Bayern:Von Bürgern und anderen

Die CSU strebt ein sogenanntes bürgerliches Bündnis an, sprich: Die Grünen, die die Wähler zur zweitstärksten Kraft im Landtag gemacht haben, sollen aus der Regierung draußen bleiben. Lesern gefällt dies nicht.

Bild für die Forumseite vom 16.10.2018

Wer bringt Bewegung in die Politik? Katharina Schulze (Grüne) mit Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler, v.li.).

(Foto: Lukas Barth-Tuttas/dpa)

Zu den Artikeln über den Ausgang der Landtagswahlen in Bayern:

Schulze, ein wahrer Schatz

Der Leserbriefschreiber hat den Eindruck gewonnen, dass es hier mehr um Aufstieg oder Fall von Politikern ging als um Auswahl oder Abwahl politischer Programme. Ministerpräsident Markus Söder hat die Pfeile der Angreifer mit der Bemerkung abgelenkt, dass er erst seit sechs Monaten Ministerpräsident sei, und CSU-Chef Horst Seehofer sagte, dass die Last der Schuld an dem Desaster auf viele Schultern zu verteilen sei. Es war viel von bürgerlichen Parteien die Rede. Was sind eigentlich die Mitglieder der anderen Parteien, "Unbürger" oder "Nichtbürger"? In den Anfangszeiten der Arbeiterbewegung waren die "Bürgerlichen" das "Gegenüber" der Sozialisten. Das ist lange her. Wir sollten heute den Grünen und den Linken die Bezeichnung "Bürger" nicht verwehren.

Überhaupt die Neigung zur Diskriminierung: Söder hat erklärt, er werde mit allen Parteien sprechen, außer mit der AfD. Söder muss daran erinnert werden, dass auch hinter der AfD Wählerinnen und Wähler stehen, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben und nach den Spielregeln der Demokratie einen Anspruch darauf haben, nicht ausgegrenzt zu werden, ob man sie nun liebt oder nicht.

Katharina Schulze von den Grünen ist ein wahrer Schatz. Ich prophezeie Söder, dass er es noch erleben wird, dass diese Dame bayerische Ministerpräsidentin wird. Das Beste, was Söder für Bayern tun kann, ist, sie jetzt schon als seine Stellvertreterin einzuarbeiten. Die Farbe Grün in seiner Nähe wird seinem leicht verstaubten Weltbild gut tun.

Otfried Schrot, Ronnenberg

Der eigentliche Wählerwille

CSU-Chef Horst Seehofer äußerte einmal: "Wir haben verstanden." Frägt sich nur "was"? Dass Ministerpräsident Markus Söder überhaupt nichts verstanden hat, zeigten schon erste Interviews am Wahlabend: Er präferiere eine Koalition mit der Partei Freie Wähler. Dass der CSU etwa 35 Prozent prognostiziert worden waren und sie damit nicht mehr die absolute Mehrheit erreichen würde, war schon vor der Wahl unschwer erkennbar. Wenn rund 1,7 Millionen Bürger in Bayern die Grünen gewählt haben, dann sollte das den eigentlichen Wählerwillen zum Ausdruck bringen, dass man die nächsten Jahre eine Regierung aus CSU und Grünen haben möchte. Diesen Leuten hat Söder mit seiner Aussage eine Ohrfeige verpasst. Unverändert werden nicht die Interessen einer (großen) Mehrheit von Bürgern vertreten, sondern wieder nur partei-eigene Interessen. Und wenn es (weil rechnerisch möglich) im Landtag nur ein paar Sitze mehr sind. Erfreulicherweise strafen immer mehr Wähler ein solches Verhalten bei künftigen Wahlen ab. Die letzte Bundestagswahl war ein Anfang. Die CSU wird davon nicht verschont bleiben.

Herbert Kreiler, München

Raus aus der großen Koalition

Als Sozialdemokrat empfinde ich das Wahlergebnis in Bayern natürlich als eine Katastrophe. Es zeigt deutlich, dass die Fixierung der SPD auf die große Koalition und die zweifellos von ihr erreichten Erfolge im sozialpolitischen Bereich von den Wählern nicht goutiert werden und die Tatsache, dass große Koalitionen für die SPD prinzipiell schädlich sind, sich wieder bestätigt. Mehr als beunruhigend ist die Tatsache, dass die rechtsextreme AfD erneut ein Ergebnis eingefahren hat, das im zweistelligen Prozentbereich liegt. Allein aus staatspolitischer Verantwortung sollten die Genossinnen und Genossen sich jetzt möglichst schnell aus der großen Koalition verabschieden und mit einer klaren Haltung gegen Rechts für eine soziale Wohnungspolitik sowie eine menschliche Flüchtlingspolitik argumentativ gegen die Strukturkonservativen vorgehen. In Bayern wird es wohl zu einer Koalition von CSU und Freien Wählern kommen, was angesichts der rechten Ausrichtung beider Parteien heißt, dass aus diesem Bundesland auch weiterhin, dann wohl auch mit Unterstützung der AfD, eine Entmoralisierung und Enthumanisierung der Politik gegenüber Minderheiten wie Flüchtlingen erfolgen wird. Für die Zukunft ist damit leider die Aussicht verbunden, dass die Dämme der Humanität und Rechtsstaatlichkeit nicht nur in Bayern brechen werden. Voller Sorge muss man daher leider in die Zukunft blicken.

Manfred Kirsch, Neuwied

Katastrophe AfD

Dass die AfD 10,2 Prozent und damit 22 Sitze bekommt, ist die wirkliche und eigentliche Katastrophe! Horst Seehofer und/oder Markus Söder abzuwatschen, mag zwar Genugtuung auslösen, das hat die bürgerliche Partei CSU (aber auch die SPD) nicht verdient.

Peter Porath, Berlin

Befindlichkeiten der Populisten

Am Samstag war ich sehr gespannt auf die Titelstory der SZ über das "Finale in Bayern" (13./14. Oktober). Ich erwartete eine pointierte Analyse der unterschiedlichen Standpunkte der einzelnen Parteien. Es war die letzte Möglichkeit, dem unentschlossenen Wähler weiterzuhelfen. Leider wurde ich enttäuscht. Statt zu informieren spekulierte die SZ darüber, wie sich das abzeichnende Wahldebakel der CSU auf die Zukunft von Horst Seehofer auswirken wird. Ehrlich gesagt: mir reichts, ich kann die übertriebene und ständige mediale Beschäftigung mit Horst Seehofer nicht mehr hören! Wenn in den Medien nur noch die Befindlichkeiten von Populisten gebracht werden, braucht man sich nicht zu wundern, wenn diese auch bei uns immer mehr an Macht gewinnen. Die Spekulationen über negative bundespolitischen Auswirkungen empfinde ich zudem als Angstmache, welche ebenfalls ungewollt die Rechte unterstützt. Der Beitrag war allenfalls ein Kommentar und hatte auf der Titelseite nichts verloren.

Prof. Gerhard Wenz, St. Ingbert

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Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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