Zukunft der Arbeit:Wissensmanager gesucht

Werden wir in Berufen arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt?

Sylvia Englert

(SZ vom 14.4.2001) Dass viele Unternehmen nicht wissen, was sie alles wissen, ist schon fast eine Binsenweisheit. Jetzt versuchen sie, etwas dagegen zu unternehmen. "Wir werden immer größer und internationaler. Wenn da niemand aufpasst, werden Aufgaben doppelt und dreifach erledigt", sagt Isabelle Droll vom Touristikkonzern TUI in Hannover, wo sie die im Februar 1999 gegründete Abteilung für "Knowledge Management" leitet. Sie ist eine derjenigen, die darauf achten, dass Wissen effizient eingesetzt wird. Ihr Beruf: Wissensmanagerin.

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Mitarbeiterin in einem Call-Center

Neue Berufe wie der Knowledge Manager sind ein Symptom für den gesellschaftlichen Wandel. Schon jetzt arbeiten viele Menschen in Berufen, die es vor wenigen Jahren noch nicht gab. "Allein im Bereich Marketing und Vertrieb sind aus dem Arbeitsmarkt heraus rund 60 neue Berufsbilder entstanden", fasst Peter Schütz, Professor an der FH Hildesheim und Experte für neue Berufe, zusammen. Internet und Computerwelt haben ihrerseits rund 50 davon beigesteuert, vom Screen Designer bis zum E-Commerce-Manager. Auch bei den Lehrberufen rumorte es: Während man die neuen Ausbildungen in den Jahrzehnten zuvor fast an einer Hand abzählen konnte, wurden von 1996 bis 2000 in der Bundesrepublik allein 37 staatlich anerkannte Berufe geschaffen.

Längst nicht alle neuen Berufsbilder sind in der bunten Welt der Multimedia enstanden. Auch in den Bereichen Finanzen, Gesundheit und Ökologie kann man Berufen begegnen, die bei den meisten Leuten bislang nur fragendes Staunen hervorrufen. So zwingt der Kostendruck das Gesundheitssystem und die Forscher, effizienter zu arbeiten und moderne Managementmethoden einzuführen. Prompt entstanden Stellen für Gesundheitsmanager, die bei Krankenkassen und Gesundheitsdienstleistern arbeiten, und Forschungsmanager, die Wissenschaftler beraten und Forschungen koordinieren. Ein Kind des Börsenbooms der letzten Jahre ist der Investor Relations Manager, der potentielle Aktienkäufer berät und Kontakt zu Analysten hält. Nicht zuletzt bereichern Impulse aus der Joblandschaft anderer Länder die bunte Palette der neuen Berufe. "Wir in Deutschland sind Weltmeister im Import von Berufen aus den USA, viele Entwicklungen werden dort im Mutterland des Marketing vorgelebt und dann bei uns eingeführt", erklärt Peter Schütz. "Vorreiter sind dabei die großen Konzerne. In der Regel haben sie eine globale Perspektive und sind eher von weltweiten Trends betroffen."

Ist erst einmal ein neuer Beruf aus der Ursuppe des Arbeitsmarkts entstanden, entwickelt er sich rapide. Irgendwann - niemand kann den Zeitpunkt genau benennen - suchte einmal jemand einen Mitarbeiter, der sich um die Inhalte auf einer Website kümmern sollte, und dachte sich dafür die Bezeichung Content Manager aus. Heute, etwa zwei Jahre später, ist der Beruf in Internet-Firmen gang und gäbe. Nicht selten sind solche Trendberufe eng verknüpft mit Business-Moden, auf die jeder setzen möchte, weil es das heiße Thema von morgen zu werden verspricht. Einmal ist Data Mining das Zauberwort, dann ist auf einmal E-Commerce in aller Munde, zurzeit ist es Wissensmanagement. Manche der neuen Berufe setzen sich durch, einige werden sogar wie der Call-Center Agent zu Massenberufen, andere gedeihen in einer engen Nische des Arbeitsmarkt oder verschwinden nach wenigen Jahren wieder. Auch so mancher alte Beruf stirbt aus oder wird zu einem seltenen Pflänzchen.

Wird das so weitergehen, entstehen und verschwinden weiterhin in rasendem Tempo neue Berufe?

Laut Franz Egle, der an der FH Mannheim Arbeitsmarktpolitik lehrt, wird sich diese Entwicklung sogar noch beschleunigen. "In zehn bis fünfzehn Jahren werden 90 Prozent aller klassischen Büroarbeitsplätze in den USA verschwunden sein. Sekretärinnen, Buchhalter und viele andere Backoffice-Berufe sterben aus", prophezeit Zukunftsforscher Matthias Horx in 2000X, dem Newsletter seines Instituts. "Die Folge: Komplexere Arbeitsfelder und Berufsbilder mit hohem Dienstleistungsfaktor entstehen."

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