Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Zu viel Benzin im Kopf

Dass manche Autokonzerne trotz Milliarden-Gewinnen der vergangenen Jahre nun um eine neue Abwrackprämie buhlen, stößt bei vielen Lesern auf Unverständnis. Dividenden ausschütten und gleichzeitig Staatshilfe beantragen? Das passe nicht.

Zu "Geld ist da" vom 14. Mai, "Patient mit Vorerkrankung" und "Warten auf die Milliarden" vom 6. Mai sowie "Wer am lautesten schreit" vom 5. Mai und "Schluss mit Milliardengewinnen", 30. April / 1. Mai:

Neuwagen billiger anbieten

Wenn ich als Unternehmer schlechte Zeiten erwarte, dann halte ich mein Geld beisammen und schütte keine Gewinne (Dividenden) aus. Und wenn die Kunden meine Produkte nur zögerlich kaufen, dann senke ich - zumindest vorübergehend - die Preise, anstatt den Staat zu bitten, meine Produkte durch Kaufprämien billiger zu machen. So einfach ist das. Aber die bestimmenden Vorstände, Aufsichtsräte und Großaktionäre der Automobilindustrie haben offensichtlich reichlich Benzin in den Adern, in den Köpfen hingegen viel Leere.

Dr. Hannes Merten, München

Gewinne zur Rettung einsetzen

Die Bundesregierung verzeichnet durch Corona Milliardenverluste an Steuereinnahmen. Die Autoindustrie, die im vergangenen Jahrzehnt Milliardengewinne eingefahren hat, ist nicht gewillt, auf Staatshilfen zu verzichten, einige Firmen wollen Milliarden an Dividenden zahlen, BMW zum Beispiel an die größten Anteilseigner, Familien Quandt und Klatten, die zu den reichsten Deutschen gehören. Spielt in der größten Krise nach Kriegsende Solidarität keine Rolle? Das gemeine Volk würde eine Reichensteuer auf solche Gewinne wohl begrüßen.

Brigitte Broßmann, Neubiberg

Neue Geschäftsfelder suchen

Die von der Automobilindustrie geforderte staatliche Kaufprämie für Neuwagen soll nach Aussage von Daimler-Chef Ola Källenius möglichst "pauschal für alle Produkte gelten". Also auch für all die tonnenschweren PS-strotzenden Modelle, die den Unternehmen den höchsten Profit einfahren, der Umwelt aber im höchsten Maße schaden. Dafür soll der Staat Steuergelder locker machen? Man kann nur hoffen, das Bund und Länder diese Art von Unterstützung ablehnen.

Eines ist gewiss: Die größte Herausforderung bleibt trotz Coronavirus der Klimawandel, auch wenn das Thema momentan aus den Schlagzeilen verdrängt worden ist. Fest steht auch: Steigende Autozahlen führen zu größerer Umweltbelastung. Deshalb wäre ein "Weiter so" fatal. Vielmehr sollte auch die Autoindustrie die Corona-Krise als Zäsur begreifen. Sie muss sich neue Geschäftsfelder suchen und Kapazitäten für reinen Autobau abbauen. Sie macht es sich auf jeden Fall zu einfach, wenn sie dem Staat in der Krise allein mit dem Hinweis auf die wirtschaftliche Bedeutung der Autobranche Geld abzupressen versucht.

Hans Ettemeyer, Verden/Aller

Absurde Zustände

Da bitten Unternehmen um Unterstützung von dem Staat, den sie vermutlich zuvor sittenwidrig hintergangen haben - wofür sie Milliarden an Entschädigungen zahlen müssen -, und schütten dann jetzt auch noch Gewinne aus, die im Schlaf verdient worden sind. Und Menschen, die wir gewählt haben, stimmen dann wahrscheinlich noch zu. Absurder geht es wohl nicht.

