Afghanistan:Der Politik fehlte der Mut

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Solange politische Vorgaben bewusst oder aus mangelnder Sachkenntnis nebulös oder unrealistisch bleiben, werden Einsätze wie in Afghanistan auch in Zukunft nicht nachhaltig sein. Was fehlte, waren Mut und Ehrlichkeit.

Die deutsche Beteiligung am Afghanistan-Einsatz wird einseitig auf die Bundeswehr eingegrenzt ("Weg ins Verderben", 30. September). Dadurch entsteht der Eindruck, dass nur das Verteidigungsressort und damit die Bundeswehr Aufgaben in Afghanistan hatten, wohingegen die deutschen Provincial Reconstruction Teams (PRT) von einer Doppelspitze aus Bundeswehr und Auswärtigem Amt geführt wurden. Der Auftrag dieser PRT, in Kundus nicht seit 2006, sondern schon von 2003/04 an, war sehr wohl bewaffnete Entwicklungshilfe und auch so in der Aufgabenverteilung abgebildet: Bundeswehr verantwortlich für Sicherheit, später auch für Ausbildung afghanischer Streitkräfte - die weiteren Aufgaben wie Aufbau polizeilicher, juristischer und wirtschaftlicher Strukturen lagen bei anderen Ressorts. Es sollte daher auch kritisch beleuchtet werden, welchen Umfang und Wirkung deren Engagement hatte.

Ferner sollte ebenfalls der Anspruch bestehen, den Primat der Politik nicht nur auf Rechte, wie die Entscheidung des Bundestags über die Erteilung militärischer Mandate, zu beschränken, sondern auch Pflichten hervorzuheben. So bedarf die Operationsplanung von Streitkräften genauer Vorgaben über den Einsatzzweck, den zu erreichenden Endzustand, und die zur Verfügung stehenden Mittel. Die Führungsgrundsätze der Nato setzen dies nicht nur voraus, sondern beinhalten auch ein Instrumentarium, mit dem der Zielerreichungsgrad und Fort- oder Rückschritte eines Einsatzes zu überwachen sind.

Solange aber politische Vorgaben bewusst oder aus mangelnder Sachkenntnis nebulös oder unrealistisch bleiben, wird auch in Zukunft jeder größere Einsatz sowohl beliebig richtig oder falsch als auch beliebig erfolgreich sein. Die Nachhaltigkeit militärischer Einsätze unter komplexen Rahmenbedingungen dürfte solange grundsätzlich ausbleiben. Hier bedarf es vielmehr Offenheit, Mut und Ehrlichkeit der Entscheider, verbunden mit umfassenderen Analysen zur Entscheidungsvorbereitung. Dr. Pascal van Overloop, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

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© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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