Zeitarbeit:Geheuert, gefeuert

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Sie wechseln alle drei Wochen ihren Schreibtisch und wandern von einem Job zum nächsten: Zeitarbeiter sind Angestellte zweiter Klasse - verzweifelt auf der Suche nach einem festen Job.

In der Zeitarbeitsbranche hat die Wirtschaftskrise besonders sichtbare Spuren hinterlassen. Mehr als 300.000 Leiharbeiter wurden in den vergangenen Monaten entlassen. Für hoch qualifizierte Fachkräfte bietet die Branche allerdings immer noch Jobs - auch wenn es Lücken im Lebenslauf gibt.

Auf der Suche nach der nächsten Anstellung: Die Zahl der Leiharbeiter ist in den vergangenen Monaten um 300.000 gesunken. (Foto: Foto: dpa)

Ob aus solcher Beschäftigung bei einem Zeitarbeitsunternehmen irgendwann ein fester Job wird, ist allerdings unklar. Für viele ist Zeitarbeit dennoch besser als gar keine Arbeit. "Von knapp 800.000 Beschäftigten im Juli 2008 ist die Zahl der Zeitarbeiter auf knapp 500.000 im April 2009 gesunken." Die Zahlen von Michael Wehran, Sprecher des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA) in Berlin, klingen dramatisch. Dabei ist die Entwicklung nach Angaben des Branchenverbands zweigeteilt. Dem starken Job-Abbau stehen zahlreiche weiterhin offene Stellen gegenüber.

Brüche im Lebenslauf

"Während vor allem in der Automobil- und Stahlbranche die Zahl der Arbeitskräfte zurückgeht, werden Computer-Experten, Ingenieure und Mitarbeiter im Gesundheitswesen nach wie vor gesucht. Derzeit gibt es noch 35.000 offene Stellen", sagt Wehran. Für hoch qualifizierte Ingenieure und Facharbeiter gebe es noch Stellenangebote.

Dabei sei die Zeitarbeit ein gute Möglichkeit, wieder einen Job zu bekommen. 65 Prozent der Zeitarbeiter sind laut BZA vorher arbeitslos gewesen. Sie bekämen durch die Zeitarbeit die Chance auf einen Job, erklärt Wehran: "Das gilt vor allem auch für Menschen, die Brüche im Lebenslauf haben. Unsere Auftraggeber gucken nicht so sehr auf die Bewerbungsunterlagen, sondern darauf, wie gut die Leute jetzt arbeiten."

Dieses Loblied auf die Zeitarbeit wollen Gewerkschafter nicht mitsingen. Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei Leiharbeitern meist um Arbeitnehmer zweiter Klasse, die unter schlechteren Bedingungen für einen geringeren Lohn arbeiten. "Wir registrieren mit Sorge, dass die Leiharbeitsbranche auch in der Wirtschaftskrise ihre Politik des Heuerns und Feuerns fortsetzt", kritisiert Wilhelm Adamy, Arbeitsmarkt-Experte beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin.

Kaum Kurzarbeit

Die Leiharbeitsunternehmen würden derzeit so viele Menschen entlassen wie keine andere Branche, sagt Adamy. Dabei werde anders als in anderen Branchen von Möglichkeiten wie der Kurzarbeit kaum Gebrauch gemacht, obwohl seit kurzem auch die Zeitarbeitsbranche dieses Instrument nutzen kann: "Im März waren nur zwei Prozent der Leiharbeiter in Kurzarbeit." In der Automobilindustrie seien es zum gleichen Zeitpunkt 24 Prozent der Beschäftigten gewesen.

"Die Kurzarbeit könnte von den Zeitarbeitsunternehmen sicher noch besser genutzt werden", räumt Branchen-Sprecher Wehran ein. Tatsächlich seien die Zeitarbeitsunternehmen sehr daran interessiert. Dieses Instrument sei aber erst seit kurzem für die Branche möglich, mit einem gewissen bürokratischen Aufwand und mit Kosten verbunden.

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Viele schwarze Schafe

Für die Verfechter von Zeitarbeit ist sie eine Möglichkeit, langfristig an einen normalen Job zu kommen. Allerdings ist der "Klebeeffekt" umstritten. Eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft im Auftrag des BZA ergab, dass immerhin ein Viertel der Zeitarbeiter vom jeweiligen Unternehmen übernommen werden. Weitere 20 Prozent bekommen demnach von einem anderen Arbeitgeber nach der Zeitarbeit einen festen Job.

Eine Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hingegen geht von einem "Klebeeffekt" von lediglich 15 Prozent aus. Eine weitere Studie der Böckler-Stiftung belegt, dass Leiharbeit die Stammbeschäftigten verdrängt: Demnach wurden von 2005 bis 2007 in etwa einem Viertel der Betriebe regulär Beschäftigten durch Leiharbeiter ersetzt.

Trotzdem mag Gewerkschafter Adamy nicht grundsätzlich von Zeitarbeit abraten: "Falls man keine andere Alternative hat, sollte man natürlich ein Zeitarbeits-Angebot annehmen. Das ist sicherlich besser, als gar keinen Job zu haben." Allerdings gebe es in der Branche viele schwarze Schafe, warnt der DGB-Arbeitsmarkt-Experte. "Man sollte den Arbeitsvertrag daher nicht voreilig unterschreiben, sondern vorher die tariflichen Eingruppierungen und die weiteren Bestimmungen genau prüfen."

© dpa/Sebastian Knoppik/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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