Zukunft der Arbeit:Wie Maschinen den Menschen überflüssig machen

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Angst um den Arbeitsplatz:Viele Menschen befürchten, dass die Automatisierung der Arbeitswelt sie überflüssig macht. Bislang war diese Sorge unbegründet - aber künftig könnte sie berechtigt sein. Lediglich manche Berufe bleiben davon unberührt.

Nikolaus Piper

Auf dem Weg zum Jupiter läuft die Maschine Amok. Der Computer HAL 9000, von Menschen so konstruiert, dass er keine Fehler machen kann, beginnt plötzlich ein gefährliches Eigenleben: Er meldet Fehlfunktionen, wo keine sind und gefährdet so die gesamte Mission; an Bord des Raumschiffs Discovery bricht ein mörderischer Kampf aus. Dieser Kampf zwischen HAL 9000 und dem Astronauten David Bowman aus Stanley Kubricks Film "2001 - Odyssee im Weltraum" gehört zu den klassischen Sequenzen der Kinogeschichte. Er symbolisiert auf geniale Weise eine uralte Angst des Menschen - dass seine Produkte ihn eines Tages beherrschen oder ganz überflüssig machen.

Die Automatisierung der Arbeitswelt schreitet unaufhörlich voran. Bis der Mensch Teil der Maschine wird? (Foto: dpa)

Kubrick drehte seinen Film 1968. Heute, über 40 Jahre später grassiert die Angst mehr denn je. Die Maschine könnte, wenn uns schon nicht versklaven, so doch unsere Arbeitsplätze bis auf kümmerliche Reste zerstören. Anlass dieser Angst ist die digitale Revolution, die die Verhältnisse auf der Welt so rasant verändert, dass viele Menschen bei dem Tempo nicht mithalten können.

Der amerikanische Computerwissenschaftler und Software-Unternehmer Martin Ford veröffentlichte ein Buch mit einer wahrhaft furchterregenden Perspektive: Die Leistungsfähigkeit der Computer wachse so schnell, so behauptet er in "The Lights in the Tunnel", dass sie irgendwann selbstgenügsam werden und ohne Menschen funktionieren.

Das Ergebnis: 75 Prozent Arbeitslosigkeit noch in diesem Jahrhundert. Im Jahr 1995, als die meisten Menschen noch nicht wussten, was das Internet ist, hatte der amerikanische Außenseiter-Ökonom Jeremy Rifkin das "Ende der Arbeit" vorausgesagt. Der Ingenieur und Zukunftsforscher Ray Kurzweil prophezeit sogar einen Zustand, den er "Singularität" nennt. Der technische Fortschritt wird so schnell, dass er sich selbst nährt: Maschinen bauen Maschinen, die immer besser werden, der Mensch wird zum Teil der Maschine.

Die Spekulation über das nahe Ende der Arbeit ist eine Sache von Ingenieuren, Zukunftsforschern, Philosophen und Science-Fiction-Autoren. Die Zunft der Ökonomen bleibt davon, mit wenigen Ausnahmen, unberührt. Der Grund ist einfach: Die These vom Ende der Arbeit durch Automation - welcher Art auch immer - ist in über 200 Jahren Wirtschaftsgeschichte eindrucksvoll widerlegt worden. Maschinen haben zwar immer wieder Berufe verschwinden lassen. Aber im Endeffekt hat die gestiegene Arbeitsproduktivität dazu geführt, dass die Produkte billiger und besser wurden, dass die Löhne stiegen und neue Arbeitsplätze an anderer Stelle entstanden.

Zum Beispiel in den frühen Jahren der Industrialisierung in England. Im Jahre 1811 organisierte ein Mann namens Ned Ludd in Nottingham Textilarbeiter um die neuen mechanischen Webstühle und Baumwollspinnereien zu zerstören, die, so glaubte Ludd, am Elend der Arbeiter Schuld waren, weil sie traditionelle Arbeitsplätze für Weber zerstören und deren Löhne drückten. Die Bewegung der "Maschinenstürmer" wurde so mächtig, dass die Regierung sie mit militärischen Mitteln niederschlug und unzählige Ludditen hinrichtete oder deportierte.

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Jeder will einen guten Job - auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Doch wer in Zukunft eine feste Stelle sucht, sollte die richtige Ausbildung haben. Zehn Berufsfelder mit Perspektive.

Tatsächlich lagen die Ludditen falsch; Ökonomen sprechen heute vom "Ludditischen Trugschluss". Die Mechanisierung der Textilindustrie war die Voraussetzung dafür, dass praktische Baumwollkleidung zum billigen Massenprodukt wurde, die erhöhte Produktivität schuf Wohlstand.

Der Ökonom Hilmar Schneider von Institut Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn, nennt ein anderes Beispiel: Früher wurden Lasten auf Kanälen mühsam von Treidelknechten gezogen, die auf Treidelpfaden am Ufer entlang gingen. Die Einführung des Schiffsmotors zerstörte den Beruf des Treidelknechts. "Würden wir heute noch treideln, könnte man damit allein damit über 15 Millionen Vollzeitarbeitsplätze schaffen. Wir hätten bloß keine Zeit mehr, das was getreidelt werden soll, zu produzieren."

