Süddeutsche Zeitung

Bauernproteste:Das große Unbehagen

Lesezeit: 3 min

Einige Leser zeigen Verständnis für die Demonstrationen. Manche sehen in höheren Preisen und mehr Bioanbau eine Lösung, um den Wandel zu umweltschonenderem Landwirtschaften voranzutreiben.

Zu " Respekt ernten" vom 30. November, sowie zu " Die Bauern stellen die falschen Forderungen" und " Mit dem Traktor nach Berlin" vom 26. November:

Schädlicher Kreislauf

Die protestierenden Bauern wollen unreglementiert ihre Gülle ausbringen dürfen und zugleich einen höheren Milchpreis. Das passt aber nicht zusammen: Überspitzt ausgedrückt wird die deutsche Kuh mit Soja aus dem Amazonasgebiet gefüttert, belastet mit ihrer Gülle das deutsche Grundwasser, und ihre Milch wird nach Italien exportiert. Aus der Sicht der Grundwassernitratbelastung haben wir zu viel Milchkühe. Wäre der Milchpreis geringer, so hätten wir weniger Milchkühe. Es muss also der Milchpreis sinken, damit das Grundwasser weniger überlastet wird. Würden unsere Bauern nur Biomilch produzieren, gäbe es wegen der Kreislaufwirtschaft keine Überproduktion, keine Grundwasserüberbelastung und höhere Milchpreise.

Wolfgang Maucksch, Herrieden

Branche wird verunglimpft

Eine wichtige Branche, die Landwirtschaft, wird im öffentlichen Diskurs immer wieder desavouiert und - einer überdimensionalen, unverhältnismäßigen Klimaideologie folgend - verunglimpft. Einem ganzen Berufsstand, der noch dazu versorgungsrelevant für die Menschen in unserem Land ist, wird eine angemessene Wertschätzung für schwere Arbeit und wichtige Aufgaben zum Nutzen der Allgemeinheit weitgehend versagt. Stattdessen wird den Leistungsträgern durch immer mehr überflüssige Bürokratie und überbordende Regelungswut das Leben bis an die Grenze des Machbaren effizienzgefährdend immer schwerer gemacht und die Landwirtschaft durch Politik und Öffentlichkeit an den Rand der Existenzfähigkeit (und darüber hinaus) gebracht!

Dürfen wir uns da wundern, wenn die Betroffenen sich irgendwann mal wehren - und zwar vehement und wirksam? Könnte es sein, dass dies erst der Anfang einer Gegenentwicklung war? Auch ohne mit der Agrarwirtschaft verbunden zu sein, würde es mich nicht wundern! Denn viele einflussreiche "Lautsprecher" in der Sache überschreiten in ihrem effektheischenden, übersteigerten Anti-Bauern-Aktionismus das Maß der Angemessenheit schon länger.

Gerd Hullmann, Hamburg

Falsche Förderung der Großen

Verhalten sich die vielen Landwirte nicht respektlos vor ihrer Mitwelt, wenn sie mit ihren PS-starken Traktoren Straßen und Plätze belagern und sie mit Abgasen belasten? Sind die PS-Monster nicht selbst ein Abbild einer abartigen und naturfernen Landwirtschaft? Seit Jahren werden mit Steuergeldern über die EU unnötig auch industriell geführte Großbetriebe mit rund 300 Euro pro Hektar gefördert, ganz gleich, was sie damit mit ihren Flächen anfangen. Müsste nicht endlich mehr der Flächenmissbrauch in der Landwirtschaft hinterfragt werden? Der liegt augenscheinlich vor, wenn zunehmend wegen Biogasanlagen unter dem Deckmantel der Energiewende ein Großteil der Agrarflächen mit problematischem Maisanbau ausgebeutet wird.

Monokulturen sind schädlich und sollten nicht subventioniert werden. Mit einer gottlosen Kurzwertphilosophie des immer mehr, größer und schneller wurde eine Über- und Massenproduktion gefördert. So degenerierte manches Dorf zu einer Ansammlung von Großbetrieben. Wer ist da echter Landwirt im Sinne der Bewirtung unseres Landes, wenn dieses wie ein verfügbares Warenlager behandelt wird? Was läuft noch nachhaltig und naturgemäß? Wird da wirklich zu viel verlangt, wenn weniger Pestizide, weniger Nitrat und weniger Gülle und mehr Lebensräume für Insekten eingefordert werden? So manche ökologische Wohltat, wie Blühstreifen um die ausgedehnten naturwidrigen Maisfelder, müsste doch im Interesse aller sein und nicht gleich wieder abgerechnet werden.

Simon Kirschner, Bad Endorf

Weg in die Sackgasse

Die Supermärkte drücken den Bauern so die Preise, dass sie nur mit den bekannten Methoden produzieren können: Flächen dazukaufen, Massentierhaltung mit Überdüngung und Verseuchung des Grundwassers (EU-Strafen gegen Deutschland), Spritzen, bis es keine Insekten mehr gibt, und massenhafter Einsatz von Antibiotika mit Züchtung von antibiotikaresistenten Keimen. Hier hat das freie Spiel des Marktes in eine Sackgasse geführt.

Obwohl es durch die EU-Agrarsubventionen und die Importzölle schon teilweise außer Kraft gesetzt wurde. Agrarministerin Klöckner will nun den Bauern helfen. Analog zu den Mindestlöhnen wären Mindestpreise für landwirtschaftliche Produkte denkbar. Sie müssten dann aber ökologischen Standards genügen. Das käme auch der Gesundheit der Verbraucher und der Umwelt zugute. Die Politik muss handeln.

Hans Oette, Neuenstadt

Höhere Preise lösen Probleme

Schon der Begriff "konventionelle" Landwirtschaft ist irreführend - denn vor 50 Jahren setzte sich der Deutsche Bauernverband im Verbund mit EU-Kommission, Bayer, BASF und dem Bundeslandwirtschaftsministerium an die Spitze einer vielmehr revolutionären Modernisierung der Landwirtschaft: mit viel Chemie, großen Maschinen, immer größeren, eckigen Anbauflächen bei immer weniger Landwirten und immer niedrigeren Preisen. Dies ohne Not, denn schon früh ging es nicht mehr um die Vermeidung einer Hungersnot, sondern um eine vom Fleischexport getriebene Modernisierungs-Tonnen-Ideologie.

Trotz einer mittlerweile überwiegend kritischen öffentlichen Meinung samt saftiger EU-Klagen gegen Deutschland setzt die Industrie-Agrar-Lobby diesen Weg bis heute in dystopischer Dynamik fort. Anstatt ein Bauernverband ist die Organisation der "konventionellen Landwirte" meines Erachtens längst ein "Bauern- und Umweltvernichtungsverband". Dessen übrig gebliebene Opfer demonstrieren nun für den Fortgang der eigenen Berufsstandsvernichtung. Dabei wäre die Lösung doch recht einfach und für fast alle umsetzbar - sie lautet: Ein Preis von 1,40 Euro für einen Liter Demeter-Milch.

Dipl.-Pol. Peter Wilhelm, Berlin

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SZ vom 05.12.2019
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