Boris Palmer:Frech, polarisierend oder untragbar?

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Am Grünen-Oberbürgermeister Tübingens scheiden sich schon länger die Geister. Nachdem er jüngst einen Beitrag im Netz kommentierte, der einen rassistischen Begriff nutzte, äußerten sich einige Leser.

Zu "Jetzt reicht es den Grünen" vom 10. Mai:

Was ist aus den frechen und freien Grünen geworden? Etwa ein eingeschüchterter Verein tugendsamer Seminaristen? Wenn man schon ein freches, vielleicht auch unverschämtes Wort eines Bürgermeisters gleich zum moralischen Weltuntergang macht. Erinnert sich die Partei noch an ihren Vorzeigepolitiker Joschka Fischer? Als er den Bundestagspräsidenten Gerstenmaier respektlos provozierte: "Mit Verlaub, Herr Bundestagspräsident: Sie sind ein Arschloch!" Und keiner schmiss Fischer aus dem Bundestag, geschweige denn aus seiner Partei.

Mutieren die Grünen zu einem Mädchenpensionat alter Prägung mit einer naserümpfenden Pensionatsleiterin? Die freie Rede, ja freche Worte gleich abstrafte? Wo bleiben die Freiheit und der Mut auch zu unbequemen Aussprachen, wenn die Partei beim ersten falschen Wort gleich die Hosen voll hat? Also lieber brav bürgerlich als mutig?

Hans-Jürgen Lieber, Essen

Was der SPD ihr Thilo Sarrazin ist, ist den Bündnisgrünen ihr Boris Palmer. Ja, es ist zu befürchten, dass er nach der für ihn zu Ende gehenden Zeit bei den Grünen zu den intoleranten Hetzern gehören wird, die mit rassistischen Vorurteilen Stimmung machen gegen People of Color und andere Minderheiten. Genau wie Sarrazin die Prinzipien der Sozialdemokratie mit Füßen getreten hat, treibt es Boris Palmer mit den Grundwerten der Bündnisgrünen.

Natürlich wird Boris Palmer hetzen wie etwa Sahra Wagenknecht bei den Linken gegen die sogenannten Lifestyle-Linken und versuchen, ein bestimmtes Wählerreservoir der Grünen auf seine Seite zu ziehen, was ihm aber nichts mehr nützen wird, weil er von den Grünen nicht nur nicht mehr aufgestellt werden, sondern aus der Partei geworfen werden dürfte.

Boris Palmers Äußerungen sind eine Zumutung für das Werte-Empfinden von aufrechten Demokratinnen und Demokraten, und sein Ausschluss aus den Grünen ist meines Erachtens längst überfällig.

Manfred Kirsch, Neuwied

Die Diskussion um das Parteiausschluss-Verfahren gegen Boris Palmer ist mir unerklärlich. Endlich mal kein Jasager und Wendehals. Von denen haben wir ja zur Genüge in unserer Politiklandschaft. Aber solche Menschen mit Charakter, die eben sagen, was Sie denken, sind leider für manche eben unbequem. Gerade seine ehrlichen Aussagen zu einer teilweise gescheiterten Asylpolitik werden häufig nicht oder falsch verstanden. Mit einem Parteiausschluss lassen die Grünen meines Erachtens Zweifel an ihrem Demokratieverständnis aufkommen.

Stefan Herb, Roding

Ich bin zutiefst entsetzt darüber, dass die Gremien der Grünen-Partei nach der unentschuldbaren rassistischen Entgleisung des Mitgliedes Palmer ganze 24 Stunden gebraucht haben, um den Parteiausschluss zu verlangen und das entsprechende Verfahren einzuleiten. Man stelle sich das bitte vor: 24 quälend lange Stunden, in denen keine Orientierung möglich ist, in denen viele Nutzer der Social Media hilflos der Ungewissheit ausgeliefert sind, nie klarsehen, ob endlich die entschlossene Reaktion gegen Rassismus kommt oder nicht. Den Demagogen von rechts ausgeliefert, die in dieser langen Zeit viel Gift in Form von Relativierung oder sogenannter "Einordnung" verbreiten. Die Social-Media-Nutzer und insbesondere die Wähler der Grünen mit ihrer hoch entwickelten Sensibilität sind in solchen viel zu lange dauernden Phasen in höchster Gefahr, ihren moralischen Kompass zu verlieren.

Nach meiner Auffassung muss so ein Vorgang binnen weniger Stunden entschieden sein. Nur mit straffer Organisation kann verhindert werden, dass einzelne Parteimitglieder großen Schaden anrichten.

Martin Ritzmann, Überlingen

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