Migration:Islamismusexport nach Afghanistan

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(Foto: Michael Holtschulte)

Nach dem Messerangriff von Mannheim will der Bundeskanzler Straftäter schneller abschieben – notfalls sogar in Länder, in denen Folter und Terror herrschen. Viele SZ-Leser halten das für keine gute Idee.

„Ampel streitet über härtere Asylpolitik“ vom 5. Juni, „‚Solche Straftäter gehören abgeschoben‘“ vom 7. Juni, Kommentar „Die Zahlen müssen runter“ vom 22. Juni:

Fatale Botschaft

Hat Herr Scholz zu Ende gedacht, was es bedeuten würde, wenn der Asylbewerber, der für den Tod des Polizisten in Mannheim verantwortlich ist, zeitnah nach Afghanistan abgeschoben wird? Dort würde er wahrscheinlich als Held gefeiert, welcher sich den Ungläubigen mutig in den Weg gestellt hat. Wenn ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan zustande kommen sollte, müsste für den abgeschobenen Straftäter zusätzlich nicht wenig Geld an die Taliban bezahlt werden. Eine fatale Botschaft an alle islamistischen Terroristen: Wer in Deutschland im Namen seiner Religion Menschen umbringt, wird in die „Heimat“ abgeschoben und dort gefeiert. Für diese „Rückführung“ erhalten diese Staaten zusätzlich noch Geld vom deutschen Staat. Das ist sicher kein sehr gelungenes Präventionsprojekt.

Michael Parys, Stuttgart

Lieber hier verurteilen

Ich kann dieses populistische Gedöns nicht mehr hören. Von Friedrich Merz habe ich nichts anderes erwartet. Dass Olaf Scholz jetzt in das gleiche Horn tutet, ist mir unbegreiflich.

Wider besseres Wissen fordern sie etwas, das bei näherer Betrachtung unmöglich erscheint. Damit ein deutsches Flugzeug in Kabul landen darf, braucht es eins: Abkommen. Mit wem will die Bundesrepublik diese aushandeln? Mit den Taliban? Ein Auslieferungsabkommen wird nicht nur Steuergelder kosten, es bedeutet auch faktisch die diplomatische Anerkennung der Talibanregierung. Glaubt jemand ernsthaft, dass dieser Mörder in Afghanistan irgendetwas zu befürchten hätte, das auch nur ansatzweise als Strafe zu betrachten wäre? Er hat einen Repräsentanten eines gotteslästerlichen Landes ermordet, er wird dort bei Ankunft wahrscheinlich gefeiert und belohnt.

Er sollte lieber hier zu lebenslanger Haft verurteilt werden, unter Berücksichtigung der besonderen Schwere der Tat wirklich lebenslänglich. Es spart Kosten und moralisches Dilemma.

Sven Arved Koch, Dreieich

Menschenwürdige Behandlung

Mit großem Entsetzen habe ich heute die Meldungen über die Aussagen unseres Bundeskanzlers zur Abschiebung Schwerstkrimineller gelesen. Ich kann und mag nicht glauben, dass ein Sozialdemokrat dermaßen die Werte seiner Partei verraten und sich dem üblen, inzwischen aber sehr verbreiteten Populismus unterwerfen will. Die ohnehin schon grassierende Ausländerfeindlichkeit, die auch ein Herr Scholz in Sonntagsreden beklagt, wird damit weiter befördert.

Als Rechtsstaat leisten wir uns den „Luxus“, auch deutsche Schwerstkriminelle menschenwürdig zu behandeln. Daran darf sich nichts ändern, nie! Die Würde des Menschen (eines jeden Menschen!) ist unantastbar. Es gibt auch keine zigtausend Schwerkriminellen ohne deutschen Pass. Unser Staat kann und muss sich auch diese Personen „leisten“ können. Wir verlassen den Boden unserer humanistischen Tradition, wenn wir sie in Länder abschieben, in denen Menschen Willkür, Folter und Tod ausgesetzt sind.

Dr. Thomas John, Augsburg

Feiges Verbrechen als Weckruf

Es ist wirklich erfreulich, dass sich unsere Volksvertreter, insbesondere Innenministerin Faeser, jetzt Gedanken machen und „Straftäter und Gefährder so schnell wie möglich nach Afghanistan und Syrien abschieben wollen“; natürlich muss das auch für Straftäter aus anderen Ländern gelten. Hoffen wir mal, dass eine Lösung gefunden wird. Einen schalen Beigeschmack hat diese Ankündigung dennoch: Wieso beginnen derartige Überlegungen erst jetzt? Weshalb wachen die Verantwortlichen erst auf, wenn ein Polizeibeamter in Ausübung seines Dienstes für uns Bürger ermordet wird? Wäre es nicht schon viel früher die Pflicht der Ministerin wie der gesamten Regierung gewesen, sich zu diesem Thema Gedanken zu machen, die Durchführbarkeit zu prüfen und entschlossen zu handeln? Die trauernden Kolleginnen und Kollegen des Mordopfers am Tatort zu sehen, macht mich traurig und gleichzeitig wütend. Hoffen wir mal, dass das feige Verbrechen ein Weckruf für alle Verantwortlichen war, endlich alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Politik, Polizei und Justiz zur Verfügung stehen.

