Süddeutsche Zeitung

Bezahlbares Wohnen:Wenn Grund unerschwinglich wird

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Die Wiener machen es beispielhaft vor, weiß eine Leserin: Die Lösung für das so dringliche Wohnungsproblem in Deutschland ist nicht, immer größere Wohnungen zu bauen, sondern mit weniger Quadratmetern pro Person auszukommen.

Zu " Wohnen muss bezahlbar werden" vom 23./24. November und " Bodenlos" vom 16./17. November:

Eigentum verpflichtet

Endlich wird der Blick wieder auf das Entscheidende gerichtet: die Bodenpreise. Nicht neue Dämmvorschriften, Regelungen zum Abstellen von Fahrrädern oder Kinderwagen etc. sind vorrangig für die horrenden Mietpreise in unseren Großstädten verantwortlich - Stuttgart und München konkurrieren aktuell um die Spitzenposition - , sondern eine ungerechte und damit unerträgliche und bis dato ungebremste Steigerung der Baulandpreise, die für die Profiteure natürlich höchst ertragreich ist.

Aber Heribert Prantl und auch Hans-Jochen Vogel benennen in dem zitierten Buch nicht nur die Ursachen, sondern sie sagen auch, was dagegen getan werden muss. Bei den fünf Prantl-Punkten am Ende des Kommentars ist die Enteignungsfrage sicher die umstrittenste. Vogel ist da eher skeptisch angesichts gigantischer Entschädigungssummen - er spricht für Berlin bei den drei großen Wohnungsunternehmen von 28,8 bis 36 Milliarden Euro - und vor allem auch verfassungsrechtlicher Bedenken trotz Artikel 15 GG.

Übrigens findet sich der Gedanke der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht erst im Grundgesetz und im Godesberger Programm der SPD, sondern bereits im Ahlener Programm der CDU von 1947, wo der 3. Satz lautet: "Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein."

In jedem Falle gilt, dass die Wohnungsfrage rasant an Dringlichkeit gewinnt, dass die Zeit knapper wird, bevor es politisch und gesellschaftlich knallt und die Armutsschere sich wieder in ein beilscharfes Schreckensinstrument metamorphosiert.

Wolfgang Warner, Stuttgart

Wohnfläche pro Person steigt

Es wundert mich, dass ein wichtiger Faktor in Ihrer Analyse überhaupt nicht vorkommt: der Anstieg der Wohnfläche pro Person. Die hat sich seit 1965 verdoppelt - klar, dass man dann auch doppelt so viel umbauten Raum braucht. Ebenso klar, dass diese Entwicklung an Grenzen stößt, wenn der letzte Acker bebaut ist. Die Lösung kann also nicht sein, immer mehr, immer größere Wohnungen zu bauen, sondern mit weniger Quadratmeter pro Person auszukommen. Die Wiener schaffen das übrigens.

Dr. Beate Rother, Schleswig

Wie der Staat profitiert

Auch Laura Weißmüller vergisst wie so viele, wie sehr der Staat an hohen Bodenpreisen still und selbstverständlich teilnimmt. Der Preis eines unbebauten Grundstücks wird ohne Mehrwertsteuer (MwSt) ausgewiesen. Sobald ein Wohnhaus darauf gebaut wird, färbt dessen Besteuerung mit der MwSt auf den Bodenpreis ab. Die 19 Prozent an MwSt werden vom ganzen Objekt einschließlich Boden berechnet und an den Staat abgeführt. Der Staat nimmt dann nochmals über die Grunderwerbsteuer von fünf bis sieben Prozent ebenso aus dem Gesamtpreis beim Verkauf daran teil. Der Staat hat daher sichere, stille und mehrfache Einnahmen an die Entwicklung der Objekt- und Bodenpreise gekoppelt und nimmt die laufend fällige Grundsteuer ein.

Gewerbliche Bautätigkeit ist ohnehin der unbefristeten Spekulationsbesteuerung unterworfen. Private Bauherren unterliegen ebenso innerhalb einer Frist von zehn Jahren der Abschöpfung des Veräußerungsgewinns. Selbst wenn man Boden nicht mehr als Grundeigentum ansetzen würde, also zum Beispiel als Erbpacht oder öffentliches Gut gegen Geld vergeben würde, und der Staat dann auf diese Steuern verzichten müsste, fehlt der Bauherrschaft ihr wichtigstes Finanzierungsinstrument für den Bau von Wohnungen.

