Süddeutsche Zeitung

AfD:Das hat der Humanist Erasmus nicht verdient

Durch die Desiderius-Erasmus-Stiftung finanziert sich die AfD. SZ-Leser bewerten, inwieweit der Name und auch andere Parteistiftungen sinnvoll sind.

Zu "Braune Narrheit" vom 16./17. Oktober:

Erasmus gekapert

Danke für die klare Sprache Heribert Prantls zur Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD. Es treibt mich schon lange um, dass die Rechtsaußenpartei den Namen des pazifistischen, kosmopolitischen Humanisten Erasmus gekapert hat, wohl um sich den Anschein einer bildungsbürgerlich-konservativen Partei zu geben. Sie sollte sich die Klage des Friedens (Querela Pacis) vor Augen halten. Dort klagt der personifizierte Friede über das Klima seiner Zeit: "Der Engländer ist der Feind des Franzosen, aus keinem anderen Grund, als weil er Franzose ist. Der Schotte ist dem Briten Feind, aus keinem anderen Grund, als weil er Schotte ist. Der Deutsche ist dem Franzosen Feind, der Spanier beiden." Die Namen sind austauschbar. Und sie sollte sich die Aussage des Humanisten zu eigen machen, der von sich in seinem Brief an Zwingli im Jahr 1522 schrieb: "Ego mundi civis esse cupio." "Ich wünsche, ein Weltbürger zu sein."

Dr. Herbert Kraume, Merzhausen

Mit zweierlei Maß

Herr Prantl räsoniert über die Parteistiftungen, besonders aber über die der AfD, die nun rechtmäßig auch Geld bekommen müsste - wie alle anderen. Er fragt nicht, ob deren Geld immer so ganz idealistisch ausgegeben wird und wurde. Herr Prantl weint Krokodilstränen, weil die Gründerväter nicht mehr dabei sind: "Die AfD fraß ihre Kinder." Dass die Medien daran Schuld tragen, sagt er nicht. Viele erinnern sich noch, wie die untadeligen Gründerväter in den Medien als Nazis niedergemacht wurden. Absurd bei einem Lucke und anderen, die einfach den Euro- und Europawahn bekämpfen wollten. Absurd auch bei Frauke Petry. Komisch nur, dass Prantl in der Linkspartei nur Superdemokraten sieht, keine Linksradikalen und Kommunisten findet. Und die stecken die Staatsknete seit vielen Jahren gerne für ihre Rosa-Luxemburg-Stiftung ein. Gegenwärtig wird beklagt, dass die Union unter Merkel entkernt wurde wie nie zuvor. Was stimmt. Unter Franz-Josef Strauß hätte sich eine rechtskonservative Partei nie etablieren können. Und es gelang ja auch keiner.

Konrad Hopf, Lindenberg

Humanistischer Hofnarr

Es ist nicht abwegig, dass die AfD für ihre parteinahe Erasmus-Stiftung den Namen der historischen Gestalt Erasmus von Rotterdam verwendet. Wie der Pazifist Stefan Zweig treffend in seiner Rezension über den niederländischen Gelehrten des Mittelalters ausführt, hüpft der große Humanist in das Gewand eines Hofnarren, um Lügen verbreiten zu können, ohne auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden.

Sowohl der "Menschenfreund" des Humanismus als auch die Rechtsradikalen sind aus der Zeit gefallen: Der Theologe vor 500 Jahren lügt, um nicht vom Kaiser Karl V. oder Papst Leo X. als vogelfrei erklärt zu werden, und die braune Meute hat versucht, die Flüchtlingskrise 2015 auszuschlachten, um an die Macht zu kommen. Insofern ist der Gelehrte des Renaissance-Humanismus - anders als von Heribert Prantl behauptet - sehr wohl ein Vorläufer der neuen Rechten, Identitären und Rassisten gewesen.

Andererseits hatten es Respekt, Toleranz und Friedensliebe gegen Ausgrenzung, Hass und Antisemitismus in der Geschichte der Menschheit schon immer schwer.

Winfried Rebitzer, Mering

E-raus-mus

Die neue Zweck-Ampel-Koalition könnte sich erste Lorbeeren verdienen, indem sie das schon seit gut drei Jahrzehnten fällige Transparenzgesetz der Stiftungsfinanzierung der Parteien auf den Weg bringt. Dass die AfD den Humanisten Erasmus zum E-raus-mus missbraucht, muss stante pede gestoppt werden! 70 Millionen könnten schon mal problemlos gespart werden. Bei Finanzierungen der anderen Stiftungen könnten auch so manche Millionen eingespart werden, indem man üppige Stipendien, zum Beispiel bei Abbruch der Studien und Dissertationen, runterfährt. Danke, dass Heribert Prantl das "Lob der Torheit" des Erasmus auf 2021 aktualisiert und somit vielleicht die vielen inhuman ausgegebenen Millionen auf eine humane Schiene bringt.

Christa Horlitz, Wilhelmshaven

Demokratisch gewählt

Der Unterzeichner ist weder ein Freund der AfD noch einer solchen Arroganz, die Prantls Meinung in dem Beitrag kennzeichnet. Herr Prantl muss es einfach hinnehmen, dass die Partei (noch) nicht verboten ist, und deswegen auch im Bundestag sitzt, und zwar als fünftstärkste Partei mit nur neun Sitzen weniger als die FDP. Es ist ihm deswegen auch nicht erlaubt zu monieren, dass diese Partei in Thüringen und Sachsen die stärkste Partei bei der jetzigen Bundestagswahl geworden ist. Und wenn die verschiedenen Koalitionen - gerade auch im ganz eigenen Interesse - in der Parteienfinanzierung "die Zügel haben schleifen lassen", dann ist es eben der nicht verbotenen Partei auch erlaubt, einen Teil des "Geldsegens" für sich zu beanspruchen - unter welchem Deckmantel auch immer.

Selbstverständlich widerspricht es den grundgesetzlichen Regeln der Parteienfinanzierung, mithilfe der politischen Stiftungen "Schmarotzer" zu etablieren. Dies durchschaut nicht nur "Lieschen Müller" nicht, sondern auch die meisten Bundesbürger nicht. Jedes Volk hat eben das Parlament, das es sich verdient hat. Und Prantl sollte sich damit trösten, dass die AfD sicherlich mittelfristig dasselbe Schicksal erleiden wird wie die Linke - nämlich weniger als fünf Prozent.

Christoph Berger, Bonn

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Quelle:
SZ vom 04.11.2021
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