Zeitarbeit: Umstrittene Werbung:Der Mensch als Ware

"Exklusiv für Sie - Sichern Sie sich jetzt 15 Prozent Rabatt auf alle Hilfs- und Fachkräfte": Eine Zeitarbeitsfirma wirbt mit einem Rabatt auf Mitarbeiter - und erntet Entrüstung.

T. Öchsner

Vor einigen Tagen bekamen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen ungewöhnliche Post. "Kalkulieren Sie mit spitzem Bleistift, dank unserer Wirtschaftskrisen-Rabatt-Aktion", ist darin zu lesen. Und weiter heißt es in dem Werbeprospekt: "Exklusiv für Sie - Sichern Sie sich jetzt 15 Prozent Rabatt auf alle Hilfs- und Fachkräfte."

Zeitarbeit: Umstrittene Werbung: Das Plakat des Anstoßes: Nach einem Sturm der Entrüstung gibt sich die Zeitarbeitsfirma reuig.

Das Plakat des Anstoßes: Nach einem Sturm der Entrüstung gibt sich die Zeitarbeitsfirma reuig.

(Foto: Foto: oH)

Wie bei Rabattaktionen für Computer, Möbel oder Kühlschränke üblich, ziert einen der Slogans auch ein Sternchen. "Alle müssen raus!*", so die Überschrift. Darunter abgebildet ist eine Gruppe von Menschen in unterschiedlicher Arbeitskleidung. Ein Bauarbeiter mit Helm, eine Krankenschwester mit Stethoskop, ein Angestellter mit Aktentasche. Im Kleingedruckten unter ihren Füßen steht: "Angebot gilt nur vom 27.04.2009 bis 30.06.2009."

Sturm der Entrüstung

Absender des Schreibens ist die Zeitarbeitsfirma S&F Personal Dienstleistungen in Olpe in Nordrhein-Westfalen, die ihre Arbeitskräfte zum Beispiel an metallverarbeitende Betriebe und Dienstleister verleiht. Nun hat der Mittelständler jede Menge Ärger. Die IG Metall läuft Sturm gegen den Slogan. Die sonderbare Rabatt-Aktion hält Georg Keppeler, IG-Metall-Chef von Olpe, für ein "unmoralisches Angebot".

Er findet es erschreckend, dass ein Arbeitgeber Menschen wie Waren anpreist. "Wir sind nicht im Sommerschlussverkauf und auch nicht im Winterschlussverkauf", sagt er. "Es handelt sich um Menschen mit Kopf, Gefühlen und Verstand." Ebenso empört ist DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy: "Es ist zynisch, wenn Leiharbeitskräfte zu Sonderpreisen angeboten werden", sagt er.

Der Geschäftsführer der Firma, Dominik Bangert, gibt sich inzwischen reumütig. Die Formulierungen in dem Werbeprospekt seien "unglücklich gewählt" und "wahnsinnig bedauerlich". Ziel der Aktion sei gewesen, möglichst vielen Leiharbeitern in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise den Arbeitsplatz zu erhalten. "Wir wollen mit der Werbeaktion ja nicht unseren Mitarbeitern 15 Prozent weniger bezahlen, sondern haben unseren Kunden entsprechend geringere Stundensätze angeboten", sagt Bangert.

Auf der nächsten Seite: Warum es der IG-Metall bei ihrer Kritik an der Werbeaktion aber noch um viel Grundsätzlicheres geht.

Günstige Leiharbeiter statt eigene Mitarbeiter

Niedrige Stundenlöhne

Die S&F Personal Dienstleistungen mit Niederlassungen in Olpe, Wuppertal, Hagen und Gummersbach leidet wie alle Zeitarbeitsfirmen unter fehlenden Aufträgen in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. In den vergangenen Monaten wurden in keiner anderen Branche so schnell Arbeitsplätze abgebaut. Von den einstmals knapp 800.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Juli vergangenen Jahres dürften bis heute weniger als 500.000 übrig geblieben sein.

Geschäftsführer Bangert weist darauf hin, dass das Unternehmen seine Arbeitskräfte nach Tarif bezahlt. Bei dem Vertrag handelt es sich allerdings um eine Vereinbarung mit einer Tarifgemeinschaft der Christlichen Gewerkschaft. Dabei liegen die Stundenlöhne unter den Sätzen in Verleihfirmen, die mit DGB-Gewerkschaften Verträge abgeschlossen haben. Außerdem gibt es Öffnungsklauseln, die es erlauben, das Entgelt für die Mitarbeiter in den ersten sechs Monaten um 9,5 Prozent zu senken.

IG-Metall-Mann Keppeler geht es bei seiner Kritik an der Werbeaktion aber noch um viel Grundsätzlicheres: Ihm passt nicht, dass hier mit "aggressiver Werbung" Unternehmen gedrängt werden, ihre eigenen Arbeitskräfte hinauszuwerfen und dafür günstigere Leiharbeiter zu beschäftigen. "Das kann nicht das Wirtschaftsmodell der Zukunft sein."

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