Zahlreiche Unternehmen erwarten Verfügbarkeit rund um die Uhr von ihren Führungskräften. Im Gegenzug bieten sie klassische Anreize - Status und Geld. Das reicht manchmal nicht mehr. "Andere Werte und Bedürfnisse erhalten einen neuen Stellenwert: Familie und Partnerschaft, persönliche Weiterentwicklung, Zeit für sich selbst, Gesundheit und soziale Kontakte, Kultur und soziales Engagement", sagt Mollbach. Bei immer mehr Ratsuchenden, vor allem Jüngeren, stellt er außerdem "eine neue Sehnsucht nach Sinn" fest, die durch Arbeit nicht oder nur zum Teil befriedigt werde.
Die Hamburger Personalberaterin Elisabeth Strack hat ähnliche Beobachtungen gemacht. "In meinen Beratungen kommt es in den letzten Jahren deutlich häufiger vor, dass Menschen nicht mehr unbedingt den nächsten Karriereschritt machen, nicht immer noch mehr arbeiten wollen." Ihr fällt das besonders bei Männern auf: "Früher galt es für erfolgreiche Männer als normal, ihre Kinder fast nie zu sehen. Heute ist ihnen der persönliche Bereich, die Lebensfreude wichtiger." Zurzeit berät Strack einen Banker, der zwei Teams zusätzlich übernehmen kann, aber nicht möchte, weil er lieber mehr Zeit für seine Familie hätte. "Außerdem wünscht er sich eine andere Aufgabe, die er als sinnvoller empfindet, als den hundertsten Investitionskredit zu prüfen."
Den Wunsch, einen Gang zurückzuschalten, hatten früher vor allem ältere Berufstätige. In den vergangenen 20 Jahren ist die Arbeitsbelastung aber immer weiter gestiegen, nicht nur im Management. Zugleich gibt es kaum noch Möglichkeiten, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. So ist Downshifting zur Ressourcenschonung auch für Jüngere eine vernünftige Alternative. Elisabeth Strack berät vor allem Menschen um die 40, "in der ersten großen Sinnkrise", aber auch zehn Jahre jüngere Überflieger: "Die haben in der ersten Berufsphase unglaublich geackert und fragen sich auf einmal: Will ich wirklich noch 40 Jahre lang so leben?"
Lene König war noch unter 30, als sie Teamleiterin in der Online-Nachrichtenredaktion von Yahoo Deutschland wurde. Der Job machte ihr großen Spaß: "Das war total mein Ding, ich habe praktisch im Büro übernachtet." Als sie ihr erstes Kind erwartete, wurde ihr jedoch klar, dass sie so nicht länger leben wollte. Sie wollte selbst über Arbeitsort und Arbeitszeiten bestimmen und nicht mehr in einer Hierarchie stehen. König, die immer gern genäht hatte, gab den Nachrichtenjournalismus auf und machte sich mit dem Herstellen von Kinderkleidung selbständig. "So konnte ich nachmittags zum Kindergeburtstag und die versäumte Arbeit abends nachholen." Nach der Downshifting-Phase ist sie nun wieder in einer Führungsposition, aber in einer selbstbestimmten: Königs Unternehmen hat inzwischen zwei Angestellte und zwei Auszubildende.