Kommentar „Rechtsbruch der Regierung“ vom 23. August, „Der schwere Weg nach Deutschland“ vom 6./7. September:
Zum Schämen
Ich bin entsetzt und schäme mich für Deutschland, ein doch ehedem christlich geprägtes Land, dass es in Gestalt des Bundesinnenministers Dobrindt entgegen jeglicher Zusagen und gegen jeden Anstand afghanische Ortskräfte im Stich lässt oder unnötig hinhält, die vorher für die deutschen Streitkräfte vor Ort in Afghanistan eine Hilfe und von Wichtigkeit waren! Hier wird mit Leben und Sicherheiten gespielt, nur um für die Innenpolitik den starken Mann zu spielen.
Iniga von Schnurbein, München
Diese Schäbigkeit tut weh
„Afghanen in Hannover angekommen“: Was wie eine erfreuliche Nachricht eingelöster Versprechen klingt, ist nur der kleinere Teil der Geschichte. Vom größeren Teil der Geschichte wurde am Abend des Tages in der ARD-„Tagesschau“ berichtet: Die meisten der 2300 Afghanen und Afghaninnen und ihre Kinder, die bereits Aufenthaltszusagen bekommen haben, deren Erfüllung von deutschen Gerichten bereits bestätigt und mit der Anordnung von Zwangsgeld zur Ausführung angewiesen wurden, werden nach wie vor in ihrer Gefährdung hängen gelassen. Diese Schäbigkeit tut richtig weh! Die Vorstellung, dass ein demokratischer Staat mit christlich-sozialer Regierung so wortbrüchig wird, entsetzt im Blick auf die im Stich Gelassenen und empört im Blick auf uns und unsere Regierung. Als Pfarrerin füge ich an: Biblisch bleibt es dabei: Unsere Redlichkeit und unser Freveln werden gemessen an unserem Umgang mit den Fremden und den Benachteiligten. Ich wünsche mir laute, wirkmächtige Verbündete im Widerstand gegen die Schäbigkeit dieses Regierungsvorgehens, ich möchte nicht glauben, dass die Mehrheit unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen dieses Vorgehen schweigend duldet.
Brigitte Güntter, Villingen-Schwenningen
Eine unmenschliche Täuschung
Neben all den Problemen, die sich fürchterlich aufdrängen und nach Lösung schreien, scheint mir wenigstens eines doch etwas leichter und schneller lösbar: In Pakistan warten ungefähr 2000 afghanische Ortskräfte – längst sorgfältig sicherheitsüberprüft – auf ihre Ausreise in die BRD. Warum ist die Bundesregierung nicht in der Lage, das gegebene Versprechen eines Rechtsstaates unverzüglich und ohne Wenn und Aber zu erfüllen?
Ich finde es ungeheuerlich und nicht aushaltbar, wie hier mit Menschenschicksalen gepokert wird. Kein AfD-Wähler wird sich von dieser Unmenschlichkeit beeindrucken lassen, aber 2000 Menschen werden elendig getäuscht in ihrem Vertrauen in Recht und Demokratie. Was soll aus diesen Menschen werden?
Gerlinde Gropper, Aschau
Missachtung der Justiz
Die Missachtung der Justiz durch den Bundesinnenminister Dobrindt ist kein Einzelfall und hat Methode. Vorreiter bei dieser Zerstörung der Gewaltenteilung ist der amerikanische Präsident Trump. Nach dem Motto: Wenn dem nichts passiert, findet er eine zunehmende Zahl von Nachahmern. Mit Bundeskanzler Merz hat es in Deutschland begonnen. Im Wahlkampf kündigte er an, den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) gegen Netanjahu zu missachten. Er werde ihn nach Deutschland einladen und ihm freies Geleit garantieren.
Dem Kommentar von Constanze von Bullion ist es zu verdanken, dass der schändliche Umgang mit den afghanischen Ortskräften, richtig eingeordnet wird: „Deutschland hatte ihnen längst die Aufnahme rechtsverbindlich zugesagt.“ Zugesagt. Jetzt werden die Ortskräfte im Stich gelassen und von Pakistan zurück nach Afghanistan abgeschoben. Was das für ihr Schicksal bedeutet, ist der Bundesregierung egal. Sie ignoriert auch die Androhung eines Zwangsgeldes und begeht damit einen Rechtsbruch. Unsere Demokratie gerät in Gefahr, wenn die dritte Gewalt im Staat ignoriert und ausgeschaltet wird.
Rolf Baumann, Grafing
Verhältnisse à la Trump
Ich war mehr als 30 Jahre als Jurist in der Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen beschäftigt, zuletzt bei der Bezirksregierung in Köln verantwortlich für Ausländerangelegenheiten. Schon seit Längerem verfolge ich fassungslos die Berichterstattung darüber, dass sich die neue Bundesregierung offenbar nicht mehr an verbindliche Aufnahmezusagen für bedrohte Afghanen gebunden fühlt. Bisher bin ich lediglich davon ausgegangen, dass die inzwischen in Berlin Verantwortlichen, allen voran Herr Dobrindt, eiskalt darauf spekulieren, dass es den zumeist in Pakistan befindlichen, bedauernswerten Menschen in aller Regel de facto schlichtweg nicht gelingen wird, ihren Rechtsanspruch vor einem deutschen Gericht geltend zu machen, bevor es für sie zu spät ist. Das fand ich schon beschämend genug. Vollends fassungslos bin ich nunmehr zu lesen, dass die Bundesregierung allem Anschein nach noch nicht einmal gewillt ist, diesbezügliche Eilbeschlüsse von Gerichten umzusetzen. Ich hoffe hier auf ein schnelles Umdenken aller Verantwortlichen, sonst drohen uns hier schon bald amerikanische Verhältnisse à la Trump. Bernhard Gratzla, Regierungsdirektor a. D., Köln
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