Boeing:Zweifel an der Sorgfalt

Einigen SZ-Lesern fällt nach dem Software-Problem bei Boeing, das verantwortlich sein könnte für Abstürze, der Umgang der Autoindustrie mit ihrer Schadstoff-Software ein. Aber ist ein Vergleich hier wirklich angebracht?

"Der Absturz" vom 23. / 24. März, "Abgrund an Schlamperei" vom 19. März und "Fehler im System" sowie "Deutschland sperrt Luftraum für Boeing 737 Max" vom 13. März:

Immer die Software

Auf den ersten Blick haben Boeing und Volkswagen nichts Gemeinsames. Doch bei näherer Betrachtung zeigen sich Ähnlichkeiten der Denkweise der Firmenchefs und ihrer untergebenen Ingenieure. Sowohl Volkswagen als auch Boeing haben versucht, vorhersehbare Probleme ihrer Projekte mit Hilfe von softwaregestützten Computer-Systemen zu lösen. Bei Volkswagen war es das Stickoxyd des Dieselmotors und bei Boeing die Aerodynamik des geplanten 737 Max 8. Von einem speziellen System im Auto beziehungsweise im Flugzeug wusste weder der Volkswagen-Käufer noch der Pilot der Boeing 737 Max 8. Hintergangen wurden die Diesel-Käufer von VW und die Piloten der 737 Max 8. Mit ihren heimlich eingebauten Computersystemen, wollte Volkswagen die strengen Auflagen der US-Umweltbehörde umgehen und Boeing die physikalischen Gesetze der Aerodynamik aushebeln. Für Volkswagen endete es in einer finanziellen Katastrophe, Boeings Eingriff in die Aerodynamik kostete 346 Passagiere das Leben. Gespannt wird man sein, wie die US-Justiz den Fall Boeing sieht. Wird sie in dem von Trumps "America-First"-Politik geprägten Land genauso drastisch vorgehen wie bei Volkswagen?

Dr. Harald Reich, Neusäß

Industrien weniger schützen

Nach Diesel-Gate von Audi und VW jetzt 737- Max-Gate von Boeing. Wie sich doch die Fälle gleichen! Um die eigenen Produkte in den Markt zu bringen und die Konkurrenz abzuhängen, wird getrickst, geschwiegen und abgewiegelt, koste es, was es wolle, koste es Menschenleben, wie viele es wolle!

Und die verantwortlichen Aufsichtsbehörden drücken alle Augen zu. In Deutschland das KBA mit seinen Verkehrsministern und in den USA die Luftfahrtbehörde! Alles zum "Schutz" der heimischen Industrie. Dabei übersehen sie, dass solche Versäumnisse der "geschützten" Industrie mehr schaden, als wenn sie von vorneherein auf die Einhaltung von Regeln oder Sicherheitsstandards verpflichtet worden wären.

Klaus Bejenke, München

Meinung online

Die SZ hat ihr Angebot an Meinungsjournalismus im Digitalen verstärkt: Seit Donnerstag erhalten Kommentare auf SZ.de einen neuen Auftritt. Die Seite Vier, eine Institution in der gedruckten Süddeutschen, bekommt Gesellschaft vom Online-Ressort Meinung unter sz.de/meinung. Hier finden Sie nicht nur Kommentare, sondern Sie können zudem direkt mit der SZ in eine Debatte eintreten. Meinungsjournalismus bedeutet Austausch und Kontroverse, daher können Leser zu Kommentaren aus der Redaktion online ihre eigene Meinung abgeben und in Autorengesprächen live mit Redakteuren diskutieren.

Kehrseite der Digitalisierung

Der Artikel beschreibt in aussagekräftiger Diktion die Kehrseite der Digitalisierung der Luftfahrt. Was mir hierbei aber nicht gefällt, ist die Tatsache, dass die Journalisten einmal mehr der Versuchung effekthascherischer Verbalisierung nicht widerstehen können. Einer Information, dass die Heftigkeit des Aufpralls diese armen Menschen derart verstümmelte, dass es zu keiner Identifizierung kommen konnte und man leere Särge beisetzen musste, bedurfte es meiner Meinung nach absolut nicht. Auch nicht, dass man diesen Satz im Untertitel der grafischen Darstellung wiederholt. Hier fehlt Feingefühl und Respekt gegenüber den Opfern und deren Hinterbliebenen.

Peter Heck, Beindersheim

Warum fehlen die Flugdaten?

Hier ergibt sich für mich eine ganz auffällige Frage, die aus dem Datum der ersten beiden Katastrophen resultiert. Obwohl diese Katastrophe schon fast fünf Monate her ist, wenn ich gleichzeitig auch noch das Resultat der Untersuchung dieser Katastrophe so aus den Medien richtig aufgenommen habe, dass ich sagen kann, dass der Grund bisher nicht eindeutig zu benennen war, dann muss ich davon ausgehen, dass die im Flugverkehr wohl übliche Speicherung der jeweiligen Flugwerte nicht ausreichend zur Verfügung gestanden hat. Wenn dem aber so war, wie kann man dann die anderen Flugzeuge weiterfliegen lassen, wenn weder der Grund des Unglücks bekannt war, aber auch keine ausreichende Möglichkeit der Aufzeichnung zur Verfügung gestanden hat, die diesen Grund hätte sichtbar machen können? Sind wir hier jetzt schon bei der zweiten der drei Fragen, mit denen Harari in Homo Deus seine Leser entlässt: "Was ist wertvoller - Intelligenz oder Bewusstsein?" Boeing ist eine amerikanische Firma, die USA werden regiert und geführt von einem Menschen, der nicht nur sagt "Wir sind die Welt", sondern der auch meint, in der Lage zu sein, diese Welt bei Bedarf anzuhalten.

Boeing: Illustration: Bernd Schifferdecker

Illustration: Bernd Schifferdecker

Boeing nutzt künstliche Intelligenz, kann aber über gespeicherte Messwerte nicht mehr sagen, welche Bedingungen zu dieser Katastrophe geführt haben. Scheinbar wurde das Wissen um die Gegebenheiten zum Zeitpunkt X der Katastrophe als nicht so wichtig angesehen. Wie kann das sein? Haben wir es hier mit einem deutlichen Zeichen aus einer großen Industrienation zu tun, deren eine Hälfte sich einen Führer gesucht hat, der in der Lage ist zu sagen: Ich bin Gott! Und da ein solcher unfehlbar ist, braucht dann auch nicht mehr nachgesehen werden, ob und welche Fehler da vorgekommen sind.

Werner Jasper, Delmenhorst

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