Den Zusammenhang zwischen Automatisierung und Massenkaufkraft machte sich der Autopionier Henry Ford zunutze. Ford führte in seinen Fabriken die Fließbandarbeit ein; sie war für die betroffenen Arbeiter stumpfsinnig und oft brutal. Aber Ford verdoppelte auch die Löhne und verkürzte die Arbeitszeit auf acht Stunden. Seine Arbeiter sollten sich seine Autos leisten können. "Autos kaufen keine Autos", sagte Ford.

Trotzdem wuchsen immer wieder Zweifel daran, ob diese Wohlstandsmaschine wirklich immer weiter funktionieren konnte. Ein Beispiel ist der Ökonom John Maynard Keynes. 1930 veröffentlichte Keynes seinen Essay "Ökonomische Chancen für unsere Enkel" ("Economic Possibilities für ou Grandchildren"). Darin heißt es: "Wir haben es mit einer neuen Krankheit zu tun, von der viele Leser noch nicht einmal den Namen kennen, von dem sie aber in den kommenden Jahren viel hören werden: technologische Arbeitslosigkeit. Gemeint ist damit eine Arbeitslosigkeit, die dadurch entsteht, dass unsere Möglichkeiten Arbeit einzusparen, schneller zunehmen als wir neuen Gebrauch für Arbeit finden." Keynes' Rezept war Arbeitszeitverkürzung: Drei-Stunden-Schichten und 15-Stunden Arbeitswoche.

Bis jetzt hat sich diese technologische Arbeitslosigkeit immer nur für kurze Zeit nachweisen lassen, irgendwann führte der technische Fortschritt immer zu neuen Produkten und zu neuen Jobs. Die große Frage lautet: Ist es diesmal anders? Löst die digitale Revolution die lange befürchtete technologische Arbeitslosigkeit aus? Martin Ford sagt ja und belegt dies mit "Moore's Gesetz". Der Mitbegründer von Intel, Gordon Moore, hatte bereits 1965 postuliert, dass sich die Leistungsfähigkeit integrierter Schaltkreise alle 18 bis 24 Monate verdoppeln werden, aus heutiger Sicht eine erstaunlich akkurate Voraussage. Ford verallgemeinert Moore's Gesetz jedoch: Die Leistungsfähigkeit der Technik insgesamt verdoppelt sich alle zwei Jahre. Er fragt: "Kann eine Maschine bis in alle Zeiten immer besser werden, ohne eines Tages autonom zu sein?"

Tatsächlich hat die digitale Revolution die Arbeitsmärkte in vielen Ländern auf brutale und unerwartete Weise umgewälzt. Nach einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von 2006 hat Automatisierung zum Verlust von mehr IT-Jobs in Industrieländern geführt als die Verlagerung in Billiglohnländer. Apple, ein Unternehmen, das die meisten bis vor kurzem nur als Computerfirma wahrgenommen haben, gefährdet dank seines iPhone massenhaft Jobs in der Handyproduktion bei Nokia in Finnland.

Das Internet hat zum Verlust von Tausenden von Journalistenstellen auf der ganzen Welt geführt. Bedroht sind heute zunehmend auch sehr qualifizierte Jobs. Martin Ford erwähnt ein instruktives Beispiel: Er vergleicht die Berufschancen von Radiologen und Haushaltshilfen. Die Kernkompetenz eines Radiologen liegt in der Analyse komplexer Bilder, auf denen er Tumore und andere Krankheiten erkennt. Genau diese Tätigkeit kann jedoch relativ leicht von Bilderkennungssoftware geleistet werden. Die Technik gibt es. Ford glaubt, dass eine erhebliche Anzahl von Radiologenstellen auf absehbare Zeit verschwinden wird.

Die Tätigkeiten einer Haushaltshilfe dagegen, etwa ein Bücherregal abzustauben, den Kühlschrank mit den richtigen Produkten auffüllen, oder den Boden mit dem richtigen Putzmittel aufzuwischen, erfordert eine komplexe Kombination von Erkennen und Handeln.

Theoretisch könnte man dies vermutlich durch einen Roboter nachbilden. Der wäre jedoch so teuer, dass niemand auf die Idee kommt, ihn wirklich einzusetzen. Der Job einer Haushaltshilfe, selbst wenn er auf dem informellen Sektor angeboten wird, ist also sicherer als der eines Radiologen.

Aber bedeuten all diese Umbrüche, dass uns die Arbeit ausgeht, wie Jeremy Rifkin und andere schreiben? Dafür gibt es in der Statistik nicht den geringsten Hinweis, im Gegenteil. In Deutschland sind heute mehr Menschen in Arbeit als jemals zuvor seit der Wiedervereinigung. Der Arbeitsmarkt der Vereinigten Staaten ist zwar heute in einem wesentlich schlechteren Zustand als der deutsche. Dies lässt sich jedoch leicht auf traditionell ökonomische Weise erklären: Die USA haben sich im vergangenen Jahrzehnt auf gefährliche Weise auf Pump finanziert. Dies wird jetzt korrigiert, und so lange dies geschieht, bleibt der Arbeitsmarkt niedergedrückt. Das Konstrukt der technologischen Arbeitslosigkeit braucht man nicht.

Bisher haben also die herkömmlichen Ökonomen mit ihrer Beschreibung des Zusammenhangs von Technik und Arbeitsmarkt Recht. Deren Aussage, dass Rationalisierung im Endergebnis neue Jobs schafft, ist kein Naturgesetz, es ist jedoch eine ziemlich verlässliche Richtschnur, auch in der digitalen Revolution.

© SZ vom 21.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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