Zukunft der Arbeit:Patchworking statt Ochsentour

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Werden wir künftig mehrmals im Leben den Beruf wechseln?

Sylvia Englert

(SZ vom 7.4.2001) Ein Jahrzehnt lang war Ulrich Fröhner aus Stuttgart Theologe - dann beschloss er, auf Landschaftsgartenbau umzusatteln. "Ich hatte schon als Schüler in der Landwirtschaft gearbeitet, das lag mir einfach am Herzen", sagt er. Doch nach einigen Jahren des Umgrabens, Düngens und Pflanzens, er war inzwischen 48 Jahre alt, wurde ihm die körperliche Anstrengung zu viel. Zu dieser Zeit saß Fröhner für die Grünen im Gemeinderat in Stuttgart und beschäftigte sich da auch mit dem Thema Energie. Per Fernstudium vertiefte er seine Kenntnisse und machte sich schließlich als Energieberater selbständig.

Unterstützung beim Neueinstieg erhalten Berufswechsler vor allem im Freundeskreis (Foto: photodisc)

Ein Lebenslauf, wie er in seiner Buntheit immer selbstverständlicher wird: Kaum noch jemand verbringt sein ganzes Arbeitsleben bei einer Firma und der gleichen Tätigkeit. "Die klassische Erwerbsbiografie wird mit Sicherheit keine Chance mehr haben, in allen Berufsbereichen - man wird de facto mehrmals umlernen oder verschiedene Berufe ausüben müssen", bestätigt Peter Alheit, Professor am Pädagogischen Seminar der Universität Göttingen.

Je moderner der Beruf, desto geringer seine Halbwertszeit

Nach Informationen des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung in Frankfurt arbeiten heute je nach Sparte schon zwischen 21 und 68 Prozent der Berufstätigen drei Jahre nach der Ausbildung nicht mehr in dem Beruf, den sie gelernt haben. Als Faustregel gilt: Je moderner der Beruf, desto geringer seine Halbwertszeit. Wer in einem Dienstleistungs- oder IT-Beruf arbeitet, der wird die Entwicklung am ehesten spüren. Ärzte, Juristen und Lehrer dagegen haben noch eine kleine Atempause. Manche wechseln den Beruf, weil sie in ihrer Branche keine Stelle finden, andere driften unschlüssig von einem Job zum anderen, ohne sich entscheiden zu können. Doch besonders die jüngere Generation, weniger stark auf starre Berufskarrieren fixiert, begreift die neuen Lebenswege als Chance, sich Abwechslung zu verschaffen.

"Ich gehe davon aus, mehrmals den Beruf zu wechseln, und ich möchte mich auch nicht in eine Schublade drängen lassen", sagt John Krüger, 31 Jahre. Nach seinem Geologiestudium begann er, in einer Personalberatung zu arbeiten. "Mein Ziel ist jetzt, Berater zu werden, das kommt meinem Naturell entgegen. Ich brauche Menschen um mich und telefoniere gerne." Doch da er sich auch für Computer begeistert, könnte er sich ebenso gut vorstellen, später etwas in dieser Branche zu machen.

Schwieriger Neuanfang

Anstrengender als einfach die Stelle zu wechseln ist ein Berufswechsel jedoch allemal, denn oft sind lange Weiterbildungen fällig. Wer sich selbständig macht, hat noch mehr zu kämpfen. "Es war finanziell ein schwieriger Anfang, weil die Honorare nicht sehr hoch sind", erinnert sich Fröhner an den Beginn seiner Energieberater-Karriere. "Die ersten Jahre waren hart." Erst nach und nach sprach sich seine Dienstleistung herum; als Schlüssel zum Erfolg erwies sich schließlich sein Kontakt zum Energiebeauftragten der Landeskirche.

Nicht alle schaffen den Übergang in den neuen Beruf: Manch einer scheitert, weil er noch nicht genug gelernt hat, um dort zu überleben. Die nötige Unterstützung bekommen die Berufswechsler meist im Freundeskreis - weit seltener vom Arbeitsamt, das noch nicht recht auf diese "Patchwork-Biografien" eingestellt ist: "Die haben ein gnadenloses Schubladendenken", klagt Guido Büsch, der schon Züge gelenkt und als Layouter gearbeitet hatte, bevor er sein Hobby - den Computer - zum Beruf machte. "Schon bei der Suchmaschine muss man seine Berufsbezeichnung eingeben, sonst kann man gar nicht nach Stellen sortieren. Wichtig ist, wie man sich nennt, nicht was man kann." Auch bei potentiellen Arbeitgebern sehen sich die Berufswechsler meist skeptischen Fragen ausgesetzt, wenn sie es überhaupt bis zum Bewerbungsgespräch geschafft haben. Ein warmes Willkommen schallt ihnen vor allem dort entgegen, wo Fachleute knapp sind.

"Wer sich bei uns im IT-Bereich bewirbt, muss nicht unbedingt studiert haben", meint beispielsweise Wolfgang Fischer, Netzwerkadministrator bei der Zürich Agrippina Versicherung. "Wichtiger ist, dass er sich gut auskennt. Wenn jemand sagt, er kann was und zeigt es auch, dann ist das in Ordnung."

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