Altersvorsorge:Der Sog der Börse

Friedrich Merz hat im Zuge seiner Kandidatur zum CDU-Vorsitz steuerliche Anreize für Aktienkäufe zur Altersvorsorge gefordert. Ist das eine gute Idee? Dazu haben Leserinnen und Leser unterschiedliche Auffassungen.

Karrikatur

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte

"Merz hat die richtige Idee" vom 4. Dezember und "Merz will Vorsorge stärken" vom 3. Dezember:

Erst mal draufzahlen

Nach dem Pareto-Prinzip werden 80 Prozent aller Börsengewinne durch 20 Prozent der Aktionäre realisiert. Die Gewinne der vorhandenen Aktionäre steigen, wenn zusätzliche Bevölkerungsgruppen in den Aktienmarkt drängen, der Aktienmarkt somit angeheizt wird. Da Aktienneulinge sich durchschnittlich dümmer anstellen als routinierte Aktienprofis, machen viele Anfänger erst eine lange Zeit Verluste. Wenn nun der CDU-Politiker Friedrich Merz - entlarvend - fordert, der kleine Mann solle mehr in Aktien investieren, so hetzt er sehr viele von ihnen in Verluste hinein, zum Vorteil weniger. Es gilt weiterhin der Erfahrungsgrundsatz: "Viele Kleinaktionäre zahlen - oft spielsuchtartig - drauf, um wenigen Großaktionären eine noch bessere Verzinsung zu ermöglichen."

Wolfgang Maucksch, Herrieden

Wirtschaftliche Zusammenhänge

Es ist, wie üblich, traurig in Deutschland: kaum hat jemand eine neue Idee vorgetragen, einen Gedankenanstoß gegeben, wird er wegen angeblicher Unüberlegtheit oder unsozialem Verhalten kritisiert. So wird Kreativität im Keim erstickt. Jetzt ist die Phase der prinzipiellen Ankündigungen, nicht der Details. Auch der Leiter des Ifo-Instituts Clemens Fuest meinte, es sei richtig dafür zu werben, "dass die Menschen in Deutschland mehr und intelligenter, also unter Einbeziehung von Aktien, für den Ruhestand sparen." Der frühere Ifo-Chef Hans-Werner Sinn sagte, die Idee sei "richtig und wichtig".

In Deutschland werden Fachwissen, Leistung, Erfahrung nicht anerkannt, sondern dazu benutzt, Neid und Unzufriedenheit zu schüren. Jemand, der dank harter Arbeit viel verdient, Wissen und Erfahrungen und vielleicht noch Vermögen erworben hat, der weiß, wie das Ausland "tickt" und international vernetzt ist, der gilt von vornherein als verdächtig. Dem darf man weder trauen, auch weil er als (zu) eigenständig eingeschätzt wird, noch ihm zutrauen, soziale Probleme lösen zu können. Obwohl gerade solche Wissens- und Erfahrungsträger für Führungsaufgaben prädestiniert sind, sollen sie solche Aufgaben nicht wahrnehmen können?

An der Tagesordnung sind dann bei den Kritikern: Ungeduld, Zurechtweisungen und Besserwisserei; unverzichtbare Sachzusammenhänge und Proportionalitäten von Regelungen/Vorschriften untereinander bleiben unberücksichtigt. So sind offene Sachdiskussionen nicht möglich. Die Themen sind heute so kompliziert und komplex und in ihren Auswirkungen schwer oder gar nicht überschaubar, so dass Lösungen Wissen, Erfahrungen und Über-/Weit-blick voraussetzen, worüber Bürger selten verfügen.

Sinkende Einkommen sind die Folge des harten globalen Wettbewerbs. Dazu passen nicht die Tariferhöhungen der Vergangenheit. Der Import von Waren, die mit niedrigeren Lohn-/Sozial-, Infrastruktur-, Umwelt-/Klimaschutzkosten im Ausland hergestellt werden, drücken seit Jahren auf die deutschen Kosten. Deshalb werden seit Jahren Unternehmenstätigkeiten ins kostengünstigere Ausland verlagert und Arbeitnehmer in Billiglohngesell-schaften ausgegliedert. Die Abschreibungen liegen in Deutschland seit langem über dem Wert für Neuinvestitionen.

Je höher die Lohnsteigerungen, desto schmerzhafter der Druck für Lohnsenkungen. Trotzdem treiben die Gewerkschaften und Andere die Arbeitskosten weiter nach oben. Die Beteiligung mittels Aktien am Produktivvermögen würde das Interesse für wirtschaftliche Vorgänge und das Wohlergehen von Unternehmen (einschließlich Gewinn-/Kostenverständnis) fördern, was für das Gemeinwesen nur von Vorteil sein kann.

Dietrich Thomas, München

Reform der Riester-Rente

Friedrich Merz hat zwar die richtige Idee, aber es ist eine alte Idee. Schon 2002 wurde die Riester-Rente eingeführt. Damit sollte die private Vorsorge mit staatlichen Zuschüssen gefördert werden. Die regelmäßige Anlage konnte in Sparanlagen, in private Rentenversicherungen oder in Aktienfonds (!) fließen. Leider haben die "armen" Banken ein Geschäft draus gemacht und verkaufen die Aktienfonds mit fünf Prozent Ausgabeaufschlag, auch die Anlage in die staatlichen Zuschüsse oder die neuerliche Anlage in die Ausschüttungen. Noch schlechter sind jedoch die privaten Rentenversicherungen mit ihren hohen Kosten und mickrigen Renditen.

Die Riester-Rente gehört dringend geändert. Eine Lösung, um die oben genannten Probleme zu vermeiden, sind deshalb staatliche Aktienfonds, wie in Norwegen praktiziert. Dann ändern sich auch die Renditen der Riester-Verträge zum Positiven. Am besten ist natürlich die direkte Anlage in Aktien, die wesentlich weniger kostet. Aber wenn sie zu Merz oder zur Bank gehen, um direkt in Aktien anzulegen, werden ihnen immer Aktienfonds als die praktischere Anlage empfohlen. Ich spreche aus Erfahrung, nachdem ich über zehn Jahre Kurse an der Volkshochschule gegeben habe, in denen ich die direkte Anlage in Aktien erklärte und gezielt empfahl. Genauso habe ich das in meiner privaten Anlageberatung gemacht. Die Teilnehmer und Kunden gingen dann zu ihrer Bank - denn ich kann nur über die Bank Aktien direkt kaufen - und die riet ihnen dringend davon ab und zu Aktienfonds.

Ruth Lerche, München

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