Zivilcourage und Arbeitsrecht:Hilfe, mein Kollege ist fremdenfeindlich

rechter Chef

Wenn es braun am Arbeitsplatz wird ...

(Foto: Yi Luo; Jessy Asmus)

Rechtsextremismus am Arbeitsplatz: Was Führungskräfte, Kollegen und Betroffene dagegen tun können.

Von Sarah Schmidt

Angesichts der Flüchtlingsdebatte und der Pegida-Demonstrationen ist in Deutschland das Thema Rechtsextremismus wieder aktuell. Nicht nur in Familien, im Bekanntenkreis und im Sportverein wird diskutiert und gestritten. Auch im Büro, am Arbeitsplatz fragen sich viele: Was ist rechts, was rechtsradikal? War der Spruch vom Kollegen neulich ein missglückter Scherz oder schon fremdenfeindliche Hetze?

Oft ist Rechtsextremismus gar nicht so einfach zu fassen. Es gibt nicht die eine, klare Definition, was rechtsextrem ist und was nicht. Doch fest steht, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus die gesamte Gesellschaft etwas angehen: Männer wie Frauen, Ost und West. Darum ist es wichtig, sich auch im Arbeitsalltag damit auseinanderzusetzen.

Die Unternehmen sind gefordert, Führungskräfte, Betriebsräte und Gewerkschaften - aber auch jeder Einzelne, wie die folgenden Fallbeispiele zeigen.

Rechte Facebook-Kommentare

"Ich bin mit meiner Kollegin bei Facebook befreundet. Dort bekomme ich mit, dass sie immer wieder fremdenfeindliche Sachen zur Flüchtlingsdebatte postet. Offenbar ist sie auch in einer rechtsradikalen Organisation Mitglied und schickt ihre Kinder zu völkischen Jugendfreizeiten. Ich habe meinen Chef informiert. Der sagte, dass das kein Grund für eine Kündigung sei."

Was Menschen in ihrer Freizeit machen, geht den Arbeitgeber in der Tat erst einmal nichts an. Wenn sich die rechtsradikalen Aktivitäten der Kollegin auf ihr Privatleben beschränken, ist es in der Regel nicht möglich, dagegen vorzugehen - selbst eine Straftat ist nicht unbedingt ein Kündigungsgrund. Es kommt allerdings auf die Art des Arbeitsverhältnisses an. "Für Staatsangestellte wie Lehrer, Richter oder andere Beamte gilt eine besondere Treuepflicht gegenüber Staat und Verfassung", erläutert der Düsseldorfer Arbeitsrecht-Experte Daniel Hautumm. In solchen Fällen können auch Freizeitaktivitäten eine Rolle spielen.

Letztlich muss aber jeder Einzelfall gesondert betrachtet werden. "Der Bezug zum Arbeitgeber ist entscheidend", so der Anwalt. Ein Beispiel: Das Arbeitsgericht Mannheim hat entschieden, dass eine private Kita einem rechtsradikalen Erzieher kündigen darf. "Da besteht die begründete Angst, dass der Mitarbeiter, der ja den besonderen Auftrag hat, sich fürsorglich um Kinder zu kümmern, seine Hetze an diese weitergibt. In so einem Fall kann auch dessen privates Engagement ein Kündigungsgrund sein", erläutert der Jurist.

Was also können die aufmerksame Kollegin und der Arbeitgeber tun? Michael Nattke ist Fachreferent beim Kulturbüro Sachsen e. V., er hat zum Thema Rechtsextremismus unter Berufsschülern geforscht und berät Betroffene, Unternehmen und Betriebe. Er sagt: "Der erste Schritt ist immer, sich schlau zu machen." Welchen Hintergrund haben spezielle Gruppen und Organisationen? Woran erkenne ich rechtsradikale Symbole und Kleidung? Zu solchen und weiteren Fragen hat die gemeinnützige Bildungseinrichtung "Arbeit und Leben Hamburg" eine Informationsbroschüre zusammengestellt.

Rechte Flugblätter in der Kaffeeküche

"In meinem Vertriebsteam ist ein Mitarbeiter, der sich bei der NPD engagiert. Bislang gab es an seiner Arbeit nichts auszusetzen, doch jetzt hat er in der Kaffeeküche Flugblätter ausgelegt."

