Zeitarbeit:Gelobt, geschätzt und abserviert

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Eine Frau versucht, über eine Zeitarbeitsfirma einen festen Job zu finden - gelungen ist ihr das bisher nicht.

Sibylle Haas

Manchmal fühlt sie sich ausgegrenzt und degradiert. "Man gehört nicht wirklich dazu, ist Mitarbeiterin zweiter Klasse", sagt Simone Berg (Name von der Redaktion geändert). Die 45-Jährige ist Zeitarbeitnehmerin und arbeitet somit in einer Branche, die seit Jahren wächst. Die Firmen bedienen sich gerne der Zeitarbeitnehmer, die sie schnell wieder loswerden, wenn die Aufträge zurückgehen. Auftragsspitzen seien "typische Bedarfsfälle", heißt es beim Bundesverband Zeitarbeit (BZA). Dort ist auch Bergs Arbeitgeber Mitglied, die zum niederländischen Personaldienstleister USG People gehörende Creyf's.

Bei Simone Berg dauerte der "Bedarfsfall" zwei Jahre, und das ist gar nicht so selten. Denn im Tarifvertrag, den der BZA mit der Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geschlossen hat, heißt es explizit: "Der Arbeitsvertrag kann ... bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden. Innerhalb dieser Zeitspanne kann das Arbeitsverhältnis bis zu viermal verlängert werden."

So war es bei Simone Berg. Den ersten befristeten Arbeitsvertrag mit Creyf's schloss sie im Juni 2003. Erst zwei Jahre später wurde sie dort fest angestellt. In der ganzen Zeit war sie für den gleichen Autohersteller im Einsatz, zunächst als Sekretärin und kaufmännische Sachbearbeiterin in der IT-Abteilung, später führte sie das Büro eines EDV-Projekts. "Es ist nicht unüblich, dass Firmen Mitarbeiter nachfragen, die sie schon kennen", erklärt Brigitte Zanger, die Leiterin der Münchner Niederlassung von Creyf's.

Bei den Gewerkschaften stößt derlei Vorgehen auf Widerstand. "Immer mehr Betriebe gehen dazu über, mit Zeitarbeitskräften tariflich beschäftigte Stammarbeitskräfte dauerhaft zu ersetzen", kritisiert die IG Metall. Oft verdienten Zeitarbeitnehmer viel weniger als Festangestellte, trotz gleicher Tätigkeiten und Leistungen. "Es kann keinen gesellschaftlichen Konsens für Beschäftigte erster und zweiter Klasse geben", fordert Detlef Wetzel, der Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen.

Für Simone Berg ist der Einsatz bei dem Autobauer im Dezember 2006 zu Ende gegangen. Im März wird sie als Assistentin des Geschäftsführers bei einer kleineren Telekomfirma arbeiten. Ihrem Chef bei der Autofirma ist sie dankbar. "Es hat mich aufgebaut, dass er mir immer wieder gesagt hat, wie sehr er meine Arbeit schätzt. Das habe ich als ideellen Wert gesehen", betont sie.

Viel Geld bekommt die gelernte Industriekauffrau für ihre Arbeit nicht. Seit diesem Jahr verdient sie 9,37 Euro brutto in der Stunde, ist eingruppiert in der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrags für die Zeitarbeit. Berg wurde ziemlich weit unten eingestuft. Sie macht damit Arbeiten, die Kenntnisse erfordern, für die man eine Berufsausbildung braucht. Das meiste Geld, nämlich 16,69 Euro brutto in der Stunde, gibt es für Tätigkeiten, die ein Hochschulstudium erfordern. Das ist Entgeltgruppe 9.

Was sie wohl verdienen würde, wenn sie fest angestellt wäre? "Ich will das gar nicht wissen, ich wäre viel zu frustriert", sagt sie. "Für viele ist Zeitarbeit eine Chance, wieder in das Berufsleben einzusteigen und die Einsätze als Sprungbrett für eine Festanstellung bei der Entleihfirma zu nutzen", sagt Brigitte Zanger von Creyf"s. "Man verdient nicht viel in der Zeitarbeit. Aber das ist doch immer noch besser, als gar keinen Job zu haben", unterstreicht Berg, die hofft, eine feste Stelle zu finden.

Der 20-Stunden-Job bringt der allein erziehenden Mutter 700 bis 800 Euro brutto im Monat. Netto bleiben ihr und den zwei Söhnen (acht und zehn Jahre) etwa 600 Euro, rechnet sie vor. "Da bleibt für Extras nichts übrig." Den Klavierunterricht des Jüngsten bezahle die Tante. Auch von ihrem Ehemann, von dem sie getrennt lebt, bekomme sie Geld. Doch da er eine Firma habe, der es momentan nicht so gut gehe, seien die Zahlungen unterschiedlich hoch, erklärt Berg.

Der Berufsweg von Simone Berg ist klassisch für Frauen in Deutschland, die mehrere Jahre ihre Kinder betreuen und aus dem Job aussteigen. Als Berg vor vier Jahren nach längerer Zeit wieder auf Arbeitssuche ging, waren die Söhne sechs und vier Jahre alt. "Ich brauchte eine Stelle, weil das Geschäft meines Mannes schon damals schlecht lief", sagt sie. Die Industriekauffrau ging im Frühjahr 2003 zum Arbeitsamt und belegte einen Einstiegskurs für Frauen, die nach der Familienpause wieder arbeiten wollen. Sie sollen Frauen Mut für den Wiedereinstieg machen. Doch der Versuch, eine Teilzeitstelle zu finden, schlug fehl. "Wahrscheinlich, weil ich lange nicht im Job war und kleine Kinder hatte", vermutet sie, auch wenn ihr das keiner so gesagt hat.

Zur Zeitarbeitsfirma Creyf's kam Berg, weil ihr eine Freundin davon erzählt hatte. Sie rief dort an, schickte ihre Bewerbungsunterlagen und wurde genommen. Den ersten Job bei der Autofirma bekam sie, weil dem Chef ihr "Vorleben" gefiel. Berg hatte aus gesundheitlichen Gründen zur Industriekauffrau umgeschult und ist eigentlich gelernte Krankenschwester. Sie war in der Intensiv- und Notfallmedizin und in der Sterbebegleitung tätig. "Wer Sterbende betreut hat, ist so gefestigt, dass er allen Wirren standhält. Das hat mein Chef damals gesagt", betont Berg, und man spürt, dass ihr diese Arbeit am Herzen liegt. "Am liebsten würde ich beides verbinden, die Kenntnisse in der Pflege und meine Managementarbeit", sagt sie zuversichtlich.

Das hat ihr neulich auch eine Beraterin der Frauenakademie München (FAM) empfohlen. "Ich will eine Arbeit finden, die ich noch viele Jahre machen kann", sagt Simone Berg, "und in der Zeitarbeit sehe ich meine Zukunft nicht".

© SZ vom 27.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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