Sprachlabor:Das besorgt uns

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ferner: Was Gold und Blech miteinander verbindet.

Von Hermann Unterstöger

WAS VON OLYMPIA blieb, ist unter anderem die Kunde, dass Armand Duplantis den Stabhochsprung lebt und denkt, „seit er klein ist“. Dabei irritiert weniger, dass man den Hochsprung denken kann, als vielmehr die lebenszeitliche Dimension dieses Denkens. Die Präposition seit kennzeichnet laut Grammatik ein Verhalten, das bis zur Gegenwart des Sprechers anhält, was für unseren Leser D. die Frage aufwirft, ob Duplantis einst größer war und sich für den Stabhochsprung hat verkleinern lassen. Mit „von klein auf“ wäre seiner Ansicht nach das Leben und Denken des Hochsprungs besser beschrieben gewesen.

UND NOCH EINMAL OLYMPIA. Zu einer metallurgischen Anmerkung sieht sich Leser W. herausgefordert. Dass Sekundenbruchteile „über Gold und Blech“ entscheiden, lasse außer Acht, dass Blech ein Walzwerkserzeugnis ist, das aus nahezu jedem Metall, also auch aus Gold, hergestellt werden kann. Blech wurde also nach allem, was man sehen konnte, nicht vergeben.

„KÖNNEN SIE meine zerfurchte Stirn glätten?“, fragt Leserin G.-B., und sie ist nicht die Einzige, die sich sorgt, dass das Verb besorgen einem besorgniserregenden Bedeutungswandel unterliegt. Ihr Beispiel waren die Zwischenfälle im Südchinesischen Meer, welche die Anrainerstaaten auf eine Weise „besorgen“, die mit beschaffen, auftreiben, sich kümmern – und was der herkömmlichen Synonyme sonst noch sein mögen – nichts mehr zu tun hat. Darf man beiläufiger Sprachbeobachtung trauen, ist jemanden besorgen im Sinn von jemandem Sorgen machen in den vergangenen Jahren derart in Mode gekommen, dass man, wo immer jemanden etwas besorgt, damit rechnen muss, dass ihn das auch ein Stück weit fassungslos macht. Alte Beispiele, die diese Mode aus der Vergangenheit heraus stützen könnten, sind in den Wörterbüchern nicht zu besorgen. In die Nähe kommt allenfalls das reflexive sich besorgen, wie wir es etwa bei Jeremia finden, wenn er sagt: „Und der Hunger, deß ihr euch besorget, soll stets hinter euch her seyn in Egypten, und sollt daselbst sterben.“ Ob das die Leute hinlänglich besorgte?

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