Design:Von der Nasszelle zum Wohnraum

Design: Früher hauptsächlich funktional, heute Wohlfühloase: In Bädern stehen mittlerweile auch mal Pflanzen oder andere Accessoires.

Früher hauptsächlich funktional, heute Wohlfühloase: In Bädern stehen mittlerweile auch mal Pflanzen oder andere Accessoires.

(Foto: A. Tamboly/Westend61/Imago)

Natürliche Materialen, intelligente Beleuchtung, mehr Platz: Wie das Badezimmer zu einem Ort wurde, an dem man gerne Zeit verbringt.

Von Francesca Polistina

Wie eine Nation tickt, erfährt man nicht nur durch landestypisches Essen oder bestimmte Bräuche, sondern auch, wenn man aufs Klo geht. So sieht das zumindest der slowenische Philosoph Slavoj Žižek, bekannt für seine steilen Thesen. Žižek ist davon überzeugt, dass sich die jeweilige kulturelle Identität auch im Sanitärbereich widerspiegelt. So sei in Frankreich das Abflussrohr der Kloschüssel traditionell ganz hinten angebracht, sodass die Ausscheidungen sofort verschwinden, noch bevor man die Spülung betätigt. Mit ihnen, so Žižek, verfahre man nicht anders wie mit den Gegnern der Französischen Revolution: weg damit.

In den angelsächsischen Ländern sei das Klo dagegen voller Wasser, sodass die Hinterlassenschaften kurz sichtbar bleiben, aber nicht genauer inspiziert werden können. Und in Deutschland? Bei den traditionellen Flachspülern, die mittlerweile außer Mode geraten sind, ist das Loch vorne und die Ablagefläche hinten angebracht. Das ermöglicht eine genaue Begutachtung der eigenen Ausscheidungen, auf der Suche nach eventuellen Unregelmäßigkeiten. Für den Philosophen ist klar: Das ist sie, die deutsche Selbstreflexion.

Nun kann man von Žižeks Toiletten-Theorien natürlich halten, was man will. Sicher ist aber, dass Klos und Badezimmer im Allgemeinen eine Menge über die Menschen erzählen, die sie nutzen. "Das Bad geht definitiv in Richtung Individualisierung", sagt einer, der es wissen muss: Designer Torsten Müller. Er hat die Badezimmer vieler Penthäuser entworfen. Müller ist vor allem im Luxus-Segment tätig, dennoch lassen sich bestimmte Trends überall beobachten. Das Badezimmer bekommt einen wohnlichen Charakter und wird immer mehr zum Ort der Entspannung und Erholung, an dem der Mensch länger verweilt als früher, meint Müller.

"Das Bad ist das Zimmer, dessen Konzept sich in den vergangenen Jahren am meisten verändert hat."

Badezimmer werden größer, natürliche Materialien wie Holz und Stein beliebter, es gibt neue Farbkombinationen, Spa-Elemente gewinnen an Bedeutung. Dazu kommen intelligente LED-Beleuchtungen, die sich den Bedürfnissen der Bewohner anpassen. In den Werbeprospekten wird die tägliche Hygiene längst als "Ritual" bezeichnet, und manche Badhersteller locken schon mit der Perspektive, eine Tasse Tee und die abendliche Lektüre ausgerechnet am Wannenrand zu genießen, zwischen WC, Zimmerpflanzen und jeder Menge Kerzen.

Das war nicht immer so. "Das Bad ist das Zimmer, dessen Konzept sich in den vergangenen Jahren am meisten verändert hat", so Designer Müller. Früher hauptsächlich funktional, heute gemütlich und optisch schön. Trendforscher Frank Reinhardt bestätigt das: "Das Bad ist zum Lifestyle-Zimmer geworden", sagt er. Um mehr Freifläche zu bekommen, wird heutzutage häufig eine Vorwand montiert, die Stauraum schafft und unansehnliche Rohre versteckt, auch der Spülkasten und die Klobürste verschwinden darin. "Dadurch bekommt man mehr Platz zum Dekorieren", so Reinhardt.

Das bedeutet nicht, dass man auf Funktionalität verzichtet - im Gegenteil. Smarte Toiletten wie die in Japan verbreiteten "Washlets", Klos mit eingebauten Bidets, verbreiten sich langsam auch in Deutschland. Reinhardt beobachtet außerdem, dass auch hier immer mehr Menschen auf Nachhaltigkeit setzen.

Wie war das früher? In der Antike wurde öffentlich gebadet, zum Beispiel in arabischen und türkischen Hamams. Auch im antiken Griechenland und im alten Rom war das Bad ein Ort, der der Körperpflege, aber auch der Kommunikation dienen sollte. Hier wurde verhandelt, diskutiert, ja sogar Politik gemacht. Selbst die Toiletten waren öffentlich, sie wurden Latrinen genannt und hatten nicht mal Trennwände. Der Untergang des Römischen Reiches bewirkte zunächst das Ende der Badekultur im Westen, bis diese einige Jahrhunderte später von den Kreuzfahrern aus dem Orient zurückgebracht wurde und nach dem Ausbruch von Pest- und Syphilisepidemien wieder verschwand.

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt ohne Toilette

Wer sich erleichtern musste, nutzte einen Nachttopf: Private Toiletten waren eine Rarität und wurden nicht überall toleriert. Der Maler Albrecht Dürer baute beispielsweise heimlich eine Art Toilettenkabine in seine Küche ein und bekam deshalb Ärger mit der Stadt Nürnberg. Im 18. und 19. Jahrhundert erlebte die alte Badekultur eine Renaissance, die erste Bade- und Waschanstalt Deutschlands eröffnete 1855 in Hamburg. Mit der Verbreitung der privaten Badezimmer im vergangenen Jahrhundert wurde das Bad von einem öffentlichen zu einem privaten Raum.

Was viele gerne ausblenden: Noch immer ist ein eigener Sanitärbereich alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Nur die Hälfte der Weltbevölkerung hat Zugang zu einer sicheren, sauberen und an die Kanalisation angeschlossenen Toilette. Das hat gravierende Folgen: Schlechte Hygienebedingungen und schmutziges Trinkwasser sind Auslöser gefährlicher Krankheiten wie Cholera und Typhus, die zu einer hohen Kindersterblichkeit führen.

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