Denn der Boden dient als Pfand für die Grundschuld beim Bau. Die Baufirmen und Handwerker wiederum beanspruchen über den §648 a BGB eine Sicherungshypothek für ihren Bauauftrag. Ohne das Privateigentum am Boden wird es kein Grundpfandrecht und damit keine Baufinanzierung mehr geben. Diese muss auch mit den gestiegenen Baupreisen wachsen und braucht den Bodenpreis.

Dr. Martin Wöhrle, Stuttgart

Die Landflucht eindämmen

Die Debatte versteift sich auf ein weitgehend städtisches Problem. Im ländlichen Raum - Ost wie West - gibt es sehr bezahlbaren Wohnraum sowohl zur Miete als auch zum Kauf. Das Problem ist eher, dass keiner eingreift, um die Landflucht einzudämmen. Fördergelder zum Beispiel gibt es nur für Ansiedlungen von Firmen im ländlichen Raum, Eifel, Ostsachsen etc. Da braucht man keine Gesetze ändern oder Reformen jahrelang durchdiskutieren - eine einfache Änderung von Förderrichtlinien würde reichen. Wenn es Arbeitsplätze auf dem Lande gibt, können sich zudem viel mehr Menschen eine eigene Immobilie leisten oder dort günstig mieten.

Stefan Vogel, Weissenberg

Rücklage treibt die Preise mit

Bei den fünf Vorschlägen zur Verbesserung der Situation hat Heribert Prantl den allerwichtigsten nicht gemacht: die ersatzlose Abschaffung der Rücklage nach § 6b Einkommensteuer-Gesetz (EStG). Mit dieser Rücklage kann ein Grundstückseigentümer den Gewinn aus einem Bodenverkauf auf null drücken, wenn er wieder Boden zukauft. "Die Rücklage kann nach § 6b Absatz 3 EStG entweder sofort oder innerhalb von vier Jahren auf ein Reinvestitionsgut (Grund und Boden, Aufwuchs, Gebäude) steuerneutral übertragen werden." Dies führt in der Praxis dazu, dass der Verkäufer den Gewinn erst mal nicht versteuert, sondern sich vier Jahre lang auf die Suche macht, um zu "reinvestieren". Diese Steuersparkönige gelten als die zahlungskräftigsten Kunden auf dem Bodenmarkt, da die gesparten Steuern praktisch einer Subvention auf den Neuankauf gleichkommen, weil der Käufer lieber mehr Geld in ein (zwar überteuertes) Neugrundstück investiert, als auf den alten Gewinn Steuern zu zahlen.

Dank der Rücklagemöglichkeit verteuern sich nicht nur die wenigen heiß begehrten Baugrundstücke, sondern in der Folge auch noch die anderen Grundstücke im gesamten Umland. Dies führt zu grotesk überhöhten Grundstückspreisen, vor allem im Umland der Städte. Ein Eldorado für Grundstückseigentümer: Auch wenn sie Millionen einnehmen - Steuern zahlen sie oft keine. Diesem Übel kann man nur abhelfen, wenn die Gewinne aus Grundstücksverkäufen sofort fällig werden.

Tony Gnann, München

Für eine Bodenreform

Die Revolution vor 100 Jahren war im Westen vor radikalen Veränderungen des Bodenrechts zurückgeschreckt. Zwar wurde die Vererbung der Regierungsgewalt abgeschafft, aber die genauso unlogische Vererbung von Grundbesitz wurde im Prinzip nicht angetastet. So konnte eine privilegierte Schicht wie eh und je Grundbesitz ohne eigenes Zutun erwerben. Dieser Erwerb an sich ist nicht zu tadeln, umso mehr aber der oft pflichtvergessene Umgang mit dem Eigentum, der fast ausschließlich privater Profitmehrung diente. Die seit einem Jahrhundert völlig zu Recht geforderte Bodenreform ist keine ungerecht gleichmacherische, gewalttätige kommunistische Revolution, sie soll nur die würdelosen Exzesse wirkungsvoller als bisher verhindern. Es geht nicht um das gerne bemühte Horrorszenario der entschädigungslosen Enteignung, sondern um einen vernünftigen Ausgleich, ein maßvolles Verhältnis von Leistung zu Gewinn.

Dr. Dietrich W. Schmidt, Bauhistoriker i.R., Stuttgart

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Quelle:
SZ vom 30.11.2019
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