„Passt bloß auf“ und „Offene Flanke“, beide vom 2. Oktober, „Das Thüringen-Trauma“ und „Rechtsbruch mit Ansage“, beide vom 28. September und „’Was Sie betreiben ist Machtergreifung’“ vom 27. September:
Das ist erst der Anfang
Deutschland hat einen kleinen Schwenk Richtung „Weimarer Verhältnisse“ gemacht. Es reicht nicht, den lieben langen Tag rauf und runter zu erzählen, dass die AfD zum Beispiel in Thüringen nach der Beurteilung und Einschätzung des dortigen Landesverfassungsschutzamtes eine gesichert rechtsextremistische Partei ist, und dann lässt man die Eröffnungssitzung des neu gewählten Thüringer Landtags einfach auf sich zu kommen.
Wer denken wollte, der wusste doch, dass die AfD eine Verächtlichmachung des Thüringer Landtags geplant hatte. Das dann ein lautes Rufen nach der Beschädigung des Parlamentes durch Deutschland geht, das ist notabene die eine Seite. Wehrhaft bekämpft das aber nie und nimmer die Umtriebe der AfD. Im Gegenteil, es lädt zu einer noch größeren Verballhornung in der Zukunft auf.
Dr. Detlef Rilling, Wesseln
Warum gleich ein Trauma?
Der Alterspräsident Jürgen Treutler wollte das Vorschlagsrecht für die Wahl einer Landtagspräsidentin wahrnehmen, nichts weiter. Da die anderen Fraktionen ohnehin nicht vorhatten, diesem Vorschlag zu folgen, wollten sie die Geschäftsordnung ändern. In der AfD weiß man, dass man von vorneherein vom parlamentarischen Betrieb so weit wie möglich ausgegrenzt werden soll, und genau das war das Ziel dieser Änderung der Geschäftsordnung. Sicherlich bietet die AfD sehr viel Anlass zu Kritik, und ich wähle sie daher nicht, aber dass sie an der eigenen Ausgrenzung auch noch aktiv mitwirken soll, ist wohl ein wenig viel verlangt. Insofern kann ich die ganze Aufregung nicht so recht verstehen; weshalb das nun ein Trauma verursacht haben soll, erschließt sich mir nicht.
Jakob Weissbecker, Baldham
Destruktive Politik
Die Grünen hatten es geahnt, welche Probleme in der konstituierenden Sitzung auftreten können, und hatten daher im Dezember 2023 den Antrag gestellt, in die Geschäftsordnung zu schreiben, dass alle Fraktionen Landtagspräsidenten-Kandidaten vorschlagen können. Die CDU und die Linken lehnten den Antrag ab, da sie gern ablehnten, was von den Grünen kam. Ohne diese destruktive Politik wären die Grünen wohl im Landtag, was jetzt die Koalitionsbildung erleichterte.
Erhebungen über die Wählerwanderung zeigen, dass die Grünen Stimmen weit überwiegend an die CDU verloren. Jetzt sind die CDU, das BSW, die SPD und die Linken auf die von der bisherigen Parlamentspräsidentin hinterlassenen Tagesordnung und auf die Vorschrift angewiesen, dass Geschäftsordnungsanträge unmittelbar zu behandeln sind, was beides die AfD nicht anerkennt. Der Alterspräsident sieht sich als alleiniger Herr über die Geschäftsordnung.
Wolfgang Maucksch, Herrieden
Wie im Kindergarten
Leider ist es traurig und dazu auch noch wahr, genauer betrachtet ist es eine riesengroße Schande, nicht nur für Thüringen, sondern für ganz Deutschland! Da ging es ja in meiner Kinderzeit im Kindergarten, auch wenn das schon lange her ist, viel disziplinierter zu. In den Landtag zu Erfurt wurden diese, hier aus Rand und Band geratenen Abgeordnete, gewählt, um sich wie zivilisierte Menschen zu benehmen. Diese Volksvertreter sollen die Thüringer vertreten, aber sie benehmen sich nur wie die Axt im Walde, sie beherrschen nicht mal das kleine „Einmaleins“ des guten Tons.
Es soll zwar im Landtag eine Geschäftsordnung geben, also eine Art Leitfaden, was zu tun oder zu lassen ist, aber das scheint dort wirklich niemanden so ganz richtig zu interessieren und zu stören. Es wird durcheinandergequasselt und geplärrt, das einem Hören und Sehen vergeht, weitaus schlimmer als in den Talkshows. Mein Gott, vergib diesen „armen“ Menschen, denn sie scheinen nicht zu wissen, was sie damit gerade der Demokratie antun!
Klaus P. Jaworek, Büchenbach
Unsere Demokratie schützen
Sonja Zekri ist sehr zu danken für die warnenden Worte vor der „Offenen Flanke“ unseres Parlamentarismus, insgesamt unserer Demokratie. Es bleibt ergänzend daran zu erinnern, dass StaatsbürgerInnen und damit WählerInnen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten haben. Dazu gehört zuallererst die Pflicht, Verantwortung für unser demokratisches Gemeinwohl zu übernehmen. Das bedeutet mehr, als Steuern zu zahlen. Darin enthalten sind die Pflichten, sich für unseren Staat, beruhend auf Grundgesetz und Parlamentarismus, zu engagieren, sich gründlich zu informieren und zu bilden, einen demokratischen Meinungsaustausch zu pflegen, das Wohl der nächsten Generation zu achten und vieles mehr. Wer sich dazu nicht bequemen kann und will, hat erst recht keinen Anspruch darauf, seine Wählerstimme zu einem „Volkswillen“ zu stilisieren. Die Rechte von Wählern, die ihren demokratischen Pflichten nicht nachkommen, sollten uns nicht davon abhalten, unsere Demokratie vor einer Partei zu schützen, die unseren Parlamentarismus abschaffen will und das Grundgesetz trotz wohltönenden Parteiprogramms missachtet.
Dr. Ulrike Laufer, München
Ich möchte nicht...
Was sich im Landtag in Thüringen mit dem Alterspräsidenten der AfD, Jürgen Treutler, abspielte, ist so erschreckend und gibt einen Vorgeschmack auf das, was uns in diesem Land blühen wird, sollte, der AfD wirklich „die Machtergreifung“ (CDU-Abgeordneter Andreas Bühl) glücken. Macht an sich muss ja nicht negativ sein und kann viel Gutes bewirken, wenn sie das Gute zum Ziel hat. Aber diese Machtdemonstration dieses AfD-Alterspräsidenten zeigt: Ihm geht es darum, die Macht zu ergreifen, um Andersdenkende mundtot und handlungsunfähig zu machen.
Es gibt inzwischen ja – vielleicht sogar wohlmeinende – Stimmen, die zu Bedenken geben, dass man den Wählerwillen von 30 Prozent der Wähler nicht ignorieren könne, weil diese Wähler nur ihrer Unzufriedenheit mit manchen Dingen Ausdruck verleihen. Nun, ich wage zu bezweifeln, dass die meisten dieser Wähler sich bewusst sind, was sie da in ihrer unreflektierten Unzufriedenheit gewählt haben. Und ich bezweifle, dass sie die erklärten Wahlziele der AfD kennen. Ganz davon abgesehen, dass die AfD nicht ein einziges ihrer Probleme wird lösen können. Dabei geht es mir nicht um mich. Ich bin gebürtige Deutsche und so alt, dass ich eine Diktatur in unserem Land überstehen werde, wenn ich meinen Mund halte. Es geht mir um meine Kinder und Enkel, denen ich eine Diktatur ersparen möchte. Sie sind gewohnt, dank des Kampfes unzähliger Vorfahren, die für Freiheit und Demokratie gekämpft haben und dafür oft genug mit ihrem Leben bezahlen mussten, ihre Meinung äußern zu dürfen und in einem Wohlstand zu leben, der ihnen auch dann noch ihr Auskommen sichert, wenn sie ein paar Abstriche werden machen müssen.
Ich möchte auch nicht, dass in Zukunft mein Nachbar irakischer Herkunft, fleißiger Beitragszahler in unsere Steuer- und Sozialsicherungskassen und Familienvater, Frau und Kinder wird verlassen müssen, weil er „remigriert“ wird, ebenso wenig der Vater – People of Colour – einer der Kinder in dem von mir geleiteten Kinderchor. Ich möchte auch nicht, dass wie im Dritten Reich, deren deutsche Ehefrauen dafür geächtet werden, dass sie einen „unerwünschten“ Mitmenschen geheiratet haben. Ich wünsche auch den deutschen Pflegekräften im Altenheim, in dem ich ehrenamtlich tätig bin, nicht, dass sie auf die vielen Mitarbeiter verzichten müssen, die einen Migrationshintergrund haben, weil sie dann das Pensum überhaupt nicht mehr schaffen würden. Den alten Menschen im Heim wünsche ich das ebenfalls nicht. Ich möchte auch nicht, dass Firmen unser Land verlassen, weil sie nicht genehm sind oder weil sie hier nicht genügend Fachkräfte finden. Und ich hoffe, dass die nicht geschichtsvergessenen Wähler in künftigen Wahlen die Firmen davor bewahren können, dass in ihnen zukünftig – nicht qualifizierte – Regimetreue das Sagen haben werden, wie in der DDR oder im Hitlerfaschismus. Dasselbe gilt für unsere Verwaltung.
Ich möchte daran erinnern, auch 1933 haben gerade in den mittel- und ostdeutschen Gebieten weitgehend über 40 Prozent die NSDAP gewählt. Wollen wir im Nachhinein wirklich argumentieren, dass es damals gut war, den Wählerwillen zu berücksichtigen? Die Tatsache, dass viele junge Wähler ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, ist auch nichts Neues in der Geschichte. Viele junge Menschen, die 1933 allerdings noch nicht wählen durften, waren begeistert von der Hitlerjugend – und nicht wenige haben sich später dafür geschämt. Es ist hohe Zeit, dass diejenigen, die jetzt noch Macht und Entscheidungsbefugnisse haben, das Verbot der AfD in die Wege leiten. Es geht nicht darum, den Wählerwillen zu ignorieren, sondern darum, diese 30 Prozent der Wähler vor sich selbst und die anderen 70 Prozent vor ihnen und den gewählten Demokratiefeinden zu schützen!
Elisabeth Wandel, Trogen
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