März:

Drei Entscheidungen hat das Britische Parlament getroffen: Erstens, die Ablehnung des EU-Austritts mit dem ausgehandelten Vertrag. Zweitens, die Ablehnung des EU-Austritts ohne Vertrag. Drittens, die Bitte um Verschiebung des Austrittstermins. Die EU sollte diesem Wunsch nachkommen - auf unbefristete Zeit. Die Briten sollen sich jetzt erst einmal auf die Europawahl konzentrieren. Voraussichtlich wird eine neue starke pro-europäische Partei in das EU-Parlament einziehen. Ansonsten können wir gelassen abwarten, was von den Briten kommt - wenn etwas kommt.

Volker Seibt, Markt Schwaben

Theresa May hat vieles falsch gemacht, aber die Schuld an dem Brexitdebakel darf man ihr heute nicht geben. Schuld ist die Tory-Regierung, die vor genau 100 Jahren Irland gegen den Willen der Bevölkerung geteilt hat. Das führte zu Unterdrückung, Terrorismus etc., bis das Good-Friday-Agreement einen Waffenstillstand und eine offene Grenze brachte. Die offene Grenze macht es unmöglich, Großbritannien ein eigenes Zollgebiet zu geben. Daher lässt sich keine befriedigende vertragliche Lösung finden.

Dr. Imme Mallin, München

Ich glaube, dass nicht Theresa May "gaga" ist, sondern die Brexit-Situation auf Seiten des Vereinigten Königreichs. Auch der genialste britische Politiker wird keine Lösung dazu finden, die Grenzverhältnisse zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem nordirischen Anhängsel des Königreichs nach einem Brexit so zu gestalten, dass der ursprüngliche Zustand von 1972 wieder hergestellt ist, jedoch ohne Auswirkungen durch eine dort ebenso entstandene EU-Außengrenze. Ohne diesen topografisch eigenartigen Zuschnitt des Vereinigten Königreichs wäre der Brexit weit weniger problematisch. Die Backstop-Regelung, die Theresa May mit der EU ausgehandelt hat, ist vorerst der einzig gangbare Weg, eine zu befürchtende "Jugoslawisierung" der EU Grenze mit Nordirland zumindest für die Zeit von Nachverhandlungen zu unterdrücken.

Dr. Lando Lotter, Würzburg

Jetzt, nachdem zwischen EU und Großbritannien alle Karten zum einseitig angestrebten Brexit ausgereizt sind, geht es vorrangig nur noch um Psychologie. Was kann das kontinentale Europa den Briten als Letztes noch anbieten zum bevorstehend geschichtsträchtigen 29. März? Unter beiderseitiger Gesichtswahrung? Denkbar wäre, eine wichtige Institution auf der britischen Insel zu etablieren - analog zu EU-Parlament und Kommission. Man könnte etwa die neue Kommandozentrale zur angestrebt gemeinsamen Verteidigung in London etablieren. Die britischen Geheimdienste zählen ohnehin zu den weltweit besten.

Jochen Freihold, Berlin

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