Gibt es konkrete rechtsradikale Vorkommnisse im Betrieb, dann ist es auch in diesem Fall wichtig, möglichst viele Informationen zu sammeln. Was genau ist passiert? Wer war dabei? Führungskräfte sollten sich dann auch bei Kollegen des entsprechenden Mitarbeiters erkundigen, ob es in der Vergangenheit schon Vorfälle gab.

Auch eine externe Beratung ist sinnvoll: "Sich den Blick von außen zu holen, hilft, die Sache richtig einzuschätzen", sagt Michael Nattke, der in solchen Fällen zu Rate gezogen wird. Manchmal werde aber zu hart reagiert: "Wenn ein Mitarbeiter gar nicht genau wusste, was er da für eine Jacke anhat, geht eine Kündigung zu weit", so Nattke. Hetze gegen ausländische Mitarbeiter kann andererseits sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Will ein Unternehmen sich von einem Mitarbeiter trennen, sollte es sich gut absichern, empfiehlt Rechtsanwalt Daniel Hautumm. "Denn hat die Kündigung vor Gericht keinen Bestand, dann haben Sie jemanden im Betrieb, der rumposaunt, dass sein Verhalten in Ordnung war und er seine Sprüche genau so sagen durfte." Hat das Unternehmen keine eigene Rechtsabteilung, kann gegebenenfalls der Arbeitgeberverband oder ein externer Rechtsanwalt weiterhelfen.

Dumme Sprüche und Behinderten-Witze

"Ein Kollege lässt immer mal wieder dumme Sprüche fallen und macht Witze über Behinderte. Als ich mit den anderen Leuten aus dem Team gesprochen habe, hieß es: 'Ach, der meint das nicht so.'"

"Vertreten Sie immer Ihre Meinung, klar und deutlich", rät Rechtsextremismus-Berater Michael Nattke. Wenn Menschen nie Kontra zu ihren rechtsradikalen Positionen hören, denken diese irgendwann, dass sie für die Mehrheit sprechen. Er erklärt das mit der Blase, in der sich jeder bewegt: Wer Freunde hat, die auf Facebook ausländerfeindliche Kommentare posten, dann auf die Pegida-Demo gehen und sich auf rechten Foren informieren, denkt irgendwann, dass alle so denken.

Mobbing und Rassismus

"Im Team werde ich wegen meiner indischen Wurzeln drangsaliert. Ich bekomme immer die Arbeit zugeteilt, die sonst keiner machen will, und ich bin sicher, dass die Kollegen hinter meinem Rücken über mich lästern."

Der Arbeitgeber hat nach dem Arbeitsgesetz eine Schutzpflicht für seine Angestellten. Der erste Ansprechpartner sollte daher der Chef sein, so Arbeitsrechtler Hautumm. Schildert ein Mitarbeiter solche Vorfälle, muss die Unternehmensführung Maßnahmen ergreifen, um das Mobbing zu unterbinden. Gibt es einen Betriebsrat, ist auch dieser zuständig. Verbessert sich trotz allem nichts an der Situation, hat der Betroffene Anspruch auf Schadensersatz. "Das ist aber vor Gericht schwer nachweisbar", so die Erfahrung von Rechtsanwalt Daniel Hautumm. Denn im Prozess treten sowohl der Arbeitgeber als auch der Mitarbeiter als Partei auf - als Zeugen kommen dann in der Regel nur die Kollegen in Frage.

Hautumm empfiehlt seinen Mandanten dennoch, die Vorfälle genau zu dokumentieren: "Notieren Sie in einer Art Mobbing-Tagebuch darüber, wer Sie wann, wo und wie angegangen hat." Auch wenn sich ein Schadenersatz-Anspruch schwer durchsetzen lässt, kann das helfen, eine höhere Abfindung auszuhandeln.

Der Chef hetzt gegen Ausländer

"Ich arbeite in einem kleinen Handwerksbetrieb. Mein Chef ist ein ziemlich mieser Charakter. Immer wieder hetzt er gegen Ausländer. Ich finde das Klima wirklich unerträglich."