Volker Kimstädt, Gangkofen

Zu wenige E-Autos produziert

Kurz vor Beginn der Krise habe ich mich intensiv mit dem Angebot an kleinen E-Autos beschäftigt, darunter den drei aus dem VW-Konzern. Der E-Up war nirgendwo für eine Probefahrt verfügbar. Über den Seat Mii electric hieß es beim Händler: Die Produktion für 2020 ist ausverkauft, Bestellungen für 2021 sind ab November wieder möglich. Vor Kurzem habe ich nun einen Skoda Citigo e bestellt. Dieser hat sechs Monate Lieferzeit. Wenn der VW-Konzern also keinerlei Anstalten macht, Produktionskapazitäten für E-Autos aufzubauen beziehungsweise vorzuhalten, ist der Schrei nach einem Förderprogramm ausschließlich auf die umweltschädlichen Verbrenner gerichtet. Und: Die VW-Produktion ist offensichtlich ausgelastet. Es entspricht daher meines Erachtens nicht der Wahrheit, wenn man mit dem Verlust von Arbeitsplätzen droht. Solch dreiste Automanager gehören in Kurzarbeit geschickt - bei vollem Gehalts- und Bonusverzicht.

Gerhard Altschäffl, Windach

Verbrenner hat durchaus Zukunft

Im Kommentar "Patient mit Vorerkrankung" fordert der Autor, "dass die Politik den Konzernen deutlich machen muss, dass der Verbrenner keine Zukunft hat". Dabei haben die technologischen Verbesserungen der letzten Jahre beim Verbrennungsmotor (auch beim Dieselmotor) wesentlich zur Reduzierung der CO₂-Werte geführt und bei umfassender Betrachtung der Ressourcen-, Produktions-, Struktur- und Entsorgungskette ist heute das elektrisch betriebene Fahrzeug gar nicht umweltfreundlicher. Es wird gemäß unterschiedlicher Mobilitätsbedürfnisse weiter ein breites Spektrum von Antriebsarten bestehen (hier sind auch Beschäftigungsauswirkungen in der Automobilindustrie relevant).

Dr. Siegfried Richter, Ebenhausen

Konsumschecks zur freien Wahl

Allein der Ruf nach einer Prämie ist eigentlich schon dreist, aber man kann ja mal fragen. Dass sich die Politik überhaupt ernsthaft damit beschäftigt und sie höchstwahrscheinlich auch noch bewilligt, ist bei aller vermeintlichen Bedeutung dieser Industrie traurig. Die letzte Abwrackprämie stammt gerade mal aus 2009. In den vergangenen gut zehn Jahren haben sich die Autokonzerne und deren Top-Management die Taschen mehr als voll gemacht, sie haben sich insbesondere im Rahmen des Abgas-Skandals - wie immer man zu diesem auch stehen mag - mehr als schäbig gerade gegenüber den deutschen Kunden verhalten. Jetzt betteln sie wieder um das Steuergeld genau dieser Leute.

Die Politik kann den Bürgern ja durchaus Konsumschecks oder relevante Steuererleichterungen aktuell geben, aber die Bürger sollten selbst entscheiden dürfen, wofür sie das Geld ausgeben, und nicht mit einer unsinnigen Prämie zu (falschem?) Konsum verführt werden. Wenn die Angebote der Autobauer so gut sind und der Konsument ein neues Auto in dieser wirtschaftlichen Situation wirklich für notwendig erachtet, werden die Autokonzerne schon davon profitieren. Wenn nicht, sollte man mal über die wahre Bedeutung der Autoindustrie nachdenken. Eine Branche, die alle zehn Jahre gerettet werden muss, ist vielleicht gar nicht mehr zu retten, zumindest nicht in der jetzigen Form.

Jürgen Dorn, Pullach im Isartal

Mehr Förderung des Nahverkehrs

Die Corona-Krise zeigt, dass vieles, was wir zuvor als selbstverständlich betrachteten, nicht unbedingt notwendig ist. Ich denke, es ist ein radikales Umdenken erforderlich. Wir in den westlichen Industrienationen leben auf zu großem Fuß. Ein Wirtschaftsmodell, das auf ständiges Wachstum setzt, hat ausgedient. Deshalb sollte der Staat die erwähnten Unternehmen nicht unterstützen. E-Autos sind in der Gesamtbilanz nicht umweltfreundlicher als Verbrenner und verstopfen genauso die Straßen. Noch mehr Straßen in unserem dicht besiedelten Land sind nicht die Lösung. Wir haben nur eine Erde.

Flugzeuge brauchen immense Mengen an Kerosin und plagen Flughafenanwohner. Diese Mobilitätsarten müssen auf ein verträgliches Maß schrumpfen. Deshalb braucht es einen massiven, raschen Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Hier sollte der Staat unterstützen und den Aufbau neuer Industrien fördern.

Dr. med. Friedrich Moessinger, Heilbronn

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Quelle:
SZ vom 26.05.2020
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