Elektrokrampf-Therapie:Aufpassen auf Risiken und Nebenwirkungen

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EKT steht für Elektrokonvulsionstherapie, mit Stromstößen werden dabei Depressionen behandelt. Die positive Darstellung des SZ-Autors fand bei SZ-Lesern ein überwiegend kritisches Echo.

Elektrotherapie in den Anfängen: Mit solchen Geräten wurden im Ersten Weltkrieg Kriegszitterer behandelt. Heute gibt es Strom-Anwendungen unter anderem in der Psychiatrie, die nicht unumstritten sind. (Foto: Christina Kiefer)

Zu "Unter Strom" vom 6. April:

"Millicoulomb", das klingt geradezu niedlich, so als würde man die Batterie eines Hörgeräts anfassen. Doch dann bekommt die "71-Jährige einen Krampfanfall". So harmlos kann der Wechselstrom also gar nicht sein. Der entscheidende Satz zu Elektroschocks (seit Jahren als "EKT" = Elektrokonvulsionstherapie oder Elektrokrampftherapie verharmlost) steht jedoch in der letzten Spalte: "Was nun genau in ihrem (dem der Patientin) Gehirn passiert ist, darüber weiß man heute fast genau so wenig wir vor 80 Jahren." Aha. Die Damen und Herren Psychiatrie-Praktizierenden verabreichen ihren Patienten also eine so genannte Therapie, von der sie selber nicht wissen, was sie mit Leuten macht. Unwissenschaftlicher kann man nicht vorgehen.

Stephan Gebhardt-Seele, München

Mit "Zwischen 50 und 90 Prozent Erfolgsquote" wird ganz lässig eine statistische Ungenauigkeit von 80 Prozent des unteren Wertes formuliert - so einer Statistik kann man mit hoher statistischer Wahrscheinlichkeit auch sonst einiges zutrauen. Zudem wird die Statistik sicher nicht nur von dem einen mir berichteten Fall verfälscht, in dem eine Patientin nur deshalb eine erhebliche Besserung vorgegeben hat, um die von ihr als verheerend empfundenen Nebenwirkungen nicht durch künftig noch vorgesehene zusätzliche EKT-Anwendungen weiter zu verschlimmern.

Nicht mehr zu wissen, was man vorhin besprochen oder gestern Abend gemacht hat, ob man sich in der eigenen Stadt noch auskennt oder woher man die beste Freundin eigentlich kennt, verunsichert ohnehin labile Patienten in katastrophalem Ausmaß. Und was bedeutet es dann, dass die Gedächtnisstörungen angeblich "nicht lange andauern"? Wenn ein Patient noch Jahre nach der Behandlung im eigenen Haus immer und immer wieder im falschen Zimmer steht, weil er einfach das verlorene Wissen nicht mehr zurückerlangt, welche Tür in welchen Raum führt, dann wäre es schon interessant zu wissen, was hier als kurz und was als lang bewertet wird.

Ohne verlässliche statistische Grundlage kann und will ich nicht abstreiten dass vielleicht auch positive Erfolge erzielt worden sind, aber dass auch eine 50:50-Chance besteht, erfolglos behandelt zu werden, also eventuell nichts als Nebenwirkungen davonzutragen, die einem depressiven Menschen vielleicht den letzten Lebenswillen nehmen, sollte seriöser dargestellt werden.

Franz Wimmer, München

Der Autor schreibt, dass durch die EKT, also die Auslösung eines künstlich erzeugten epileptischen Anfalls, "vermehrt Nervenwachstumsfaktoren gebildet werden" - eine schräge Theorie. Liegt es nicht näher, dass durch den Krampfanfall Schädigungen des Gehirns resultieren? Von denen ja Patienten etwa anhand von massiven Gedächtnisstörungen berichten, die in einem Nebensatz mit einem lapidaren "dauern nicht lange an" abgetan werden. Wie kann man, gegen Kritiker gewandt, schreiben, dass "weiterhin Vorurteile und Unwissenheit das Bild der EKT bestimmen", wenn später im Text genau diese medizinische Unwissenheit als bis heute gegeben angeführt wird? Bevor die Psychiatrie so stark invasiv ins Gehirn eindringt, sollte sie klären, was die Ursachen von Depressionen sind. Das weiß sie nämlich bis heute nicht.

Dipl.-Psych. Jürgen Karres,Landsberg am Lech

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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