Elisabeth von Mahs, Moosach

Leute, ihr liegt falsch

Es ist kaum auszuhalten. Wieder mal versucht die deutsche Politik, in der „Migrationsfrage Handlungsfähigkeit zu beweisen“. Und sie macht dabei alles falsch, was falsch zu machen ist! Seit Jahrzehnten mahnt die Politikwissenschaft, dass Radikale nicht zu besiegen sind, indem man ihre Narrative übernimmt. Alle, die nun sagen, wir müssen die Migrationsfrage lösen, weil sie das größte Problem sei, alle diese sind die größten Wahlhelfer der AfD. Denn sie sagen nichts anderes als: Die AfD hat recht, und sei es nur in der Problembeschreibung. Sie hat aber nicht recht. Und ihre WählerInnen und auch all die anderen besorgten BürgerInnen haben nicht recht. Und das muss man ihnen auch sagen. Ja, die Migration bringt viele Probleme mit sich. Aber sie ist definitiv nicht das größte Problem dieses Landes. Schon gar nicht in Ostdeutschland, wo es kaum Migranten gibt. Und das muss der Kanzler sagen! Anstatt mehr Abschiebungen zu versprechen, müsste er sagen: Liebe Leute, ihr liegt falsch! Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr von einem Migranten erstochen werdet, geht gegen null.

Peter Aigner, Nauen

Rechtsrutsch in den Zeitungen

Der Rechtsrutsch scheint mir mittlerweile in den Zeitungen angekommen zu sein. Es erinnert sehr an das Wahlplakat der FDP: „Migration steuern. Sonst tun es die Falschen“. Als ob es einen Unterschied machen würde, ob eine Schutz suchende Person von der AfD oder der Ampel abgeschoben wird. Seit wann ist rechte, menschenfeindliche Politik besser, wenn es „die Guten“ machen? Warum gehen Sie nicht darauf ein, dass der Rechtsrutsch in Deutschland zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem die Menschen mit erheblichen Sozialkürzungen und weiterhin mit der Inflation zu kämpfen haben? Vielleicht liegt vielmehr hier eine Stellschraube der Veränderung als darin, das Leben von unzähligen Menschen schlechter zu machen.

Früher hätte man in ähnlichen SZ-Artikeln wohl einen anderen Fokus gehabt. Es wäre wohl geschrieben worden, dass die Kommunen mehr materielle und personale Ressourcen brauchen und vom Bund im Stich gelassen werden. Doch das ist noch nicht alles. Der genannte Artikel bezieht sich neutral auf Italiens Asylpolitik, die derzeit von der als Postfaschistin bezeichneten Ministerpräsidentin Meloni vorangetrieben wird. Diese völlige Entkontextualisierung verharmlost und normalisiert die Postfaschistin selbst, aber allem voran ihre Politik, die Menschen in den Ruin treibt.

Zwar nennen Sie Kritik am derzeitigen Asylverfahren-Externalisierungs-Vorhaben, diese bezieht sich aber vielmehr darauf, dass die Erfolgsaussicht nicht die finanziellen Kosten rechtfertigen kann. Was ist mit den menschlichen Kosten? Wie verhindern wir Willkür an diesen externalisierten Grenzen? Es hätte einiges gegeben, was zum Thema hätte geschrieben werden können. Dass das nicht passiert, lässt mich nicht positiv in die Zukunft blicken.

Lisa Poettinger, München

Wer hat ihn radikalisiert?

Abschieben ist der falsche Weg. Trotzdem bleiben viele Fragen an die Politik: Wie wurde der mutmaßliche Islamist zum gewalttätigen Extremisten, ohne dass dies im Vorfeld zu irgendeinem Verdacht geführt hat? Der Angreifer von Mannheim kam 2013 als 14-Jähriger nach Deutschland. 2014 wurde sein Asylantrag abgelehnt; aufgrund seines jugendlichen Alters wurde jedoch ein Abschiebeverbot verhängt.

Was hat der junge Afghane seither bei uns gemacht? Wurde er irgendwie amtlich betreut? Wovon hat er bis heute gelebt? Wer hat den zwischenzeitlich verheirateten Vater von zwei Kindern offensichtlich unbemerkt radikalisiert? Wie kommt es, dass ein jugendlicher abgelehnter Asylbewerber bei uns unbemerkt innerhalb von zehn Jahren zu einem „islamistisch radikalisierten Einzeltäter“ wird? Leider habe ich das Gefühl, dass hier jemand sehr blauäugig den islamistisch-extremistischen Werdegang des jungen Mannes ignoriert hat. Desinteresse? Oder wieder einmal Personalmangel? Da sehe ich schon eine gewisse behördliche Mitschuld.

Hans Kruft, Zirndorf

Immer noch ein Einzelfall

Der Täter, der den tödlichen Messerangriff gemacht hat, wird vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Wer aus dieser Tat eines Einzelnen mehr macht, agiert populistisch und betreibt die Sache der Rechtsradikalen. Es ist nicht das erste Mal, dass Innenministerin Faeser durch solche Äußerungen auffällt. Dass solche Diskussionen von einer SPD-Ministerin kommen, zeigt, wie sehr die Hetze gegen Asylbewerber inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Wäre der Täter ein Deutscher gewesen, hätte es die Meldung wohl kaum über lokale Zeitungen hinaus geschafft. Der Artikel in der SZ versucht zwar zu differenzieren, es fehlt jedoch ein Hinweis darauf, dass es sich um einen Einzelfall unter Millionen Flüchtlingen handelt. Durch die Platzierung auf Seite 1 und die Wahl der Überschrift begibt sich die SZ auf das Niveau der Bild-Zeitung und befördert so selbst diesen Populismus. Das ist nicht das erste Mal der Fall und ich würde es sehr begrüßen, wenn da in Zukunft mit größerem Fingerspitzengefühl agiert würde. 

Karlheinz Höfele, Elchingen

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