Bei kleinen Unternehmen ohne Betriebsrat ist es nahezu unmöglich, sich gegen einen rechtsradikalen Chef zu wehren. "Da bleibt dann nur, sich einen anderen Job zu suchen", sagt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen.

Es gibt gar kein Problem?

"Ich bin Chef in einem mittelständischen Unternehmen. Bei uns gibt es bislang keine Vorfälle mit rechtsradikalem Hintergrund. Zumindest ist mir da bisher nie etwas zu Ohren gekommen. Jetzt bin ich unsicher, ob wir uns dazu positionieren sollen: Das sieht doch gleich so aus, als hätten wir da ein Problem."

Michael Nattke, der als Jugendlicher selbst Teil der rechten Szene war, hält es für wichtig, dass sich Unternehmen klar für Demokratie und Freiheit positionieren. "Das ist eine wichtige Rückendeckung für all jene, die sich sonst nicht trauen, sich zu dem Thema zu äußern." Gerade in Sachsen nehmen Nattke und seine Kollegen wahr, wie positiv es wirkt, wenn sich die ortsansässigen Unternehmen klar bekennen. "Das sind anerkannte Instanzen. Das macht einen Unterschied", so seine Einschätzung.

Außerdem ist der Betrieb, der Arbeitsplatz, seiner Meinung nach ein Umfeld, an dem Menschen erreicht werden können, die nicht nach Feierabend noch auf eine Informationsveranstaltung gehen. VW in Sachsen veranstaltet zum Beispiel spezielle Thementage für Auszubildende. Diskussionen über Demokratie und Neonazis werden ergänzt durch ein Anti-Agressions-Training und einen Besuch in der KZ-Gedenkstätte.

"Klar gibt es da bei einer Gruppe von 28 Leuten auch welche mit Pegida-Positionen - aber eben nur eine Handvoll", so Nattke. Natürlich dürften diese dann auch sprechen, doch es kämen auch diejenigen zu Wort, die die Dinge anders sehen. "Das ist ein wichtiger Lerneffekt, dass die rechten Jugendlichen von ihren Peers hören, dass die für Zuwanderung sind oder gegen Hass-Parolen."

Gerade Auszubildende, so Nattkes Erfahrung, erreicht man gut mit entsprechenden Informationsangeboten. Doch auch für Führungskräfte oder die ganze Belegschaft machen er und seine Kollegen Workshops und Informationsveranstaltungen. Auch in den anderen Bundesländern gibt es Beratungsstellen, die Unternehmen bei der Durchführung solcher Maßnahmen unterstützen. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat eine Datenbank zu Initiativen zusammengestellt. Unter Netz-gegen-Nazis.de findet sich ebenfalls eine Aufstellung.

Gemeinsames Leitbild

"Während unserer Mitarbeitertage haben wir erarbeitet, wie wichtig uns ein offenes und kollegiales Betriebsklima ist - gerade auch im Hinblick auf unsere Kollegen mit Migrationshintergrund und Handicap. Dieses Ergebnis würden wir gern im Unternehmen verankern."

Jedes Unternehmen, jeder Betrieb kann sich mit einem Leitbild klar zu Demokratie und Freiheit zu bekennen. Anhand einer solchen freiwilligen Betriebsvereinbarung, die auch allen Mitarbeitern bei der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags vorgelegt wird, könnten klare Verhältnisse geschaffen werden, so Michael Nattke.

Arbeitsrechts-Experte Hautumm hält solche freiwilligen Betriebsvereinbarungen für sinnvoll. "Allerdings ist es wichtig, dass diese dann auch durchgesetzt und vor allem von oben gelebt werden." Das bedeute, dass es Konsequenzen gibt, wenn dagegen verstoßen wird. Und dass der Chef zum Beispiel umgehend ein Gespräch mit einem Mitarbeiter führt, wenn er mitbekommt, dass dieser einen fremdenfeindlichen Spruch loslässt. Auf dem Portal Aktiv-gegen-Disminierung.info der Gewerkschaft Verdi findet sich eine Musterbetriebsvereinbarung. Auch die Hans-Böckler-Stiftung stellt online Gestaltungshilfen und Hinweise zur Verfügung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: