Bauen:Sauberer ohne Beton?

Der Titel ,,Archidrecktur" über umweltschädliche Bautätigkeit hat Leser provoziert. Zum einen bestimmten Bauherren über die Materialien, schreibt ein Architekt. Zum anderen müsste man ohne Beton auf viele Tunnel und Brücken verzichten.

Zu "Archidrecktur" vom 29. November:

In dem Artikel von Laura Weissmüller wird erwähnt, dass zirka acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen durch die Herstellung von Zement - der Grundbestandteil von Beton - entstünden. Doch das Baumaterial Beton benötigt auch Bewehrungsstahl, damit es in Gebäuden, Brücken, Tunnel, Fahrbahnen etc. überhaupt Lasten tragen kann. Da bei der Stahlerzeugung wiederum große Mengen an Treibhausgas anfallen, verdoppelt sich die durch das Bauen verursachte Treibhausgasmenge in etwa. Grob geschätzt ist die weltweite Produktion von Beton plus Stahl für mindestens 20 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dieser Anteil ist somit ähnlich groß wie der jeweilige Beitrag der beiden Hauptklimakiller Land- und Forstwirtschaft inklusive Waldrodung und Stromgewinnung durch Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke.

Wenn man die Umstellung der Land- und Forstwirtschaft auf ökologische Methoden und den Ausstieg aus der Kohleverstromung fordert, muss man als Maßnahme auch den Ausstieg aus der Beton- und Stahlindustrie verlangen, was tatsächlich eine Revolution der Architektur bedeutet. Aber es genügt nicht, für Häuser "nur noch gesunde und klimapositive Materialien" zu verwenden und den Gebäudeabriss zu verhindern, sondern auch der Bau neuer Verkehrsanlagen wie Tunnels und Brücken über Täler und Meerengen müsste unterbleiben.

Karlheinz Rößler, München

Natürlich spricht die Autorin einen richtigen Gedanken aus, wenn sie sagt, dass das Bauen einen beachtlichen Teil der CO₂-Emissionen verursacht. Aber nicht Architekten bauen, sondern Bauherren. Beton ist eine der genialsten Erfindungen der Menschheit, ohne diesen Baustoff würden wir keine Hochhäuser oder Brücken bauen, viele der eindrucksvollsten Bauwerke der Welt sind aus Beton. Die Autorin empfiehlt Lehm als Alternative. Die meisten Wohnhäuser werden schon immer aus Lehm gebaut. Gebrannt als Ziegelstein. Und auch dieser Herstellungsprozess erzeugt viel CO₂. Ungebrannte Lehmziegel haben nämlich einen unschönen Nachteil: Sie sind nicht wasserfest.

Der "Klebstoff" im Beton, der Zement, wird tatsächlich unter hohem Energieaufwand hergestellt, schlimmer ist hier jedoch, dass bei der Umwandlung von Kalk in Zement in hohem Maße CO₂ entsteht. Hier sind Chemiker und Ingenieure gefragt, nicht Architekten. Die Verwendung von erdölbasierenden Chemikalien und Baustoffen beim Bauen ist zudem meines Erachtens schlimmer als das Verwenden von Zement. Hier sind wir Architekten in der Pflicht. Ich empfehle Bauherren die Verwendung von Holzfenstern oder mineralische Dämmstoffe. Verbaut werden Plastikfenster und Styropor, weil billiger. Und wer entscheidet das? Nicht der Architekt.

Peter Heinermann, Architekt, München

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