Süddeutsche Zeitung

Bildung:Wer leidet denn hier?

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Sorgt sich die privilegierte Schicht, dass sie keinen Klempner mehr bekommt, wenn Emporkömmlinge aus bildungsfernen Schichten ein Studium anstreben? Keine Angst, meint ein Leser, so viele sind es nicht.

"Lernt doch was Vernünftiges" vom 26./ 27. Mai, " Dumm und nichts gelernt" vom 19./20. Mai:

Seine studierte Zielgruppe hat Janis Beenen getroffen, bei mir bleiben Bedenken: Haben Sie Angst, dass Ihnen irgendwann mal die Klempner ausgehen? Sorgt sich hier die privilegierte Schicht, dass keiner mehr mit den Händen arbeiten will, während man selbst und die Kinder in frisch gewaschenen Pullovern den eigenen Neigungen folgen dürfen? Wo soll es enden, wenn auch noch Emporkömm- linge aus bildungsfernen Schichten ein Studium beginnen?

Der Grund für den "Akademisierungswahn" liegt doch nicht bei den Eltern, die ihre Kinder durch ein Studium den gesellschaftlichen Aufstieg und eine bessere Zukunft ermöglichen. Von diesen Eltern gibt es nämlich viel zu wenige. Von 100 Kindern, deren Eltern nicht studiert haben, gehen 21 an eine Hochschule und nur einer promoviert. Von hundert Kindern mit mindestens einem studierten Elternteil gehen 74 an eine Hochschule und promovieren zehn. Wer genau leidet unter dem Akademisierungswahn? Dr. Marko Häckel, Potsdam

Zuversicht durch Vertrauen

Meine Mutter war alleinerziehende Arbeiterin bei der Post, Papa irgendwo in Afrika. Was Leichtes arbeiten, riet mir meine schwerarbeitende Mutter. Das man dafür studieren müsste, erwähnte sie nicht. Ich war auf einer Schule in Hamburgs "Ghetto" Steilshoop und hatte das Glück, dass neben zwei Lehrern der Gesamtschule auch später der Schulleiter der Handelsschule mein Potenzial erkannte. Er hakte mich väterlich unter und ging zehn Minuten mit mir den Schulflur auf und ab. Mit Worten zum bildlichen Vor-Augen-Führen, was mir ohne Abschluss bevorsteht (Kassiererin! Hilfskraft! Akkordjobs! Oh Graus!), Aussicht auf Versetzung in die nächste Klasse, wenn ich jetzt loslege, sowie mit kostenloser Nachhilfe von rund zehn Stunden wurde meine "Bocklosigkeit" ausradiert. Und plötzlich machte die Schule Spaß. Letztendlich war es nicht die Androhung der zukünftigen Tätigkeit, sondern das Gefühl, da hakt mich jemand unter und hört mal zu, nimmt den Teenie ernst und setzt Vertrauen in mich. Daina Jessika Akinde, Hamburg

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SZ vom 04.06.2018
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