Abtreibungsdebatte:Schwierige Moderation zwischen zwei Leben

Zu laute Rufe nach dem reinen Selbstbestimmungsrecht der Frau finden nicht alle Leser gut. Schließlich gehe es um Fremdbestimmung - für ungeborenes Leben, so der Tenor einiger Briefe.

Foto für die Forumseite vom 27.2.2019

Demonstration gegen das Werbeverbot zu Schwangerschaftsabbrüchen: Der Bundestag hat kürzlich Lockerungen zum § 219a beschlossen, Ärzte dürfen nun zum Beispiel auch im Internet darüber informieren, dass sie grundsätzlich Abtreibungen vornehmen.

(Foto: imago/IPON)

Zu "Genug ist genug!" vom 23./24. Februar und "Wo Geld nötig wäre" vom 12. Februar:

Konsultationsgebot ohne Kirche

Kein vernünftiger Mensch wird bestreiten können, dass die Emanzipation des weiblichen Geschlechts im Geiste der Aufklärung angelegt und in der modernen Rechtsphilosophie absolut begründet ist. Allerdings stoßen in der Frage der Verfügung über werdendes menschliches Leben Rechtsgüter-Abwägungen scharf aufeinander. Mit absolutistischen Thesen wie "Ich bestimme über meinen Körper allein" oder der Forderung nach einem generellen Abtreibungsverbot ist hier den individuellen Problemlagen überhaupt nicht gedient. Das Differenzial unterschiedlicher Rechtsgüter - auf der einen Seite Autonomie der Frauen, auf der anderen Seite zu schützendes werdendes Leben - lässt sich durch ein Konsultationsgebot, dies aber obligatorisch, regeln. Die Kirchen haben aber in dieser Konsultationsfrage eher nichts zu suchen. Es handelt sich letztlich um die notwendige Moderation der Gemütslage einer Frau in einem schwierigen persönlichen Umfeld, ob sie ein Kind austragen will oder nicht. Vor diesem Hintergrund ist der Beitrag von Jagoda Marinić über-emanzipativ. Ein absolutes Recht auf Abtreibung kann es nicht geben, ein reales schon, wenn Lebensumstände es dringend erfordern.

Sigurd Schmidt, Bad Homburg v. d. H

Es geht um Fremdbestimmung

Genug ist wirklich genug! Wann hört es endlich auf, dass Frauen in der Debatte um Abtreibungen unter falscher Flagge segeln? Natürlich darf man in einer pluralistischen Gesellschaft dafür sein, dass die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche freigegeben wird, und sogar dafür, dass Frauen ganz alleine entscheiden, ob ein ungeborenes Kind getötet wird. Aber die Lauterkeit und moralische Begründetheit solcher Forderungen muss ernsthaft bezweifelt werden, wenn dafür immer und immer wieder völlig zu Unrecht das Selbstbestimmungsrecht der Frau als Argument bemüht wird. Gefordert wird hier ein Fremdbestimmungsrecht, eben gerade nicht über sich selbst, sondern über ein anderes Lebewesen, über dessen Wohl und Wehe. Wer die Rechte der Frau gegen die des Ungeborenen durchsetzen und dabei glaubhaft auftreten will, der muss die Courage haben, zu seinen wahren Zielen zu stehen.

Prof. Dr. Thomas Pollmächer, München

Noch mehr Verharmlosung

In Deutschland werden grüne Kröten mit großem Geschrei über die Straße getragen, hingegen unzählige ungeborene Kinder still und lautlos abgetrieben beziehungsweise getötet. Mit "Werben durch Informieren" werden nun das Töten von ungeborenem Leben gutgeheißen und die blutigen Geschäftsmodelle zur Gewinnmaximierung gefördert. Der neue Paragraf bringt noch mehr Verharmlosung durch sinnentstelltes Vokabular und unterschlägt weiterhin Daten zur Erfassung von Folgeschäden. Schwangerschaft ist für den Staat eine Art "Krankheit" und wird mit Finanzmitteln aus den Krankenkassen "behandelt". Abtreibung ist nicht mehr die Tötung eines Kindes, sondern "Entfernen des Schwangerschaftsgewebes"! Mütter brauchen nicht noch mehr Verschleierung und Desinformationen, denn sie wissen es häufig besser und fragen oft nach der Abtreibung: "War es jetzt ein Junge oder ein Mädchen?" Krankheitserscheinungen nach Abtreibungen werden verschwiegen und finden sich deshalb auch nicht in der Gebührenordnung von Ärzten wieder, sodass keine Abrechnung möglich ist.

Eugen Fleischer, Kißlegg

Schwanger ist nicht krank

Ihr kluger Kommentar zur geplanten Langzeitstudie über die psychischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen sollte mit großer Besetzung orchestriert werden, um die Büros des Gesundheitsministers Spahn und seiner geflissentlichen Mitarbeiter Tag und Nacht zu beschallen in der Hoffnung, dass Ihre Argumentation über kurz statt lang Wirkung zeigt. Auf das Seelenleid ungewollter Kinder, die ihren Platz im Leben nicht finden können, sollte sich die Aufmerksamkeit des Ministers richten. Nicht die Untersuchung von Scheinproblemen, sondern die Behebung katastrophaler Zustände ist gefordert: Der Hebammennotstand führt zur Pathologisierung der Schwangerschaft. Ärzt*innen neigen zur Bevormundung der Schwangeren, statt auf deren Bedürfnisse einzugehen. Zeitpunkt und Ablauf der Geburt unterliegen der reduzierten Personaldecke in den Krankenhäusern. Kräftig wird das Damoklesschwert möglicher Risiken geschwungen, um die Frauen zur Geburtseinleitung zu bewegen. Wohlversorgt von einer Hebamme konnte ich in den 80er-Jahren in Ruhe drei Wochen abwarten, bis "es so weit war". Meine Tochter findet keine Hebamme, die technikaffine Gynäkologin listet vor allem Ge- und Verbote auf, das Geburtshaus ist ausgebucht, die Klinik drängt auf schnelle Geburt. Es ist fast ein Wunder, dass sich junge Frauen heutzutage noch so zahlreich aufs Kinderbekommen einlassen.

Katharina Möller, Bimbach

Neutrale Begriffe verwenden

Dem Artikel "Wo Geld nötig wäre" kann ich unbedingt zustimmen, aber die Bezeichnung "Abtreibung", die die SZ immer wieder mal verwendet, treibt mich zum Protest. Dieses Wort ist durchaus negativ konnotiert und wird vor allem von den sogenannten Lebensschützern verwendet. "Schwangerschaftsabbruch" ist der sachliche, neutrale Begriff, der von der Justiz, der Medizin und in den staatlich anerkannten Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen verwendet wird. Ich wäre dankbar, wenn die SZ sich daran gewöhnen könnte.

Ingrid Fürchow, Rödelsee

Einseitige Beratung

Was hier von Herrn Spahn als wissenschaftlich deklariert wird, muss per se irreführen. Ist sein "Spahnsern" nicht Sponsern aus ideologischen Gründen? Die angedachte Untersuchung muss zwangsläufig Halbrichtiges suggerieren, weil sie einseitig bleibt. Korrekt und zugleich fair wäre, dass die Folgen unter beiden Aspekten analysiert würden, nämlich den durchgeführter, aber auch den wegen mangelhafter Beratung unterlassener Schwangerschaftsabbrüche. Es ist unredlich, die Leiden unerwünschter Kinder nicht mit in Betracht zu ziehen, wenn man aufrichtig beraten möchte.

Eva Matern-Scherner, Hösseringen

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